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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXXIV.
grund erkant/ gleichwohl auch nichts lästern noch verdammen/ davon sie auch kei-
nen gnugsamen bericht haben. Mit etlichen worten mich zu erklähren/ stehe ich
durch GOttes gnade fest in der einmahl erkanten Evangelischen wahrheit des hei-
ligen vorsatzes/ auch mein lebtag dabey zu beharren. Jch bin von niemard noch eini-
ges irrthums in der religion nahmentlich beschuldiget worden/ ob wohl viel geschrey
hin und wieder gewesen/ daß man an meiner orthodoxia zweiffle/ niemand aber ei-
nigen articul anzuzeigen annoch das hertz gehabt/ vielweniger daß ich etwas über-
zeugt worden wäre. So ligt meine catechismus erklährung an dem tag/ worinnen
über alle articul solche meine erklährung gethan/ daß von keinem einiger zweiffel
übrig seyn mag; Dem freyen willen eigne ich so gar keine kräffte zu/ daß ich beken-
ne/ daß der mensch zu seiner bekehrung aus eigener krafft nicht mehr zu thun ver-
möge/ als ein todter zu seiner aufferweckung. Dem heiligsten verdienst Christi
entziehe so gar nichts/ daß ich es höher erhebe/ als vielleicht einiger meiner
heimlichen widersacher thun mag/ in dem ich demselben zuschreibe/ nicht nur allein/
daß wir bloß durch dasselbe vermittelst des dasselbe annehmenden glaubens allein vor
GOtt gerecht und selig werden ohne mitwürckung eines einigen unsers wercks/ son-
dern daß auch solche gerechtfertigte aus krafft solches verdiensts nachmahl vermö-
gen ein rechtschaffenes wesen in CHRJSTO JESU zu führen/ in dem sein
todt unser sünde tödtet/ daß sie ins künfftige eben nicht mehr bey uns herrschen müs-
se/ und seine aufferstehung uns eine neue eines heiligen gottseligen lebens krafft
mittheile; also entziehe ich der krafft des glaubens nichts/ sondern erkenne/ daß
wir allein daraus selig werden/ aber ich kan nicht zugeben/ daß etwas vor den
wahren glauben gehalten werde/ was nur eine fleischliche sichere einbildung ist/
und dem menschen in seinem alten stande lässt/ sondern ich erkenne allein das jenige
vertrauen vor den wahren glauben/ welches göttlich ist/ und also den menschen so
bald zu einem andern menschen zu machen anfängt/ und fortfähret. Ohne solchen
glauben mag uns tauff/ absolution/ abendmahl nichts helffen; welches kräfftige
mittel sind von seiten GOttes seine gnade anzubieten/ wo aber wir den glauben
nicht haben/ so werden wir ihrer nicht theilhafftig. Dieses ist meine erklährung
über einige puncten/ dero ich mich in ihrer nachbarschafft verdächtig gehalten zu
seyn berichtet worden. Was meinen geliebten schwager Herrn Horbium anlangt/
so seye er gewiß/ daß auch solcher nicht anders als ich lehre/ und treibe. Ob er
nun wohlen von seiten Pfaltz seiner inspection erlassen worden/ so tröstet er sich des
guten gewissens/ bereit vor allen unpartheyischen zu stehen und seiner sache grund/
da es nöthig/ zu geben. Der HERR erbarme sich seiner kirchen/ und sehe derosel-
ben von innen und außen gefährlichen zustand in gnaden an. Hoffe mein Hochge-
ehrter Herr werde diese meine bitt u. erklährung nicht in üblen auffnehmen/ als der
ich verlangt habe eine gelegenheit zu finden an einen der Hochgeehrten Herrn Pasto-

rum
Ji 2

ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXXIV.
