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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. II. SECT. XVIII.
einigen seinen kleinentractätlein gesehen. Solte ich einen weitern bericht davon erlan-
gen können/ ohne viele sonderbahre bemühung eines guten freundes/ würde mir
solches angenehm seyn. Vornehmlich auch wie es dem lieben Herrn endlich er-
gangen seye. Davon allein gehöret habe/ ob wäre er von den wilden thieren zer-
rissen worden. Die wege/ in welchen ihn/ geliebtester/ der wunderbahre und wei-
se GOTT geführet hat/ sind die jenige/ darauff er noch alle die seinige führet/
ob zwar mit ungleichen schritten/ daher es offtmahls unterschiedliche wege schei-
nen/ die aber alle durch leiden zu der herrlichkeit/ ja durch vielfältige abnehmung des
äusserlichen zu dem wachsthum und erneuerung des inwendigen menschen/ gehen/
und jemehr der liebste und weiseste Heyland unsere seelen reinigen/ oder auch uns
zu anderer auferbauung tüchtig machen will/ so viel mehr führet er uns auf solchem
weg durch die ungebahnteste pfäde/ darauf dem fleisch am wehesten geschiehet.
Wol aber und über wol dem/ welcher so weit gekommen/ daß er/ wie er die gnade
GOttes ihm kräfftig erwiesen rühmet/ sagen kan/ daß er nunmehr bitter und süß
auf eine weise und ohne unterscheid von dem liebsten GOtt annimmet/ der beyde/ da
er einer bleibet/ uns etwa nach einander zu kosten gibet. Das ist eine friedsame
frucht der gerechtigkeit der jenigen/ die geübet sind/ durch die züchtigungen/ welche
anfangs nicht freude sondern traurigkeit zu seyn gedüncket haben/ Ach eine selige
übung! Jm übrigen habe ich hertzlichen danck zu sagen/ vor die an unserm lieben
N. erwiesene liebe/ welchen ich vernehme vornemlich von Gott durch seinen dienst
von den eiteln wesen dieser welt u. der jugend zu einem rechtschaffenen Christlichen
vorsatz u. anfang gebracht zu seyn. Darüber ich mich/ solches aus seinem eigenen an
mich gethanen brieff zuvernehmen/ inniglich erfreuet habe/ u. mich einem solchem lieben
freunde höchst verbunden achte/ durch dessen treue einer der jenigen gewonnen/ welche
hinkünfftig allhier wiederum andere der ihrigen gewinnen mögen. Wie ich der hertz-
lichen zuversicht bin/ das der gütigste GOtt/ so solch es gute werck in ihne angefan-
gen/ und in wenigerzeit stattlich bekräfftiget hat/ es auch endlich herrlich vollfüh-
ren werde/ so ihne zu vieler andern gewinn fruchtbar werden lassen/ warum auch
seine göttliche güte inbrünstig anflehe. Ach daß wir doch jemehr und mehr dieses
unsere einige freude seyn lassen/ worinnen wir finden/ an uns oder andern den nah-
men unsers glorwürdigsten Heylandes verherrlichet zu werden: Welches ja viel
herrlicher ist/ als alles das/ worinnen sonsten uns etwas begegnet oder ander wärt-
lich her bekant wird/ wie in zeitlichen dingen dis oder jenes glück jemand auf stosset/
ob wir auch etwa selbs theil dran haben möchten. Und gelobet seye der nahme des
grossen GOttes/ der uns allgemach mehr und mehr ursach zu freude/ und ihm fer-
ner danck zu sagen gibet/ wo er uns hin und wieder sehen lässet/ ob wolten die bäu-
me anfangen außzuschlagen/ und des erwartenden früblings hoffnung zu geben
Dann ob wol dornen/ ja auch die gifftigste bäume/ je mehr und mehr nicht nur kno-

ten

ARTIC. I. DISTINCT. II. SECT. XVIII.
