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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO. XXX.
verlangen eines bessern wircket/ so sihet sie ja/ daß solcher vornehmste platz
noch demjenigen eigen bleibet/ dem alles aus allem recht gebühret. Sie ge-
dencke fleißig und erwege fleißig den spruch Rom. 7/ 25. mit vor und nach-
gehenden: so wird sie sich in die sache fein schicken können.

2. Den andern scrupul sehe ich diesen/ daß sie nach mehrmaligem gebrauch
des heiligen abendmahls so wenig besserung bey sich spühre/ und deswegen
in die gedancken gerathe/ obs nicht besser wäre/ sich gar desselben zu enthalten/
und nicht ein schwehrer gericht sich beyzuziehen. Hie will ich sie abermal nicht
sicher machen/ wo sie bey sich findet/ daß aus ihrer versäumnüß/ trägheit und
unachtsamkeit vieles von der frucht/ so sonsten bey ihr folgen soll/ ausgeblie-
ben wäre: sondern auch diese sünden gehören mit unter diejenige/ welcher
wegen sie immer auffs neue wiederum gnade suchet: Aber gleichwol bey al-
lem dem/ meine geliebte/ lasset uns gedencken/ was die rechte art unsers
Christenthums/ so lang wir noch in dem fleisch leben/ seye/ und wozu das
heilige abendmahl eingesetzet worden. Was jenes anlangt/ so laßt uns ja
nicht gedencken/ daß unser Christenthum jetzo schon bestehe in einem eigenli-
chen fromm seyn/ sondern in einem täglichen fromm werden/ das ist/ daß wir
wo wir auch unserm GOtt treu zu seyn uns befleissen/ dannoch noch täglich
an uns dergleichen antreffen/ das zu bessern nöthig ist. Wes wegen unser
Christenthum schon in gutem stand zu seyn erkant werden muß/ so lang ein
ernstlicher und redlicher wille des guten und fleiß in demselben sich findet. Ja
derjenige hat schon eine wahre frucht der besserung/ der in solchem fleiß und
willen fortfähret. Sonderlich aber ist das heilige abendmahl eine art der
artzeney/ welche nicht den gesunden sondern den krancken gebühret: ja auch
welche uns nicht eben so bald gantz gesund machet/ sondern allein wehret/ daß
die kranckheit nicht überhand nehme/ und tödtlich werde. Wie denn wo die
frucht des heiligen abendmahls diese wäre/ daß damit alle gewalt der sünden
gebrochen/ und inskünfftige der mensch so davon frey würde/ daß er keines
weitern ernstlichen kampffs mehr bedörffte/ so würden wir desselben nicht
mehr als etwa ein oder etliche mal zu gebrauchen haben/ und nachmal unser leb-
tag nicht mehr sein benöthigt seyn: dahingegen unser Heyland solches gnaden-
mahl eingesetzet/ daß wir immer in demselben seinen todt verkündigen sollen/
welches anzeiget/ daß wir noch immer dasjenige an uns haben/ zu dessen ver-
söhnung wir stäts auffs neue der krafft des todes CHristi bedörfften. Da-
her derjenige nicht klagen darff/ daß das mehrmal genossene abendmahl oh-
ne frucht geblieben seye/ welcher noch in der begierde in dem guten zuzuneh-
men/ und in dem fleiß zu derselben geblieben ist/ und sich darinnen findet.
Dann auch diese erhaltung in solchem guten ist eine selige wirckung dieser
himmlischen speise. Dahero wir ja diesen gedancken nicht bey uns platz lassen

müs-
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ARTIC. II. SECTIO. XXX.
verlangen eines beſſern wircket/ ſo ſihet ſie ja/ daß ſolcher vornehmſte platz
noch demjenigen eigen bleibet/ dem alles aus allem recht gebuͤhret. Sie ge-
dencke fleißig und erwege fleißig den ſpruch Rom. 7/ 25. mit vor und nach-
gehenden: ſo wird ſie ſich in die ſache fein ſchicken koͤnnen.

