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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IV.
chen in ihr selbst erwegen/ so dann göttliches wort zu rathe ziehen/ können
wir nicht anderst/ als denselben beyzupflichten. Wie ich sehr sorge/ es seye
die zeit sehr nahe/ wo nicht gar vorhanden/ daß GOTT sein gericht von
seinem hausse anfange/ und Babel seinen letzten zorn zu erfüllung seines sün-
den masses und maturirung seines letzten untergangs über das so verdorbene
Jerusalem außzugiessen zulasse. Jene Politici mercken/ daß an den beyden
höchsten höffen/ Gestreich und Franckreich/ die allgemeine intention gantz
eine sey/ gegen den protestantismum, und sofern die freyheit der stände des
reichs bey uns/ welche eine starcke seule von den andern seye/ und davor er-
kant werde. Ob nun wohl der beyden häuser privat-interesse annoch ein-
ander entgegen stehet/ daß jegliches dasjenige/ was es selbst gern zu werck
richtete/ nicht wohl will durch das andere thun lassen/ so werden doch be-
sorglich die Jesuiten/ welche nicht nur bey dem hause Oesterreich allezeit
mächtig gewesen/ sondern auch bey Franckreich nunmehr in solchen credit
sind/ daß der könig nicht nur seine consecrenz ihnen vertrauet/ sondern auch
nicht haben will/ daß iemand von dem königlichen geblüt einen andern beicht-
vater nehme/ mittel und wege zufinden suchen/ daß die consilia so concerti-
ret würden/ die so lang gehabte böse intention zu werckstelligen. Die ietzi-
ge kürtzlich vorstehende versammlung der geistlichen in Franckreich/ dürffte
wohl einen wichtigern zweck haben/ als man gedencket/ und die ietzige be-
reits vor einigen jahren hervor blickende manier zu handlen mit den Refor-
mirten in solchem reich/ auch was in den überrheinischen orten/ dero sich
Franckreich anmasset/ vorgehet/ mögen schon etlicher massen zeigen/ was
man verlanget/ und etwa von den mitteln noch zu rathschlagen hat/ wie alles
am füglichsten ausgerichtet werden möchte. Also hats freylich ein seltzames
ansehen/ nicht nur allein vor die policey/ und weltliche beschaffenheit unsers
Teutschlandes/ sondern noch mehr vor unsere kirche. Und wie mögen wir
fast anderst vor dieselbe hoffen/ wo wir eines theils GOttes grosse wohltha-
ten deroselben erwiesen benebens seiner gerechten gewohnheit den undanck an
den seinigen allemahl am härtesten zustraffen/ andern theils die euserste und
undanckbarkeit der unsern gegen solche theuere wohlthat ansehen? Da wir
ausgenommen die warheit der bekennenden lehr sonsten in dem übrigen
kaum etwas gesundes an dem gantzen leib finden/ sondern alles nicht weni-
ger verderbt ist/ alß wir bey den secten antreffen/ die wir selbst wegen irri-
ger lehr verwerffen/ ia mitten in dem Papstum. Wir wissen ja kaum mehr/
was die praxin anlanget/ was Christenthum oder glaube sey/ dero sich jeder-
man rühmet/ und aber die vor augen liegende greuel/ wie die that so fern
seye/ alle diejenige überzeugen/ welche noch etwas lichts übrig haben. So

wird

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IV.
chen in ihr ſelbſt erwegen/ ſo dann goͤttliches wort zu rathe ziehen/ koͤnnen
wir nicht anderſt/ als denſelben beyzupflichten. Wie ich ſehr ſorge/ es ſeye
die zeit ſehr nahe/ wo nicht gar vorhanden/ daß GOTT ſein gericht von
ſeinem hauſſe anfange/ und Babel ſeinen letzten zorn zu erfuͤllung ſeines ſuͤn-
den maſſes und maturirung ſeines letzten untergangs uͤber das ſo verdorbene
Jeruſalem außzugieſſen zulaſſe. Jene Politici mercken/ daß an den beyden
hoͤchſten hoͤffen/ Geſtreich und Franckreich/ die allgemeine intention gantz
eine ſey/ gegen den proteſtantiſmum, und ſofern die freyheit der ſtaͤnde des
reichs bey uns/ welche eine ſtarcke ſeule von den andern ſeye/ und davor er-
kant werde. Ob nun wohl der beyden haͤuſer privat-intereſſe annoch ein-
ander entgegen ſtehet/ daß jegliches dasjenige/ was es ſelbſt gern zu werck
richtete/ nicht wohl will durch das andere thun laſſen/ ſo werden doch be-
ſorglich die Jeſuiten/ welche nicht nur bey dem hauſe Oeſterreich allezeit
maͤchtig geweſen/ ſondern auch bey Franckreich nunmehr in ſolchen credit
ſind/ daß der koͤnig nicht nur ſeine conſecrenz ihnen vertrauet/ ſondern auch
nicht haben will/ daß iemand von dem koͤniglichen gebluͤt einen andern beicht-
vater nehme/ mittel und wege zufinden ſuchen/ daß die conſilia ſo concerti-
ret wuͤrden/ die ſo lang gehabte boͤſe intention zu werckſtelligen. Die ietzi-
ge kuͤrtzlich vorſtehende verſammlung der geiſtlichen in Franckreich/ duͤrffte
wohl einen wichtigern zweck haben/ als man gedencket/ und die ietzige be-
reits vor einigen jahren hervor blickende manier zu handlen mit den Refor-
mirten in ſolchem reich/ auch was in den uͤberrheiniſchen orten/ dero ſich
Franckreich anmaſſet/ vorgehet/ moͤgen ſchon etlicher maſſen zeigen/ was
man verlanget/ und etwa von den mitteln noch zu rathſchlagen hat/ wie alles
am fuͤglichſten ausgerichtet werden moͤchte. Alſo hats freylich ein ſeltzames
anſehen/ nicht nur allein vor die policey/ und weltliche beſchaffenheit unſers
Teutſchlandes/ ſondern noch mehr vor unſere kirche. Und wie moͤgen wir
faſt anderſt vor dieſelbe hoffen/ wo wir eines theils GOttes groſſe wohltha-
ten deroſelben erwieſen benebens ſeiner gerechten gewohnheit den undanck an
den ſeinigen allemahl am haͤrteſten zuſtraffen/ andern theils die euſerſte und
undanckbarkeit der unſern gegen ſolche theuere wohlthat anſehen? Da wir
ausgenommen die warheit der bekennenden lehr ſonſten in dem uͤbrigen
kaum etwas geſundes an dem gantzen leib finden/ ſondern alles nicht weni-
ger verderbt iſt/ alß wir bey den ſecten antreffen/ die wir ſelbſt wegen irri-
ger lehr verwerffen/ ia mitten in dem Papſtum. Wir wiſſen ja kaum mehr/
was die praxin anlanget/ was Chriſtenthum oder glaube ſey/ dero ſich jeder-
man ruͤhmet/ und aber die vor augen liegende greuel/ wie die that ſo fern
ſeye/ alle diejenige uͤberzeugen/ welche noch etwas lichts uͤbrig haben. So