grund erkant/ gleichwohl auch nichts laͤſtern noch verdammen/ davon ſie auch kei-
nen gnugſamen bericht haben. Mit etlichen worten mich zu erklaͤhren/ ſtehe ich
durch GOttes gnade feſt in der einmahl erkanten Evangeliſchen wahrheit des hei-
ligen vorſatzes/ auch mein lebtag dabey zu beharren. Jch bin von niemard noch eini-
ges irrthums in der religion nahmentlich beſchuldiget worden/ ob wohl viel geſchrey
hin und wieder geweſen/ daß man an meiner orthodoxia zweiffle/ niemand aber ei-
nigen articul anzuzeigen annoch das hertz gehabt/ vielweniger daß ich etwas uͤber-
zeugt worden waͤꝛe. So ligt meine catechiſmus erklaͤhrung an dem tag/ woꝛinnen
uͤber alle articul ſolche meine erklaͤhrung gethan/ daß von keinem einiger zweiffel
uͤbrig ſeyn mag; Dem freyen willen eigne ich ſo gar keine kraͤffte zu/ daß ich beken-
ne/ daß der menſch zu ſeiner bekehrung aus eigener krafft nicht mehr zu thun ver-
moͤge/ als ein todter zu ſeiner aufferweckung. Dem heiligſten verdienſt Chriſti
entziehe ſo gar nichts/ daß ich es hoͤher erhebe/ als vielleicht einiger meiner
heimlichen widerſacher thun mag/ in dem ich demſelben zuſchreibe/ nicht nur allein/
daß wir bloß durch daſſelbe vermittelſt des daſſelbe añehmenden glaubens allein vor
GOtt gerecht und ſelig werden ohne mitwuͤrckung eines einigen unſers wercks/ ſon-
dern daß auch ſolche gerechtfertigte aus krafft ſolches verdienſts nachmahl vermoͤ-
gen ein rechtſchaffenes weſen in CHRJSTO JESU zu fuͤhren/ in dem ſein
todt unſer ſuͤnde toͤdtet/ daß ſie ins kuͤnfftige eben nicht mehr bey uns herrſchen muͤſ-
ſe/ und ſeine aufferſtehung uns eine neue eines heiligen gottſeligen lebens krafft
mittheile; alſo entziehe ich der krafft des glaubens nichts/ ſondern erkenne/ daß
wir allein daraus ſelig werden/ aber ich kan nicht zugeben/ daß etwas vor den
wahren glauben gehalten werde/ was nur eine fleiſchliche ſichere einbildung iſt/
und dem menſchen in ſeinem alten ſtande laͤſſt/ ſondern ich erkenne allein das jenige
vertrauen vor den wahren glauben/ welches goͤttlich iſt/ und alſo den menſchen ſo
bald zu einem andern menſchen zu machen anfaͤngt/ und fortfaͤhret. Ohne ſolchen
glauben mag uns tauff/ abſolution/ abendmahl nichts helffen; welches kraͤfftige
mittel ſind von ſeiten GOttes ſeine gnade anzubieten/ wo aber wir den glauben
nicht haben/ ſo werden wir ihrer nicht theilhafftig. Dieſes iſt meine erklaͤhrung
uͤber einige puncten/ dero ich mich in ihrer nachbarſchafft verdaͤchtig gehalten zu
ſeyn berichtet worden. Was meinen geliebten ſchwager Herrn Horbium anlangt/
ſo ſeye er gewiß/ daß auch ſolcher nicht anders als ich lehre/ und treibe. Ob er
nun wohlen von ſeiten Pfaltz ſeiner inſpection erlaſſen worden/ ſo troͤſtet er ſich des
guten gewiſſens/ bereit vor allen unpartheyiſchen zu ſtehen und ſeiner ſache grund/
da es noͤthig/ zu geben. Der HERR erbarme ſich ſeiner kirchen/ und ſehe deroſel-
ben von innen und außen gefaͤhrlichen zuſtand in gnaden an. Hoffe mein Hochge-
ehrter Herr werde dieſe meine bitt u. erklaͤhrung nicht in uͤblen auffnehmen/ als der
ich veꝛlangt habe eine gelegenheit zu finden an einen der Hochgeehꝛten Heꝛꝛn Paſto-

rum
Ji 2