2. Den andern ſcrupul ſehe ich dieſen/ daß ſie nach mehrmaligem gebrauch
des heiligen abendmahls ſo wenig beſſerung bey ſich ſpuͤhre/ und deswegen
in die gedancken gerathe/ obs nicht beſſer waͤre/ ſich gar deſſelben zu enthalten/
und nicht ein ſchwehrer gericht ſich beyzuziehen. Hie will ich ſie abermal nicht
ſicher machen/ wo ſie bey ſich findet/ daß aus ihrer verſaͤumnuͤß/ traͤgheit und
unachtſamkeit vieles von der frucht/ ſo ſonſten bey ihr folgen ſoll/ ausgeblie-
ben waͤre: ſondern auch dieſe ſuͤnden gehoͤren mit unter diejenige/ welcher
wegen ſie immer auffs neue wiederum gnade ſuchet: Aber gleichwol bey al-
lem dem/ meine geliebte/ laſſet uns gedencken/ was die rechte art unſers
Chriſtenthums/ ſo lang wir noch in dem fleiſch leben/ ſeye/ und wozu das
heilige abendmahl eingeſetzet worden. Was jenes anlangt/ ſo laßt uns ja
nicht gedencken/ daß unſer Chriſtenthum jetzo ſchon beſtehe in einem eigenli-
chen fromm ſeyn/ ſondern in einem taͤglichen fromm werden/ das iſt/ daß wir
wo wir auch unſerm GOtt treu zu ſeyn uns befleiſſen/ dannoch noch taͤglich
an uns dergleichen antreffen/ das zu beſſern noͤthig iſt. Wes wegen unſer
Chriſtenthum ſchon in gutem ſtand zu ſeyn erkant werden muß/ ſo lang ein
ernſtlicher und redlicher wille des guten und fleiß in demſelben ſich findet. Ja
derjenige hat ſchon eine wahre frucht der beſſerung/ der in ſolchem fleiß und
willen fortfaͤhret. Sonderlich aber iſt das heilige abendmahl eine art der
artzeney/ welche nicht den geſunden ſondern den krancken gebuͤhret: ja auch
welche uns nicht eben ſo bald gantz geſund machet/ ſondern allein wehret/ daß
die kranckheit nicht uͤberhand nehme/ und toͤdtlich werde. Wie denn wo die
frucht des heiligen abendmahls dieſe waͤre/ daß damit alle gewalt der ſuͤnden
gebrochen/ und inskuͤnfftige der menſch ſo davon frey wuͤrde/ daß er keines
weitern ernſtlichen kampffs mehr bedoͤrffte/ ſo wuͤrden wir deſſelben nicht
mehr als etwa ein oder etliche mal zu gebrauchen habẽ/ uñ nachmal unſer leb-
tag nicht mehr ſein benoͤthigt ſeyn: dahingegen unſeꝛ Heyland ſolches gnaden-
mahl eingeſetzet/ daß wir immer in demſelben ſeinen todt verkuͤndigen ſollen/
welches anzeiget/ daß wir noch immer dasjenige an uns haben/ zu deſſen ver-
ſoͤhnung wir ſtaͤts auffs neue der krafft des todes CHriſti bedoͤrfften. Da-
her derjenige nicht klagen darff/ daß das mehrmal genoſſene abendmahl oh-
ne frucht geblieben ſeye/ welcher noch in der begierde in dem guten zuzuneh-
men/ und in dem fleiß zu derſelben geblieben iſt/ und ſich darinnen findet.
