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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI.
kräfftiglich erbauet zu seyn bekennen/ was denn zu hoffen wäre/ wo die sache in
den stand gebracht werden könte/ wie ich verlange: Aber leyder/ woher wir hülf-
fe haben solten/ stehet man gemeiniglich dem guten meistens entgegen. Es hat
auch der liebe und um das reich GOttes hertzlich eyferende jurist D. Fritsch ein
fein tractätlein geschrieben von erbauung des nechsten durch gottseelige ge-
spräch/
darinnen (in absicht auf mich und hiesiges institutum) dergleichen
congressus gebillicht werde/ mit anführung eines responsi einer Theol. Facul-
tät so mir zum besten gegeben worden. So wird dieser tagen auch auß der presse
ausgehen eines anderen gottsfürchtigen juristen Herr Kriegsmanns kurtzes
scriptum, darinnen er zeigen will/ das Matth. 18. nechst den allgemeinen kirchli-
chen auch andere besondere zusammenkunfften eingesetzet seyen. Welcherley scri-
pta
und so vielmehr die sache selbs gern omnibus modis befördere/ wohin ich auch
mit meinen vor dreyviertel jahren ausgegebenen Geistlichen Priesterthum gezieh-
let habe. Jch hoffe auch/ GOtt werde gnade geben/ daß hin und wieder einiger
anfang von guten gemüthern werde gemacht werden/ und das werck des HErrn
allgemach wachsen. Es ist zwar an deme/ daß der vorschlag der piorum desi-
deriorum
von der gleichen zusammen künfften nach dem exempel der Apostolischen
kirchen der einige gewesen/ der ob wol noch nicht offentlich contradictiones erwecket
jedoch ein und andere privatim ihr miß-liben oder bedencken darüber bezeuget.
Aber die ursache ist leicht zu finden. Was nun die jenige gebrechen anlanget/ so
der unbenante freund mir zu schreibet/ theils die ich mit andern meiner confession
gemein hätte/ theils die mir eigen wären/ will ich candide mein gemüth declari-
ren/ und frey lassen zu judiciren, ob und wie fern ein und anders sich also bey mir
verhalte oder nicht: Als der ich so wol bereit bin/ von jeglichen willig zu lernen/ als
auch nicht verlange/ daß jemand anders oder mehr von mir halten solte/ als an mir
ist. Das erste anlanget/ so bin ich niemahl in der meynung gewesen/ auch noch
nicht/ ob wäre die reformation Lutheri zu ihrer vollständigkeit/ wie zu wünschen/
gebracht worden. Sondern wie die Böhmen unterschiedlich mahl mit Luthero
gehandelt/ deßwegen zu ihn gesandt/ und an der reformation das jenige gestrafft/
daß es schiene/ es seye allein um die lehr/ mit hindansetzung des lebens/ zu thun/ un-
ser liebe Lutherus auch verlangt/ daß ers dahin bringen möchte/ wie die disci-
plin
bey ihnen wäre/ aber über die hindernüssen/ die er nicht überwinden könte/
geklagt (davon bedencklich/ was Comenius de Bon. Un. & ord. p. 29. u. f. er-
zehlet/ und den guten Lutherum zu seiner zeit entschuldiget) also erkenne gern/
daß das werck zu zeitlich stecken geblieben. Jch dancke zwar freylich dem gros-
sen GOtt vor auch solche unaussprechliche wohlthat/ die in sothaner reformati-
on
der kirchen erwiesen worden/ in dem auch das jenige schon ein grosses ist/ pro-
dire tenus, sinon datur ultra;
halte deßwegen die Rüstzeuge GOttes/ die er in
solcher sache gebraucht/ und mit so vieler gnade außgerüstet/ als zu dem jenigen

werck
Z 2

ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI.