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[249[251]/0269] ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXXIV. grund erkant/ gleichwohl auch nichts laͤſtern noch verdammen/ davon ſie auch kei- nen gnugſamen bericht haben. Mit etlichen worten mich zu erklaͤhren/ ſtehe ich durch GOttes gnade feſt in der einmahl erkanten Evangeliſchen wahrheit des hei- ligen vorſatzes/ auch mein lebtag dabey zu beharren. Jch bin von niemard noch eini- ges irrthums in der religion nahmentlich beſchuldiget worden/ ob wohl viel geſchrey hin und wieder geweſen/ daß man an meiner orthodoxia zweiffle/ niemand aber ei- nigen articul anzuzeigen annoch das hertz gehabt/ vielweniger daß ich etwas uͤber- zeugt worden waͤꝛe. So ligt meine catechiſmus erklaͤhrung an dem tag/ woꝛinnen uͤber alle articul ſolche meine erklaͤhrung gethan/ daß von keinem einiger zweiffel uͤbrig ſeyn mag; Dem freyen willen eigne ich ſo gar keine kraͤffte zu/ daß ich beken- ne/ daß der menſch zu ſeiner bekehrung aus eigener krafft nicht mehr zu thun ver- moͤge/ als ein todter zu ſeiner aufferweckung. Dem heiligſten verdienſt Chriſti entziehe ſo gar nichts/ daß ich es hoͤher erhebe/ als vielleicht einiger meiner heimlichen widerſacher thun mag/ in dem ich demſelben zuſchreibe/ nicht nur allein/ daß wir bloß durch daſſelbe vermittelſt des daſſelbe añehmenden glaubens allein vor GOtt gerecht und ſelig werden ohne mitwuͤrckung eines einigen unſers wercks/ ſon- dern daß auch ſolche gerechtfertigte aus krafft ſolches verdienſts nachmahl vermoͤ- gen ein rechtſchaffenes weſen in CHRJSTO JESU zu fuͤhren/ in dem ſein todt unſer ſuͤnde toͤdtet/ daß ſie ins kuͤnfftige eben nicht mehr bey uns herrſchen muͤſ- ſe/ und ſeine aufferſtehung uns eine neue eines heiligen gottſeligen lebens krafft mittheile; alſo entziehe ich der krafft des glaubens nichts/ ſondern erkenne/ daß wir allein daraus ſelig werden/ aber ich kan nicht zugeben/ daß etwas vor den wahren glauben gehalten werde/ was nur eine fleiſchliche ſichere einbildung iſt/ und dem menſchen in ſeinem alten ſtande laͤſſt/ ſondern ich erkenne allein das jenige vertrauen vor den wahren glauben/ welches goͤttlich iſt/ und alſo den menſchen ſo bald zu einem andern menſchen zu machen anfaͤngt/ und fortfaͤhret. Ohne ſolchen glauben mag uns tauff/ abſolution/ abendmahl nichts helffen; welches kraͤfftige mittel ſind von ſeiten GOttes ſeine gnade anzubieten/ wo aber wir den glauben nicht haben/ ſo werden wir ihrer nicht theilhafftig. Dieſes iſt meine erklaͤhrung uͤber einige puncten/ dero ich mich in ihrer nachbarſchafft verdaͤchtig gehalten zu ſeyn berichtet worden. Was meinen geliebten ſchwager Herrn Horbium anlangt/ ſo ſeye er gewiß/ daß auch ſolcher nicht anders als ich lehre/ und treibe. Ob er nun wohlen von ſeiten Pfaltz ſeiner inſpection erlaſſen worden/ ſo troͤſtet er ſich des guten gewiſſens/ bereit vor allen unpartheyiſchen zu ſtehen und ſeiner ſache grund/ da es noͤthig/ zu geben. Der HERR erbarme ſich ſeiner kirchen/ und ſehe deroſel- ben von innen und außen gefaͤhrlichen zuſtand in gnaden an. Hoffe mein Hochge- ehrter Herr werde dieſe meine bitt u. erklaͤhrung nicht in uͤblen auffnehmen/ als der ich veꝛlangt habe eine gelegenheit zu finden an einen der Hochgeehꝛten Heꝛꝛn Paſto- rum Ji 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 249[251]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/269>, abgerufen am 22.11.2024.