Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX.
dem es mir so wohl zu meinem eigenen verhalten/ als dazu dienlich seyn wird/ mit
meinem geliebten Schwager daraus zu handeln/ der sich in allem willig weisen
lassen/ und sich den jenigen/ die es ihm anzeigen verbunden erkennen würde.
Jndem hiedurch entweder durch gute nachricht die scrupulos zu benehmen/ oder
wo etwas angetroffen wird/ solches angelegenlich zu besseren gelegenheit gege-
ben würde. Welches beydes eine sache ist/ dero man sich hertzlich zuerfreu-
en hat; hingegen mir offtmahls dieses eine grosse hinderung gewesen ist/ daß
ich nicht so vertraulichen bericht von allem bekommen habe/ was etwa ein
und andere hie oder dort an mir oder meinen verrichtungen desiderirten.
Was zwar die nahmen der neuen Christen/ pietisten und dergleichen anlangt/
dero E. Excell. meldung thun/ hoffe ich nicht/ daß jemand von uns oder un-
seren bekanten freunden solchen jemahl von sich selbst werde gebraucht haben/
und daher uns dessen schuld einigerley massen mögte zu gemessen werden kön-
nen/ sondern solche nahmen sind von den wiederich-gesinneten und übel-wollen-
den uns zum schimpff auffgebracht worden/ damit uns solche leute wehe zu
thun gedencken und unser damit spotten. Da wir zwar ihnen solches nicht
verwehren können/ sondern es leyden müssen/ gleichwie wo wir sonsten ge-
lästert werden/ aber wir machen uns derselben selbst nicht theilhafftig. Wir
wissen auch von keinem neuen sonderen dem alten Christenthum/ so von
Christo und den alten Apostelen gelehret worden/ und zwar in einer steten
erneuerung seiner selbst bestehet/ aber in allen dingen nicht auff einige neugi-
rigkeit sondern vielmehr darauf bedacht sind nach den alten regelen des Her-
ren sich an zuschicken. Sonsten würde freylich den wiedersacheren unserer
kirchen ursach und anlaß zur lästerung gegeben/ wo wir uns mit gewissen
nahmen oder sonsten auf andere weise von anderen trenneten/ die wir ja in der
einigkeit des geistes mit den bande des friedens allen verbunden wandelen sol-
len. Das aber einige des guten gehäßige selbst mit solchen erdichten nah-
men dasselbe wollen verdächtig machen/ und damit so wohl unsere kirche är-
geren/ als die feinde lästeren machen/ haben sie ihr gericht deßwegen zu tra-
gen/ und wird [d]ie schuld sehr schwehr auff ihnen liegen. Lutherum achte
ich als einen theuren GOttes mann so viel höher/ als mir GOtt die gelegen-
heit gemacht/ seine schrifften mit fleiß durch zulesen/ und also den in ihn so
reichlich gelegten geist zu erkennen/ so wünschet auch nichts mehr/ als daß in
den allermeisten stücken alles vornemlich nach seinen vorschlägen gehen möch-
te. Massen alle die dinge/ so etwa bißher an meinen sachen von mißgün-
stigen getadelt worden/ solchen lieben und vortreflichen lehrer zum zeugen ha-
ben/ aus dem ich auch das meiste genommen habe. Und was ists/ wo ich von
der lebendigen glaubens krafft/ und wie der glaube so gar etwas anders als

die

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX.
dem es mir ſo wohl zu meinem eigenen verhalten/ als dazu dienlich ſeyn wird/ mit
meinem geliebten Schwager daraus zu handeln/ der ſich in allem willig weiſen
laſſen/ und ſich den jenigen/ die es ihm anzeigen verbunden erkennen wuͤrde.
Jndem hiedurch entweder durch gute nachricht die ſcrupulos zu benehmen/ oder
wo etwas angetroffen wird/ ſolches angelegenlich zu beſſeren gelegenheit gege-
ben wuͤrde. Welches beydes eine ſache iſt/ dero man ſich hertzlich zuerfreu-
en hat; hingegen mir offtmahls dieſes eine groſſe hinderung geweſen iſt/ daß
ich nicht ſo vertraulichen bericht von allem bekommen habe/ was etwa ein
und andere hie oder dort an mir oder meinen verrichtungen deſiderirten.