kraͤfftiglich erbauet zu ſeyn bekennen/ was denn zu hoffen waͤre/ wo die ſache in
den ſtand gebracht werden koͤnte/ wie ich verlange: Aber leyder/ woher wir huͤlf-
fe haben ſolten/ ſtehet man gemeiniglich dem guten meiſtens entgegen. Es hat
auch der liebe und um das reich GOttes hertzlich eyferende juriſt D. Fritſch ein
fein tractaͤtlein geſchrieben von erbauung des nechſten durch gottſeelige ge-
ſpraͤch/
darinnen (in abſicht auf mich und hieſiges inſtitutum) dergleichen
congreſſus gebillicht werde/ mit anfuͤhrung eines reſponſi einer Theol. Facul-
taͤt ſo mir zum beſten gegeben worden. So wird dieſer tagen auch auß der preſſe
ausgehen eines anderen gottsfuͤrchtigen juriſten Herr Kriegsmanns kurtzes
ſcriptum, darinnen er zeigen will/ das Matth. 18. nechſt den allgemeinen kirchli-
chen auch andere beſondere zuſammenkunfften eingeſetzet ſeyen. Welcherley ſcri-
pta
und ſo vielmehr die ſache ſelbs gern omnibus modis befoͤrdere/ wohin ich auch
mit meinen vor dreyviertel jahren ausgegebenen Geiſtlichen Prieſterthum gezieh-
let habe. Jch hoffe auch/ GOtt werde gnade geben/ daß hin und wieder einiger
anfang von guten gemuͤthern werde gemacht werden/ und das werck des HErrn
allgemach wachſen. Es iſt zwar an deme/ daß der vorſchlag der piorum deſi-
deriorum
von der gleichen zuſammen kuͤnfften nach dem exempel der Apoſtoliſchen
kirchẽ der einige geweſen/ der ob wol noch nicht offentlich contradictiones erwecket
jedoch ein und andere privatim ihr miß-liben oder bedencken daruͤber bezeuget.
Aber die urſache iſt leicht zu finden. Was nun die jenige gebrechen anlanget/ ſo
der unbenante freund mir zu ſchreibet/ theils die ich mit andern meiner confeſſion
gemein haͤtte/ theils die mir eigen waͤren/ will ich candidè mein gemuͤth declari-
ren/ und frey laſſen zu judiciren, ob und wie fern ein und anders ſich alſo bey mir
verhalte oder nicht: Als der ich ſo wol bereit bin/ von jeglichen willig zu lernen/ als
auch nicht verlange/ daß jemand anders oder mehr von mir halten ſolte/ als an mir
iſt. Das erſte anlanget/ ſo bin ich niemahl in der meynung geweſen/ auch noch
nicht/ ob waͤre die reformation Lutheri zu ihrer vollſtaͤndigkeit/ wie zu wuͤnſchen/
gebracht worden. Sondern wie die Boͤhmen unterſchiedlich mahl mit Luthero
gehandelt/ deßwegen zu ihn geſandt/ und an der reformation das jenige geſtrafft/
daß es ſchiene/ es ſeye allein um die lehr/ mit hindanſetzung des lebens/ zu thun/ un-
ſer liebe Lutherus auch verlangt/ daß ers dahin bringen moͤchte/ wie die diſci-
plin
bey ihnen waͤre/ aber uͤber die hindernuͤſſen/ die er nicht uͤberwinden koͤnte/
geklagt (davon bedencklich/ was Comenius de Bon. Un. & ord. p. 29. u. f. er-
zehlet/ und den guten Lutherum zu ſeiner zeit entſchuldiget) alſo erkenne gern/
daß das werck zu zeitlich ſtecken geblieben. Jch dancke zwar freylich dem groſ-
ſen GOtt vor auch ſolche unausſprechliche wohlthat/ die in ſothaner reformati-
on
der kirchen erwieſen worden/ in dem auch das jenige ſchon ein groſſes iſt/ pro-
dire tenus, ſinon datur ultrà;
halte deßwegen die Ruͤſtzeuge GOttes/ die er in
ſolcher ſache gebraucht/ und mit ſo vieler gnade außgeruͤſtet/ als zu dem jenigen

werck
Z 2
