Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das fünffte Capitel. heiligen abendmahls fortgefahren/ erfolgte lästerung oder lästerlichegedancken bey dem genuß desselben ein zeichen der göttlichen gäntzli- chen verlassung und teufflischen besitzung oder sorglichen wircklichen verdammung/ oder weitere prüffung und übung ihrer buß/ glau- bens/ gebets etc. seye? Hierauf antworte also/ daß ich solche lästerungen an- sehe/ nicht als eine eigenliche besitzung des teuffels/ vielweniger wirckliche ver- dammnüß/ sondern als ein göttliches gericht/ der dem satan über ihre seele/ sie mit solchen lästerungen anzugreiffen/ gewalt gegeben habe/ da sie die dabey ausstehende ängsten als etwas wol verschuldetes billich leidet/ GOTT aber hat dabey seine gnädige absicht/ sie eben aus desjenigen klauen herauszureis- sen/ dem er zu einer ängstigung derselben macht gegeben hat. Wie sich hof- fentlich die sache selbs zeiget/ daß vermuthlich sie kaum jemal etwas zu ängstlicherer sorge für ihre seele als die quaal dieser lästerung getrieben haben mag. V. Ob die angst und forcht vor der verdammung noch ein VI. Wie solcher armen seel zu helffen/ bey solcher lästerung der demu-
Das fuͤnffte Capitel. heiligen abendmahls fortgefahren/ erfolgte laͤſterung oder laͤſterlichegedancken bey dem genuß deſſelben ein zeichen der goͤttlichen gaͤntzli- chen verlaſſung und teuffliſchen beſitzung oder ſorglichen wircklichen verdammung/ oder weitere pruͤffung und uͤbung ihrer buß/ glau- bens/ gebets ꝛc. ſeye? Hierauf antworte alſo/ daß ich ſolche laͤſterungen an- ſehe/ nicht als eine eigenliche beſitzung des teuffels/ vielweniger wirckliche ver- dammnuͤß/ ſondern als ein goͤttliches gericht/ der dem ſatan uͤber ihre ſeele/ ſie mit ſolchen laͤſterungen anzugreiffen/ gewalt gegeben habe/ da ſie die dabey ausſtehende aͤngſten als etwas wol verſchuldetes billich leidet/ GOTT aber hat dabey ſeine gnaͤdige abſicht/ ſie eben aus desjenigen klauen herauszureiſ- ſen/ dem er zu einer aͤngſtigung derſelben macht gegeben hat. Wie ſich hof- fentlich die ſache ſelbs zeiget/ daß vermuthlich ſie kaum jemal etwas zu aͤngſtlicherer ſorge fuͤr ihre ſeele als die quaal dieſer laͤſterung getrieben haben mag. V. Ob die angſt und forcht vor der verdammung noch ein VI. Wie ſolcher armen ſeel zu helffen/ bey ſolcher laͤſterung der demu-
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Das fuͤnffte Capitel.
heiligen abendmahls fortgefahren/ erfolgte laͤſterung oder laͤſterliche
gedancken bey dem genuß deſſelben ein zeichen der goͤttlichen gaͤntzli-
chen verlaſſung und teuffliſchen beſitzung oder ſorglichen wircklichen
verdammung/ oder weitere pruͤffung und uͤbung ihrer buß/ glau-
bens/ gebets ꝛc. ſeye? Hierauf antworte alſo/ daß ich ſolche laͤſterungen an-
ſehe/ nicht als eine eigenliche beſitzung des teuffels/ vielweniger wirckliche ver-
dammnuͤß/ ſondern als ein goͤttliches gericht/ der dem ſatan uͤber ihre ſeele/ ſie
mit ſolchen laͤſterungen anzugreiffen/ gewalt gegeben habe/ da ſie die dabey
ausſtehende aͤngſten als etwas wol verſchuldetes billich leidet/ GOTT aber
hat dabey ſeine gnaͤdige abſicht/ ſie eben aus desjenigen klauen herauszureiſ-
ſen/ dem er zu einer aͤngſtigung derſelben macht gegeben hat. Wie ſich hof-
fentlich die ſache ſelbs zeiget/ daß vermuthlich ſie kaum jemal etwas zu
aͤngſtlicherer ſorge fuͤr ihre ſeele als die quaal dieſer laͤſterung getrieben
haben mag.
V. Ob die angſt und forcht vor der verdammung noch ein
kennzeichen des glaubens/ oder nur eine knechtiſche forcht des unglau-
bens ſeye? Dieſe frage zu beantworten/ will faſt ſchwehr werden/ indem zu
dero entſcheidung wolte zu wiſſen noͤthig ſeyn/ ob und wie viel biß daher
GOttes Geiſt in dieſer geiſtlichen noth bey ihr gewircket/ und ſie aus den vo-
rigen ſuͤnden-ſtricken loßzumachen angefangen habe. Daher ich lieber von
dem goͤttlichen rath/ ſo zu beobachten iſt/ die antwort faſſen will/ nemlich daß
dieſe angſt nicht eben gewiß ein zeugnuͤß ſeye des wahren glaubens/ wol aber/
daß GOTT noch gnaden-gedancken uͤber ſie/ nicht aber ſie in die verſtockung
uͤbergeben habe: Alſo iſt entweder der glaube in ihr/ wovon zu urtheilen eini-
ges mehrers von der perſon und ihrem zuſtand zu wiſſen noͤthig waͤre/ oder
doch zeigt ſich wiederum ein ſaͤmlein deſſelben/ ſo GOTT in die ſeele kommen
laſſen/ welches auch wiederum/ dafern ſie GOTT an ſich arbeiten laͤſt/ zu-
nehmen/ und ein ſeliger anfang einer rechtſchaffenen bekehrung werden ſolle.
VI. Wie ſolcher armen ſeel zu helffen/ bey ſolcher laͤſterung der
gnaden-mittel? Dieſe frage achte unter allen die noͤthigſte/ und erklaͤhre
mich dahin. 1. Wird der anfang zu machen ſeyn von demjenigen/ was des
jammers der anfang geweſen iſt: Nemlich es muß die tentata dazu gebracht
werden/ daß ſie ihr voriges ſuͤndliches leben/ in dero unbußfertigkeit/ unver-
ſoͤhnlichkeit/ oder wo ſie auch ſonſten mit der welt ſich beflecket haͤtte/ in allem
dem/ was bey ihr dem goͤttlichen willen zu wider waͤre/ wahrhafftig erkenne/
bereue/ und von grund der ſeelen zu haſſen anfange: Wobey ſie billich allezeit
gedencken ſolle/ daß ſolches ihr voriges leben wahrhafftig die urſach alles ſol-
ches goͤttlichen gerichts/ und ſie daher ſich vor GOTT deßwegen hertzlichſt zu
demu-
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