einigen ſeinen kleinentractaͤtlein geſehẽ. Solte ich einen weitern bericht davon erlan-
gen koͤnnen/ ohne viele ſonderbahre bemuͤhung eines guten freundes/ wuͤrde mir
ſolches angenehm ſeyn. Vornehmlich auch wie es dem lieben Herrn endlich er-
gangen ſeye. Davon allein gehoͤret habe/ ob waͤre er von den wilden thieren zer-
riſſen worden. Die wege/ in welchen ihn/ geliebteſter/ der wunderbahre und wei-
ſe GOTT gefuͤhret hat/ ſind die jenige/ darauff er noch alle die ſeinige fuͤhret/
ob zwar mit ungleichen ſchritten/ daher es offtmahls unterſchiedliche wege ſchei-
nen/ die aber alle durch leiden zu der herrlichkeit/ ja durch vielfaͤltige abnehmung des
aͤuſſerlichen zu dem wachsthum und erneuerung des inwendigen menſchen/ gehen/
und jemehr der liebſte und weiſeſte Heyland unſere ſeelen reinigen/ oder auch uns
zu anderer auferbauung tuͤchtig machen will/ ſo viel mehr fuͤhret er uns auf ſolchem
weg durch die ungebahnteſte pfaͤde/ darauf dem fleiſch am weheſten geſchiehet.
Wol aber und uͤber wol dem/ welcher ſo weit gekommen/ daß er/ wie er die gnade
GOttes ihm kraͤfftig erwieſen ruͤhmet/ ſagen kan/ daß er nunmehr bitter und ſuͤß
auf eine weiſe und ohne unterſcheid von dem liebſten GOtt annimmet/ der beyde/ da
er einer bleibet/ uns etwa nach einander zu koſten gibet. Das iſt eine friedſame
frucht der gerechtigkeit der jenigen/ die geuͤbet ſind/ durch die zuͤchtigungen/ welche
anfangs nicht freude ſondern traurigkeit zu ſeyn geduͤncket haben/ Ach eine ſelige
uͤbung! Jm uͤbrigen habe ich hertzlichen danck zu ſagen/ vor die an unſerm lieben
N. erwieſene liebe/ welchen ich vernehme vornemlich von Gott durch ſeinen dienſt
von den eiteln weſen dieſer welt u. der jugend zu einem rechtſchaffenen Chriſtlichen
vorſatz u. anfang gebracht zu ſeyn. Daruͤber ich mich/ ſolches aus ſeinem eigenen an
mich gethanẽ brieff zuvernehmen/ iñiglich erfreuet habe/ u. mich einem ſolchem liebẽ
freunde hoͤchſt verbundẽ achte/ durch deſſen treue einer der jenigen gewoñen/ welche
hinkuͤnfftig allhier wiederum andere der ihrigen gewinnen moͤgen. Wie ich der hertz-
lichen zuverſicht bin/ das der guͤtigſte GOtt/ ſo ſolch es gute werck in ihne angefan-
gen/ und in wenigerzeit ſtattlich bekraͤfftiget hat/ es auch endlich herrlich vollfuͤh-
ren werde/ ſo ihne zu vieler andern gewinn fruchtbar werden laſſen/ warum auch
ſeine goͤttliche guͤte inbruͤnſtig anflehe. Ach daß wir doch jemehr und mehr dieſes
unſere einige freude ſeyn laſſen/ worinnen wir finden/ an uns oder andern den nah-
men unſers glorwuͤrdigſten Heylandes verherrlichet zu werden: Welches ja viel
herrlicher iſt/ als alles das/ worinnen ſonſten uns etwas begegnet oder ander waͤrt-
lich her bekant wird/ wie in zeitlichen dingen dis oder jenes gluͤck jemand auf ſtoſſet/
ob wir auch etwa ſelbs theil dran haben moͤchten. Und gelobet ſeye der nahme des
groſſen GOttes/ der uns allgemach mehr und mehr urſach zu freude/ und ihm fer-
ner danck zu ſagen gibet/ wo er uns hin und wieder ſehen laͤſſet/ ob wolten die baͤu-
me anfangen außzuſchlagen/ und des erwartenden fruͤblings hoffnung zu geben
Dann ob wol dornen/ ja auch die gifftigſte baͤume/ je mehr und mehr nicht nur kno-