Dann auch dieſe erhaltung in ſolchem guten iſt eine ſelige wirckung dieſer
himmliſchen ſpeiſe. Dahero wir ja dieſen gedancken nicht bey uns platz laſſen

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[837/0845] ARTIC. II. SECTIO. XXX. verlangen eines beſſern wircket/ ſo ſihet ſie ja/ daß ſolcher vornehmſte platz noch demjenigen eigen bleibet/ dem alles aus allem recht gebuͤhret. Sie ge- dencke fleißig und erwege fleißig den ſpruch Rom. 7/ 25. mit vor und nach- gehenden: ſo wird ſie ſich in die ſache fein ſchicken koͤnnen. 2. Den andern ſcrupul ſehe ich dieſen/ daß ſie nach mehrmaligem gebrauch des heiligen abendmahls ſo wenig beſſerung bey ſich ſpuͤhre/ und deswegen in die gedancken gerathe/ obs nicht beſſer waͤre/ ſich gar deſſelben zu enthalten/ und nicht ein ſchwehrer gericht ſich beyzuziehen. Hie will ich ſie abermal nicht ſicher machen/ wo ſie bey ſich findet/ daß aus ihrer verſaͤumnuͤß/ traͤgheit und unachtſamkeit vieles von der frucht/ ſo ſonſten bey ihr folgen ſoll/ ausgeblie- ben waͤre: ſondern auch dieſe ſuͤnden gehoͤren mit unter diejenige/ welcher wegen ſie immer auffs neue wiederum gnade ſuchet: Aber gleichwol bey al- lem dem/ meine geliebte/ laſſet uns gedencken/ was die rechte art unſers Chriſtenthums/ ſo lang wir noch in dem fleiſch leben/ ſeye/ und wozu das heilige abendmahl eingeſetzet worden. Was jenes anlangt/ ſo laßt uns ja nicht gedencken/ daß unſer Chriſtenthum jetzo ſchon beſtehe in einem eigenli- chen fromm ſeyn/ ſondern in einem taͤglichen fromm werden/ das iſt/ daß wir wo wir auch unſerm GOtt treu zu ſeyn uns befleiſſen/ dannoch noch taͤglich an uns dergleichen antreffen/ das zu beſſern noͤthig iſt. Wes wegen unſer Chriſtenthum ſchon in gutem ſtand zu ſeyn erkant werden muß/ ſo lang ein ernſtlicher und redlicher wille des guten und fleiß in demſelben ſich findet. Ja derjenige hat ſchon eine wahre frucht der beſſerung/ der in ſolchem fleiß und willen fortfaͤhret. Sonderlich aber iſt das heilige abendmahl eine art der artzeney/ welche nicht den geſunden ſondern den krancken gebuͤhret: ja auch welche uns nicht eben ſo bald gantz geſund machet/ ſondern allein wehret/ daß die kranckheit nicht uͤberhand nehme/ und toͤdtlich werde. Wie denn wo die frucht des heiligen abendmahls dieſe waͤre/ daß damit alle gewalt der ſuͤnden gebrochen/ und inskuͤnfftige der menſch ſo davon frey wuͤrde/ daß er keines weitern ernſtlichen kampffs mehr bedoͤrffte/ ſo wuͤrden wir deſſelben nicht mehr als etwa ein oder etliche mal zu gebrauchen habẽ/ uñ nachmal unſer leb- tag nicht mehr ſein benoͤthigt ſeyn: dahingegen unſeꝛ Heyland ſolches gnaden- mahl eingeſetzet/ daß wir immer in demſelben ſeinen todt verkuͤndigen ſollen/ welches anzeiget/ daß wir noch immer dasjenige an uns haben/ zu deſſen ver- ſoͤhnung wir ſtaͤts auffs neue der krafft des todes CHriſti bedoͤrfften. Da- her derjenige nicht klagen darff/ daß das mehrmal genoſſene abendmahl oh- ne frucht geblieben ſeye/ welcher noch in der begierde in dem guten zuzuneh- men/ und in dem fleiß zu derſelben geblieben iſt/ und ſich darinnen findet. Dann auch dieſe erhaltung in ſolchem guten iſt eine ſelige wirckung dieſer himmliſchen ſpeiſe. Dahero wir ja dieſen gedancken nicht bey uns platz laſſen muͤſ- N n n n n 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/845>, abgerufen am 22.11.2024.