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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XXXIX.
lichsten zusetzen möchte/ daraus die forcht entstehet/ ob man in solcher schwach-
heit ihm zu widerstehen vermögen werde/ oder nicht vielmehr zu sorgen habe/
alsdann erst überwunden zu werden und sein heil zu verliehren/ so ist eben sol-
ches anligen vieler anderer kinder GOttes/ dabey ich aber folgendes zu beob-
achten nöthig halte. Erstlich zwahr/ daß unsre meiste sorge diese müsse seyn/
annoch bey guten und gesunden tagen in den stand uns zu setzen/ da wir unsers
gnaden-stands undkindschafft/ folglich des glaubens/ an welchem jene han-
gen/ eine wahre versicherung in unfern seelen haben mögen: Worzu gehöret/
daß uns unser hertz/ ob es wol uns unsre schwachheit weiset/ dannoch dasjeni-
ge zeugnüß nach redlicher prüffung gebe/ daß wir einen auffrichtigen vorsatz/
unserm GOTT und Erlöser nach seinen geboten treulich zu dienen/ immer in
unsrer seelen behalten/ denselben täglich vor seinem angesicht erneuen/ so offt
wir dessen erkaltung/ oder dawider aus übereilung gesündiget zu haben/ bey
uns gewahr werden/ uns so bald nicht allein mit glauben in dem blut JESU
Christi waschen/ sondern den vorsatz auffs neue befestigen/ und nach allem
vermögen aus demselben unser leben zu führen beflissen seyen. Dann wo die-
ser ungeheuchelte und thätliche vorsatz/ und also die dardurch sich ereignende
kindliche liebe unsers Vaters/ dero überzeugung wir wol bey uns erlangen
können (obs auch schon an der empfindung des glaubens manglet) sich findet/
da haben wir aus solchem die unfehlbare versicherung/ daß wir in dem stand
der kindschafft/ und also in dem glauben/ stehen/ wo uns folglich aller Evange-
lische trost/ den der treueste Vater seinen kindern so reichlich in seinem
wort mitgetheilet hat/ mit allem recht gebühret. Jst nun eine seele ihres
gnaden-stands versichert in ihrem leben/ so ist sie gewiß auch versichert/ daß
ihr letzter kampff nicht anders als selig und siegreich seyn könne. Dieses ist
eine unwidersprechliche folge der 1. Cor. 10/ 13. so hoch gerühmten treue/
aus dero GOTT uns nicht über unser vermögen versuchet will werden las-
sen/ dero hingegen schnurstracks entgegen wäre/ wo er eine seele/ die ihm nach
ihrem maaß biß dahin treulich zu dienen bemühet gewesen war/ und er ihr so
lang/ als sie gleichsam noch selbs einige kräfften gehabt/ beygestanden hätte/
um diejenige zeit/ da sie am schwächsten wird/ über sie dergleichen anfechtun-
gen kommen lassen wolte/ denen zu widerstehen/ und sie zu überwinden/ sie
nicht kräfften gnug bey sich finde. Welches so wahr unmüglich ist/ als GOtt
sich und seine treue nicht verleugnen kan: Daher ichs auch so wol sonsten hin
und wieder als sonderlich in der getruckten predigt von der seligkeit der Chri-
sten an und in ihrem tode getrieben/ und behauptet habe/ daß solcher letzte
kampff bey den kindern GOttes nicht so wol mehr ein kampff/ als ein blosser
sieg/ seye. Weswegen dann GOTT um solche zeit entweder dem satan keine
weitere macht gestattet/ ihnen mit anfechtungen zuzusetzen/ oder doch sie als-
dann mit seiner krafft also stärcket/ daß ihr sie am letzten desto herrlicher wer-

de.