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[179/0197] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. kraͤfftiglich erbauet zu ſeyn bekennen/ was denn zu hoffen waͤre/ wo die ſache in den ſtand gebracht werden koͤnte/ wie ich verlange: Aber leyder/ woher wir huͤlf- fe haben ſolten/ ſtehet man gemeiniglich dem guten meiſtens entgegen. Es hat auch der liebe und um das reich GOttes hertzlich eyferende juriſt D. Fritſch ein fein tractaͤtlein geſchrieben von erbauung des nechſten durch gottſeelige ge- ſpraͤch/ darinnen (in abſicht auf mich und hieſiges inſtitutum) dergleichen congreſſus gebillicht werde/ mit anfuͤhrung eines reſponſi einer Theol. Facul- taͤt ſo mir zum beſten gegeben worden. So wird dieſer tagen auch auß der preſſe ausgehen eines anderen gottsfuͤrchtigen juriſten Herr Kriegsmanns kurtzes ſcriptum, darinnen er zeigen will/ das Matth. 18. nechſt den allgemeinen kirchli- chen auch andere beſondere zuſammenkunfften eingeſetzet ſeyen. Welcherley ſcri- pta und ſo vielmehr die ſache ſelbs gern omnibus modis befoͤrdere/ wohin ich auch mit meinen vor dreyviertel jahren ausgegebenen Geiſtlichen Prieſterthum gezieh- let habe. Jch hoffe auch/ GOtt werde gnade geben/ daß hin und wieder einiger anfang von guten gemuͤthern werde gemacht werden/ und das werck des HErrn allgemach wachſen. Es iſt zwar an deme/ daß der vorſchlag der piorum deſi- deriorum von der gleichen zuſammen kuͤnfften nach dem exempel der Apoſtoliſchen kirchẽ der einige geweſen/ der ob wol noch nicht offentlich contradictiones erwecket jedoch ein und andere privatim ihr miß-liben oder bedencken daruͤber bezeuget. Aber die urſache iſt leicht zu finden. Was nun die jenige gebrechen anlanget/ ſo der unbenante freund mir zu ſchreibet/ theils die ich mit andern meiner confeſſion gemein haͤtte/ theils die mir eigen waͤren/ will ich candidè mein gemuͤth declari- ren/ und frey laſſen zu judiciren, ob und wie fern ein und anders ſich alſo bey mir verhalte oder nicht: Als der ich ſo wol bereit bin/ von jeglichen willig zu lernen/ als auch nicht verlange/ daß jemand anders oder mehr von mir halten ſolte/ als an mir iſt. Das erſte anlanget/ ſo bin ich niemahl in der meynung geweſen/ auch noch nicht/ ob waͤre die reformation Lutheri zu ihrer vollſtaͤndigkeit/ wie zu wuͤnſchen/ gebracht worden. Sondern wie die Boͤhmen unterſchiedlich mahl mit Luthero gehandelt/ deßwegen zu ihn geſandt/ und an der reformation das jenige geſtrafft/ daß es ſchiene/ es ſeye allein um die lehr/ mit hindanſetzung des lebens/ zu thun/ un- ſer liebe Lutherus auch verlangt/ daß ers dahin bringen moͤchte/ wie die diſci- plin bey ihnen waͤre/ aber uͤber die hindernuͤſſen/ die er nicht uͤberwinden koͤnte/ geklagt (davon bedencklich/ was Comenius de Bon. Un. & ord. p. 29. u. f. er- zehlet/ und den guten Lutherum zu ſeiner zeit entſchuldiget) alſo erkenne gern/ daß das werck zu zeitlich ſtecken geblieben. Jch dancke zwar freylich dem groſ- ſen GOtt vor auch ſolche unausſprechliche wohlthat/ die in ſothaner reformati- on der kirchen erwieſen worden/ in dem auch das jenige ſchon ein groſſes iſt/ pro- dire tenus, ſinon datur ultrà; halte deßwegen die Ruͤſtzeuge GOttes/ die er in ſolcher ſache gebraucht/ und mit ſo vieler gnade außgeruͤſtet/ als zu dem jenigen werck Z 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/197>, abgerufen am 22.11.2024.