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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO. II. SECTIO XXXV.
selbige gütige Gott stehe auch sonsten in allen creutz bey/ helffe dz vergangene verschmer-
tzen/ ersetze mit segen allen verlust/ und lege nicht mehr auff/ als so viel er zur ver-
heissung seines nahmens und eigener prüffung und übung nöthig erkennet. Dann
was solcherley arth leiden ist/ haben wir uns längst darzu verstanden/ solche willig
aus der hand des HErrn auffzunehmen. Jch habe auch den 21. Apr. einen treu-
en sreund und gleichsam vater verlohren Herr Joachim Stollium/ 31. jährigen
Hoffprediger in meinem patria zu Rappolsweyler. War in allen studiisungemein
und gründlich gelahrt/ der seiner gemeinde mit grosser treu und fleiß/ auch aus lie-
be derselben mit hindansetzung ansehnlicher anderwärtlicher vocationen/ und da-
her eigenen vortheils/ vorgestanden; Deme ich auch unter menschen die erste igni-
culos
eines wahren Christenthums/ und meine studia zu dem rechten zweck zurich-
ten/ den antrieb und theils man uduction/ auch was mein GOTT in den pre-
digen gegeben hat/ bey dem text presse zu bleiben/ und die lehren daher aus zu zie-
hen/ zu dancken habe. Welche treue er mir bereits erwiesen ehe noch einige ab-
sonderliche verbündnüß gewesen/ oder man an dieselbe gedencken können. Ob wol
nachmahl geschehen/ da er bereits 13. jahr seinem amt in coelibatu vorgestanden/
daß er aus liebe zu mir und zu trost meiner verwittibten lieben mutter/ sich an mei-
ne liebe älteste schwester verheurathet/ und mit derselben die zeit über gelebt. Da-
her von solcher zeit so viel mehr die vorige freundschafft durch solches bande verdop-
pelt worden. Er ist auch derjenige/ dessen die secunda epicrisis zu meinen piis
desideriis
ist. Diesen hat auch der HERR über todt und leben in dem 63. jahr
seines alters nach zimlich lang auß gestandener schwachheit in sein reich auffgenom-
men. Und habe ich nur zu bitten/ er wolle ihm auch vor die mir und den meinigen zeit
seines lebens erwiesener treu eine crone an jenem tage auffsetzen. Also gehen wir alle nach
einander hin/ den weg alles fleisches/ ob wir uns wohl befleissen/ nicht nach dem fleisch
sondern nach dem Geist zu wandlen/ u. wissen/ das wir am abschied nichts als eine uns
beschwerliche last ablegen. Lasset uns aber bey jeglicher solcher unser vorgänger zeit-
lichen ableiben allemahl ihr ende ansehen/ und ihrem glauben folgen/ biß die reyhe uns
auch treffe/ und die stunde der erlösung komme. Was meinen zustand anlangt/
wird zuweilen Herr N. unser bruder und treuer freunde einigen bericht gegeben
haben. Jch dancke meinem GOtt/ welcher mir kräfftig beygestanden/ das jenige
unterschiedliche so mich bißher betroffen in seiner gnade mit gedult zu überwinden/
und aus jeglicher begegnüssen etwas mehr vorsichtigkeit zu lernen. Ach wie gütig
ist in allen solchen stücken der rath unsers GOttes! Welcher offter mahls auch un-
sere bestgemeinte intention/ wie wir das gute zu befördern gedachten/ etlicher
massen unterbricht/ da er uns eine besser arth an die hand gegeben/ oder aus aller-
hand gelegenheit uns zu einer mehreren klugheit der gerechten bereiten will. Jn
dem Februario wurde die wiederaufflag des Geistlichen Priesterthums/ so zu

trucken
Ji 3

ARTIC. I. DISTINCTIO. II. SECTIO XXXV.