Was zwar die nahmen der neuen Chriſten/ pietiſten und dergleichen anlangt/
dero E. Excell. meldung thun/ hoffe ich nicht/ daß jemand von uns oder un-
ſeren bekanten freunden ſolchen jemahl von ſich ſelbſt werde gebraucht haben/
und daher uns deſſen ſchuld einigerley maſſen moͤgte zu gemeſſen werden koͤn-
nen/ ſondern ſolche nahmen ſind von den wiederich-geſinneten und uͤbel-wollen-
den uns zum ſchimpff auffgebracht worden/ damit uns ſolche leute wehe zu
thun gedencken und unſer damit ſpotten. Da wir zwar ihnen ſolches nicht
verwehren koͤnnen/ ſondern es leyden muͤſſen/ gleichwie wo wir ſonſten ge-
laͤſtert werden/ aber wir machen uns derſelben ſelbſt nicht theilhafftig. Wir
wiſſen auch von keinem neuen ſonderen dem alten Chriſtenthum/ ſo von
Chriſto und den alten Apoſtelen gelehret worden/ und zwar in einer ſteten
erneuerung ſeiner ſelbſt beſtehet/ aber in allen dingen nicht auff einige neugi-
rigkeit ſondern vielmehr darauf bedacht ſind nach den alten regelen des Her-
ren ſich an zuſchicken. Sonſten wuͤrde freylich den wiederſacheren unſerer
kirchen urſach und anlaß zur laͤſterung gegeben/ wo wir uns mit gewiſſen
nahmen oder ſonſten auf andere weiſe von anderen trenneten/ die wir ja in der
einigkeit des geiſtes mit den bande des friedens allen verbunden wandelen ſol-
len. Das aber einige des guten gehaͤßige ſelbſt mit ſolchen erdichten nah-
men daſſelbe wollen verdaͤchtig machen/ und damit ſo wohl unſere kirche aͤr-
geren/ als die feinde laͤſteren machen/ haben ſie ihr gericht deßwegen zu tra-
gen/ und wird [d]ie ſchuld ſehr ſchwehr auff ihnen liegen. Lutherum achte
ich als einen theuren GOttes mann ſo viel hoͤher/ als mir GOtt die gelegen-
heit gemacht/ ſeine ſchrifften mit fleiß durch zuleſen/ und alſo den in ihn ſo
reichlich gelegten geiſt zu erkennen/ ſo wuͤnſchet auch nichts mehr/ als daß in
den allermeiſten ſtuͤcken alles vornemlich nach ſeinen vorſchlaͤgen gehen moͤch-
te. Maſſen alle die dinge/ ſo etwa bißher an meinen ſachen von mißguͤn-
ſtigen getadelt worden/ ſolchen lieben und vortreflichen lehrer zum zeugen ha-
ben/ aus dem ich auch das meiſte genommen habe. Und was iſts/ wo ich von
der lebendigen glaubens krafft/ und wie der glaube ſo gar etwas anders als

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0401" n="383"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX.</hi></fw><lb/>
dem es mir &#x017F;o wohl zu meinem eigenen verhalten/ als dazu dienlich &#x017F;eyn wird/ mit<lb/>
meinem geliebten Schwager daraus zu handeln/ der &#x017F;ich in allem willig wei&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;ich den jenigen/ die es ihm anzeigen verbunden erkennen wu&#x0364;rde.<lb/>
Jndem hiedurch entweder durch gute nachricht die <hi rendition="#aq">&#x017F;crupulos</hi> zu benehmen/ oder<lb/>
wo etwas angetroffen wird/ &#x017F;olches angelegenlich zu be&#x017F;&#x017F;eren gelegenheit gege-<lb/>
ben wu&#x0364;rde. Welches beydes eine &#x017F;ache i&#x017F;t/ dero man &#x017F;ich hertzlich zuerfreu-<lb/>
en hat; hingegen mir offtmahls die&#x017F;es eine gro&#x017F;&#x017F;e hinderung gewe&#x017F;en i&#x017F;t/ daß<lb/>
ich nicht &#x017F;o vertraulichen bericht von allem bekommen habe/ was etwa ein<lb/>