wird
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[367/0385] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IV. chen in ihr ſelbſt erwegen/ ſo dann goͤttliches wort zu rathe ziehen/ koͤnnen wir nicht anderſt/ als denſelben beyzupflichten. Wie ich ſehr ſorge/ es ſeye die zeit ſehr nahe/ wo nicht gar vorhanden/ daß GOTT ſein gericht von ſeinem hauſſe anfange/ und Babel ſeinen letzten zorn zu erfuͤllung ſeines ſuͤn- den maſſes und maturirung ſeines letzten untergangs uͤber das ſo verdorbene Jeruſalem außzugieſſen zulaſſe. Jene Politici mercken/ daß an den beyden hoͤchſten hoͤffen/ Geſtreich und Franckreich/ die allgemeine intention gantz eine ſey/ gegen den proteſtantiſmum, und ſofern die freyheit der ſtaͤnde des reichs bey uns/ welche eine ſtarcke ſeule von den andern ſeye/ und davor er- kant werde. Ob nun wohl der beyden haͤuſer privat-intereſſe annoch ein- ander entgegen ſtehet/ daß jegliches dasjenige/ was es ſelbſt gern zu werck richtete/ nicht wohl will durch das andere thun laſſen/ ſo werden doch be- ſorglich die Jeſuiten/ welche nicht nur bey dem hauſe Oeſterreich allezeit maͤchtig geweſen/ ſondern auch bey Franckreich nunmehr in ſolchen credit ſind/ daß der koͤnig nicht nur ſeine conſecrenz ihnen vertrauet/ ſondern auch nicht haben will/ daß iemand von dem koͤniglichen gebluͤt einen andern beicht- vater nehme/ mittel und wege zufinden ſuchen/ daß die conſilia ſo concerti- ret wuͤrden/ die ſo lang gehabte boͤſe intention zu werckſtelligen. Die ietzi- ge kuͤrtzlich vorſtehende verſammlung der geiſtlichen in Franckreich/ duͤrffte wohl einen wichtigern zweck haben/ als man gedencket/ und die ietzige be- reits vor einigen jahren hervor blickende manier zu handlen mit den Refor- mirten in ſolchem reich/ auch was in den uͤberrheiniſchen orten/ dero ſich Franckreich anmaſſet/ vorgehet/ moͤgen ſchon etlicher maſſen zeigen/ was man verlanget/ und etwa von den mitteln noch zu rathſchlagen hat/ wie alles am fuͤglichſten ausgerichtet werden moͤchte. Alſo hats freylich ein ſeltzames anſehen/ nicht nur allein vor die policey/ und weltliche beſchaffenheit unſers Teutſchlandes/ ſondern noch mehr vor unſere kirche. Und wie moͤgen wir faſt anderſt vor dieſelbe hoffen/ wo wir eines theils GOttes groſſe wohltha- ten deroſelben erwieſen benebens ſeiner gerechten gewohnheit den undanck an den ſeinigen allemahl am haͤrteſten zuſtraffen/ andern theils die euſerſte und undanckbarkeit der unſern gegen ſolche theuere wohlthat anſehen? Da wir ausgenommen die warheit der bekennenden lehr ſonſten in dem uͤbrigen kaum etwas geſundes an dem gantzen leib finden/ ſondern alles nicht weni- ger verderbt iſt/ alß wir bey den ſecten antreffen/ die wir ſelbſt wegen irri- ger lehr verwerffen/ ia mitten in dem Papſtum. Wir wiſſen ja kaum mehr/ was die praxin anlanget/ was Chriſtenthum oder glaube ſey/ dero ſich jeder- man ruͤhmet/ und aber die vor augen liegende greuel/ wie die that ſo fern ſeye/ alle diejenige uͤberzeugen/ welche noch etwas lichts uͤbrig haben. So wird

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/385>, abgerufen am 22.11.2024.