ſelbige guͤtige Gott ſtehe auch ſonſten in allẽ cꝛeutz bey/ helffe dz veꝛgãgene verſchmer-
tzen/ erſetze mit ſegen allen verluſt/ und lege nicht mehr auff/ als ſo viel er zur ver-
heiſſung ſeines nahmens und eigener pruͤffung und uͤbung noͤthig erkennet. Dañ
was ſolcherley arth leiden iſt/ haben wir uns laͤngſt darzu verſtanden/ ſolche willig
aus der hand des HErrn auffzunehmen. Jch habe auch den 21. Apr. einen treu-
en ſreund und gleichſam vater verlohren Herr Joachim Stollium/ 31. jaͤhrigen
Hoffprediger in meinem patria zu Rappolsweyler. War in allen ſtudiisungemein
und gruͤndlich gelahrt/ der ſeiner gemeinde mit groſſer treu und fleiß/ auch aus lie-
be derſelben mit hindanſetzung anſehnlicher anderwaͤrtlicher vocationen/ und da-
her eigenen vortheils/ vorgeſtanden; Deme ich auch unter menſchen die erſte igni-
culos
eines wahren Chriſtenthums/ und meine ſtudia zu dem rechten zweck zurich-
ten/ den antrieb und theils man uduction/ auch was mein GOTT in den pre-
digen gegeben hat/ bey dem text preſſe zu bleiben/ und die lehren daher aus zu zie-
hen/ zu dancken habe. Welche treue er mir bereits erwieſen ehe noch einige ab-
ſonderliche verbuͤndnuͤß geweſen/ oder man an dieſelbe gedencken koͤnnen. Ob wol
nachmahl geſchehen/ da er bereits 13. jahr ſeinem amt in cœlibatu vorgeſtanden/
daß er aus liebe zu mir und zu troſt meiner verwittibten lieben mutter/ ſich an mei-
ne liebe aͤlteſte ſchweſter verheurathet/ und mit derſelben die zeit uͤber gelebt. Da-
her von ſolcher zeit ſo viel mehr die vorige freundſchafft durch ſolches bande verdop-
pelt worden. Er iſt auch derjenige/ deſſen die ſecunda epicriſis zu meinen piis
deſideriis
iſt. Dieſen hat auch der HERR uͤber todt und leben in dem 63. jahr
ſeines alters nach zimlich lang auß geſtandener ſchwachheit in ſein reich auffgenom-
men. Und habe ich nur zu bitten/ er wolle ihm auch vor die mir und den meinigen zeit
ſeines lebẽs erwieſener treu eine crone an jenem tage auffſetzẽ. Alſo gehẽ wir alle nach
einander hin/ den weg alles fleiſches/ ob wir uns wohl befleiſſen/ nicht nach dem fleiſch
ſondern nach dem Geiſt zu wandlẽ/ u. wiſſen/ das wir am abſchied nichts als eine uns
beſchwerliche laſt ablegen. Laſſet uns aber bey jeglicher ſolcher unſer vorgaͤnger zeit-
lichen ableiben allemahl ihr ende anſehen/ uñ ihrem glauben folgen/ biß die reyhe uns
auch treffe/ und die ſtunde der erloͤſung komme. Was meinen zuſtand anlangt/
wird zuweilen Herr N. unſer bruder und treuer freunde einigen bericht gegeben
haben. Jch dancke meinem GOtt/ welcher mir kraͤfftig beygeſtanden/ das jenige
unterſchiedliche ſo mich bißher betroffen in ſeiner gnade mit gedult zu uͤberwinden/
und aus jeglicher begegnuͤſſen etwas mehr vorſichtigkeit zu lernen. Ach wie guͤtig
iſt in allen ſolchen ſtuͤcken der rath unſers GOttes! Welcher offter mahls auch un-
ſere beſtgemeinte intention/ wie wir das gute zu befoͤrdern gedachten/ etlicher
maſſen unterbricht/ da er uns eine beſſer arth an die hand gegeben/ oder aus aller-
hand gelegenheit uns zu einer mehreren klugheit der gerechten bereiten will. Jn
dem Februario wurde die wiederaufflag des Geiſtlichen Prieſterthums/ ſo zu

trucken