und andere hie oder dort an mir oder meinen verrichtungen <hi rendition="#aq">de&#x017F;iderirt</hi>en.<lb/>
Was zwar die nahmen der neuen Chri&#x017F;ten/ <hi rendition="#aq">pieti&#x017F;ten</hi> und dergleichen anlangt/<lb/>
dero E. <hi rendition="#aq">Excell.</hi> meldung thun/ hoffe ich nicht/ daß jemand von uns oder un-<lb/>
&#x017F;eren bekanten freunden &#x017F;olchen jemahl von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t werde gebraucht haben/<lb/>
und daher uns de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chuld einigerley ma&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;gte zu geme&#x017F;&#x017F;en werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen/ &#x017F;ondern &#x017F;olche nahmen &#x017F;ind von den wiederich-ge&#x017F;inneten und u&#x0364;bel-wollen-<lb/>
den uns zum &#x017F;chimpff auffgebracht worden/ damit uns &#x017F;olche leute wehe zu<lb/>
thun gedencken und un&#x017F;er damit &#x017F;potten. Da wir zwar ihnen &#x017F;olches nicht<lb/>
verwehren ko&#x0364;nnen/ &#x017F;ondern es leyden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ gleichwie wo wir &#x017F;on&#x017F;ten ge-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;tert werden/ aber wir machen uns der&#x017F;elben &#x017F;elb&#x017F;t nicht theilhafftig. Wir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en auch von keinem neuen &#x017F;onderen dem alten Chri&#x017F;tenthum/ &#x017F;o von<lb/>
Chri&#x017F;to und den alten Apo&#x017F;telen gelehret worden/ und zwar in einer &#x017F;teten<lb/>
erneuerung &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;tehet/ aber in allen dingen nicht auff einige neugi-<lb/>
rigkeit &#x017F;ondern vielmehr darauf bedacht &#x017F;ind nach den alten regelen des Her-<lb/>
ren &#x017F;ich an zu&#x017F;chicken. Son&#x017F;ten wu&#x0364;rde freylich den wieder&#x017F;acheren un&#x017F;erer<lb/>
kirchen ur&#x017F;ach und anlaß zur la&#x0364;&#x017F;terung gegeben/ wo wir uns mit gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nahmen oder &#x017F;on&#x017F;ten auf andere wei&#x017F;e von anderen trenneten/ die wir ja in der<lb/>
einigkeit des gei&#x017F;tes mit den bande des friedens allen verbunden wandelen &#x017F;ol-<lb/>
len. Das aber einige des guten geha&#x0364;ßige &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;olchen erdichten nah-<lb/>
men da&#x017F;&#x017F;elbe wollen verda&#x0364;chtig machen/ und damit &#x017F;o wohl un&#x017F;ere kirche a&#x0364;r-<lb/>
geren/ als die feinde la&#x0364;&#x017F;teren machen/ haben &#x017F;ie ihr gericht deßwegen zu tra-<lb/>
gen/ und wird <supplied>d</supplied>ie &#x017F;chuld &#x017F;ehr &#x017F;chwehr auff ihnen liegen. <hi rendition="#aq">Lutherum</hi> achte<lb/>
ich als einen theuren GOttes mann &#x017F;o viel ho&#x0364;her/ als mir GOtt die gelegen-<lb/>
heit gemacht/ &#x017F;eine &#x017F;chrifften mit fleiß durch zule&#x017F;en/ und al&#x017F;o den in ihn &#x017F;o<lb/>
reichlich gelegten gei&#x017F;t zu erkennen/ &#x017F;o wu&#x0364;n&#x017F;chet auch nichts mehr/ als daß in<lb/>
den allermei&#x017F;ten &#x017F;tu&#x0364;cken alles vornemlich nach &#x017F;einen vor&#x017F;chla&#x0364;gen gehen mo&#x0364;ch-<lb/>