T t t t t

ARTIC. II. SECTIO XXXIX.
lichſten zuſetzen moͤchte/ daraus die forcht entſtehet/ ob man in ſolcher ſchwach-
heit ihm zu widerſtehen vermoͤgen werde/ oder nicht vielmehr zu ſorgen habe/
alsdann erſt uͤberwunden zu werden und ſein heil zu verliehren/ ſo iſt eben ſol-
ches anligen vieler anderer kinder GOttes/ dabey ich aber folgendes zu beob-
achten noͤthig halte. Erſtlich zwahr/ daß unſre meiſte ſorge dieſe muͤſſe ſeyn/
annoch bey guten und geſunden tagen in den ſtand uns zu ſetzen/ da wir unſers
gnaden-ſtands undkindſchafft/ folglich des glaubens/ an welchem jene han-
gen/ eine wahre verſicherung in unfern ſeelen haben moͤgen: Worzu gehoͤret/
daß uns unſer hertz/ ob es wol uns unſre ſchwachheit weiſet/ dannoch dasjeni-
ge zeugnuͤß nach redlicher pruͤffung gebe/ daß wir einen auffrichtigen vorſatz/
unſerm GOTT und Erloͤſer nach ſeinen geboten treulich zu dienen/ immer in
unſrer ſeelen behalten/ denſelben taͤglich vor ſeinem angeſicht erneuen/ ſo offt
wir deſſen erkaltung/ oder dawider aus uͤbereilung geſuͤndiget zu haben/ bey
uns gewahr werden/ uns ſo bald nicht allein mit glauben in dem blut JESU
Chriſti waſchen/ ſondern den vorſatz auffs neue befeſtigen/ und nach allem
vermoͤgen aus demſelben unſer leben zu fuͤhren befliſſen ſeyen. Dann wo die-
ſer ungeheuchelte und thaͤtliche vorſatz/ und alſo die dardurch ſich ereignende
kindliche liebe unſers Vaters/ dero uͤberzeugung wir wol bey uns erlangen
koͤnnen (obs auch ſchon an der empfindung des glaubens manglet) ſich findet/
da haben wir aus ſolchem die unfehlbare verſicherung/ daß wir in dem ſtand
der kindſchafft/ und alſo in dem glauben/ ſtehen/ wo uns folglich aller Evange-
liſche troſt/ den der treueſte Vater ſeinen kindern ſo reichlich in ſeinem
wort mitgetheilet hat/ mit allem recht gebuͤhret. Jſt nun eine ſeele ihres
gnaden-ſtands verſichert in ihrem leben/ ſo iſt ſie gewiß auch verſichert/ daß
ihr letzter kampff nicht anders als ſelig und ſiegreich ſeyn koͤnne. Dieſes iſt
eine unwiderſprechliche folge der 1. Cor. 10/ 13. ſo hoch geruͤhmten treue/
aus dero GOTT uns nicht uͤber unſer vermoͤgen verſuchet will werden laſ-
ſen/ dero hingegen ſchnurſtracks entgegen waͤre/ wo er eine ſeele/ die ihm nach
ihrem maaß biß dahin treulich zu dienen bemuͤhet geweſen war/ und er ihr ſo
lang/ als ſie gleichſam noch ſelbs einige kraͤfften gehabt/ beygeſtanden haͤtte/
um diejenige zeit/ da ſie am ſchwaͤchſten wird/ uͤber ſie dergleichen anfechtun-
gen kommen laſſen wolte/ denen zu widerſtehen/ und ſie zu uͤberwinden/ ſie
nicht kraͤfften gnug bey ſich finde. Welches ſo wahr unmuͤglich iſt/ als GOtt
ſich und ſeine treue nicht verleugnen kan: Daher ichs auch ſo wol ſonſten hin
und wieder als ſonderlich in der getruckten predigt von der ſeligkeit der Chri-
ſten an und in ihrem tode getrieben/ und behauptet habe/ daß ſolcher letzte
kampff bey den kindern GOttes nicht ſo wol mehr ein kampff/ als ein bloſſer
ſieg/ ſeye. Weswegen dann GOTT um ſolche zeit entweder dem ſatan keine
weitere macht geſtattet/ ihnen mit anfechtungen zuzuſetzen/ oder doch ſie als-
dann mit ſeiner krafft alſo ſtaͤrcket/ daß ihr ſie am letzten deſto herrlicher wer-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/889>, abgerufen am 23.11.2024.