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[251[253]/0271] ARTIC. I. DISTINCTIO. II. SECTIO XXXV. ſelbige guͤtige Gott ſtehe auch ſonſten in allẽ cꝛeutz bey/ helffe dz veꝛgãgene verſchmer- tzen/ erſetze mit ſegen allen verluſt/ und lege nicht mehr auff/ als ſo viel er zur ver- heiſſung ſeines nahmens und eigener pruͤffung und uͤbung noͤthig erkennet. Dañ was ſolcherley arth leiden iſt/ haben wir uns laͤngſt darzu verſtanden/ ſolche willig aus der hand des HErrn auffzunehmen. Jch habe auch den 21. Apr. einen treu- en ſreund und gleichſam vater verlohren Herr Joachim Stollium/ 31. jaͤhrigen Hoffprediger in meinem patria zu Rappolsweyler. War in allen ſtudiisungemein und gruͤndlich gelahrt/ der ſeiner gemeinde mit groſſer treu und fleiß/ auch aus lie- be derſelben mit hindanſetzung anſehnlicher anderwaͤrtlicher vocationen/ und da- her eigenen vortheils/ vorgeſtanden; Deme ich auch unter menſchen die erſte igni- culos eines wahren Chriſtenthums/ und meine ſtudia zu dem rechten zweck zurich- ten/ den antrieb und theils man uduction/ auch was mein GOTT in den pre- digen gegeben hat/ bey dem text preſſe zu bleiben/ und die lehren daher aus zu zie- hen/ zu dancken habe. Welche treue er mir bereits erwieſen ehe noch einige ab- ſonderliche verbuͤndnuͤß geweſen/ oder man an dieſelbe gedencken koͤnnen. Ob wol nachmahl geſchehen/ da er bereits 13. jahr ſeinem amt in cœlibatu vorgeſtanden/ daß er aus liebe zu mir und zu troſt meiner verwittibten lieben mutter/ ſich an mei- ne liebe aͤlteſte ſchweſter verheurathet/ und mit derſelben die zeit uͤber gelebt. Da- her von ſolcher zeit ſo viel mehr die vorige freundſchafft durch ſolches bande verdop- pelt worden. Er iſt auch derjenige/ deſſen die ſecunda epicriſis zu meinen piis deſideriis iſt. Dieſen hat auch der HERR uͤber todt und leben in dem 63. jahr ſeines alters nach zimlich lang auß geſtandener ſchwachheit in ſein reich auffgenom- men. Und habe ich nur zu bitten/ er wolle ihm auch vor die mir und den meinigen zeit ſeines lebẽs erwieſener treu eine crone an jenem tage auffſetzẽ. Alſo gehẽ wir alle nach einander hin/ den weg alles fleiſches/ ob wir uns wohl befleiſſen/ nicht nach dem fleiſch ſondern nach dem Geiſt zu wandlẽ/ u. wiſſen/ das wir am abſchied nichts als eine uns beſchwerliche laſt ablegen. Laſſet uns aber bey jeglicher ſolcher unſer vorgaͤnger zeit- lichen ableiben allemahl ihr ende anſehen/ uñ ihrem glauben folgen/ biß die reyhe uns auch treffe/ und die ſtunde der erloͤſung komme. Was meinen zuſtand anlangt/ wird zuweilen Herr N. unſer bruder und treuer freunde einigen bericht gegeben haben. Jch dancke meinem GOtt/ welcher mir kraͤfftig beygeſtanden/ das jenige unterſchiedliche ſo mich bißher betroffen in ſeiner gnade mit gedult zu uͤberwinden/ und aus jeglicher begegnuͤſſen etwas mehr vorſichtigkeit zu lernen. Ach wie guͤtig iſt in allen ſolchen ſtuͤcken der rath unſers GOttes! Welcher offter mahls auch un- ſere beſtgemeinte intention/ wie wir das gute zu befoͤrdern gedachten/ etlicher maſſen unterbricht/ da er uns eine beſſer arth an die hand gegeben/ oder aus aller- hand gelegenheit uns zu einer mehreren klugheit der gerechten bereiten will. Jn dem Februario wurde die wiederaufflag des Geiſtlichen Prieſterthums/ ſo zu trucken Ji 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 251[253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/271>, abgerufen am 22.11.2024.