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[207/0225] ARTIC. I. DISTINCT. II. SECT. XVIII. einigen ſeinen kleinentractaͤtlein geſehẽ. Solte ich einen weitern bericht davon erlan- gen koͤnnen/ ohne viele ſonderbahre bemuͤhung eines guten freundes/ wuͤrde mir ſolches angenehm ſeyn. Vornehmlich auch wie es dem lieben Herrn endlich er- gangen ſeye. Davon allein gehoͤret habe/ ob waͤre er von den wilden thieren zer- riſſen worden. Die wege/ in welchen ihn/ geliebteſter/ der wunderbahre und wei- ſe GOTT gefuͤhret hat/ ſind die jenige/ darauff er noch alle die ſeinige fuͤhret/ ob zwar mit ungleichen ſchritten/ daher es offtmahls unterſchiedliche wege ſchei- nen/ die aber alle durch leiden zu der herrlichkeit/ ja durch vielfaͤltige abnehmung des aͤuſſerlichen zu dem wachsthum und erneuerung des inwendigen menſchen/ gehen/ und jemehr der liebſte und weiſeſte Heyland unſere ſeelen reinigen/ oder auch uns zu anderer auferbauung tuͤchtig machen will/ ſo viel mehr fuͤhret er uns auf ſolchem weg durch die ungebahnteſte pfaͤde/ darauf dem fleiſch am weheſten geſchiehet. Wol aber und uͤber wol dem/ welcher ſo weit gekommen/ daß er/ wie er die gnade GOttes ihm kraͤfftig erwieſen ruͤhmet/ ſagen kan/ daß er nunmehr bitter und ſuͤß auf eine weiſe und ohne unterſcheid von dem liebſten GOtt annimmet/ der beyde/ da er einer bleibet/ uns etwa nach einander zu koſten gibet. Das iſt eine friedſame frucht der gerechtigkeit der jenigen/ die geuͤbet ſind/ durch die zuͤchtigungen/ welche anfangs nicht freude ſondern traurigkeit zu ſeyn geduͤncket haben/ Ach eine ſelige uͤbung! Jm uͤbrigen habe ich hertzlichen danck zu ſagen/ vor die an unſerm lieben N. erwieſene liebe/ welchen ich vernehme vornemlich von Gott durch ſeinen dienſt von den eiteln weſen dieſer welt u. der jugend zu einem rechtſchaffenen Chriſtlichen vorſatz u. anfang gebracht zu ſeyn. Daruͤber ich mich/ ſolches aus ſeinem eigenen an mich gethanẽ brieff zuvernehmen/ iñiglich erfreuet habe/ u. mich einem ſolchem liebẽ freunde hoͤchſt verbundẽ achte/ durch deſſen treue einer der jenigen gewoñen/ welche hinkuͤnfftig allhier wiederum andere der ihrigen gewinnen moͤgen. Wie ich der hertz- lichen zuverſicht bin/ das der guͤtigſte GOtt/ ſo ſolch es gute werck in ihne angefan- gen/ und in wenigerzeit ſtattlich bekraͤfftiget hat/ es auch endlich herrlich vollfuͤh- ren werde/ ſo ihne zu vieler andern gewinn fruchtbar werden laſſen/ warum auch ſeine goͤttliche guͤte inbruͤnſtig anflehe. Ach daß wir doch jemehr und mehr dieſes unſere einige freude ſeyn laſſen/ worinnen wir finden/ an uns oder andern den nah- men unſers glorwuͤrdigſten Heylandes verherrlichet zu werden: Welches ja viel herrlicher iſt/ als alles das/ worinnen ſonſten uns etwas begegnet oder ander waͤrt- lich her bekant wird/ wie in zeitlichen dingen dis oder jenes gluͤck jemand auf ſtoſſet/ ob wir auch etwa ſelbs theil dran haben moͤchten. Und gelobet ſeye der nahme des groſſen GOttes/ der uns allgemach mehr und mehr urſach zu freude/ und ihm fer- ner danck zu ſagen gibet/ wo er uns hin und wieder ſehen laͤſſet/ ob wolten die baͤu- me anfangen außzuſchlagen/ und des erwartenden fruͤblings hoffnung zu geben Dann ob wol dornen/ ja auch die gifftigſte baͤume/ je mehr und mehr nicht nur kno- ten

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/225>, abgerufen am 21.11.2024.