te. Ma&#x017F;&#x017F;en alle die dinge/ &#x017F;o etwa bißher an meinen &#x017F;achen von mißgu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;tigen getadelt worden/ &#x017F;olchen lieben und vortreflichen lehrer zum zeugen ha-<lb/>
ben/ aus dem ich auch das mei&#x017F;te genommen habe. Und was i&#x017F;ts/ wo ich von<lb/>
der lebendigen glaubens krafft/ und wie der glaube &#x017F;o gar etwas anders als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0401] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX. dem es mir ſo wohl zu meinem eigenen verhalten/ als dazu dienlich ſeyn wird/ mit meinem geliebten Schwager daraus zu handeln/ der ſich in allem willig weiſen laſſen/ und ſich den jenigen/ die es ihm anzeigen verbunden erkennen wuͤrde. Jndem hiedurch entweder durch gute nachricht die ſcrupulos zu benehmen/ oder wo etwas angetroffen wird/ ſolches angelegenlich zu beſſeren gelegenheit gege- ben wuͤrde. Welches beydes eine ſache iſt/ dero man ſich hertzlich zuerfreu- en hat; hingegen mir offtmahls dieſes eine groſſe hinderung geweſen iſt/ daß ich nicht ſo vertraulichen bericht von allem bekommen habe/ was etwa ein und andere hie oder dort an mir oder meinen verrichtungen deſiderirten. Was zwar die nahmen der neuen Chriſten/ pietiſten und dergleichen anlangt/ dero E. Excell. meldung thun/ hoffe ich nicht/ daß jemand von uns oder un- ſeren bekanten freunden ſolchen jemahl von ſich ſelbſt werde gebraucht haben/ und daher uns deſſen ſchuld einigerley maſſen moͤgte zu gemeſſen werden koͤn- nen/ ſondern ſolche nahmen ſind von den wiederich-geſinneten und uͤbel-wollen- den uns zum ſchimpff auffgebracht worden/ damit uns ſolche leute wehe zu thun gedencken und unſer damit ſpotten. Da wir zwar ihnen ſolches nicht verwehren koͤnnen/ ſondern es leyden muͤſſen/ gleichwie wo wir ſonſten ge- laͤſtert werden/ aber wir machen uns derſelben ſelbſt nicht theilhafftig. Wir wiſſen auch von keinem neuen ſonderen dem alten Chriſtenthum/ ſo von Chriſto und den alten Apoſtelen gelehret worden/ und zwar in einer ſteten erneuerung ſeiner ſelbſt beſtehet/ aber in allen dingen nicht auff einige neugi- rigkeit ſondern vielmehr darauf bedacht ſind nach den alten regelen des Her- ren ſich an zuſchicken. Sonſten wuͤrde freylich den wiederſacheren unſerer kirchen urſach und anlaß zur laͤſterung gegeben/ wo wir uns mit gewiſſen nahmen oder ſonſten auf andere weiſe von anderen trenneten/ die wir ja in der einigkeit des geiſtes mit den bande des friedens allen verbunden wandelen ſol- len. Das aber einige des guten gehaͤßige ſelbſt mit ſolchen erdichten nah- men daſſelbe wollen verdaͤchtig machen/ und damit ſo wohl unſere kirche aͤr- geren/ als die feinde laͤſteren machen/ haben ſie ihr gericht deßwegen zu tra- gen/ und wird die ſchuld ſehr ſchwehr auff ihnen liegen. Lutherum achte ich als einen theuren GOttes mann ſo viel hoͤher/ als mir GOtt die gelegen- heit gemacht/ ſeine ſchrifften mit fleiß durch zuleſen/ und alſo den in ihn ſo reichlich gelegten geiſt zu erkennen/ ſo wuͤnſchet auch nichts mehr/ als daß in den allermeiſten ſtuͤcken alles vornemlich nach ſeinen vorſchlaͤgen gehen moͤch- te. Maſſen alle die dinge/ ſo etwa bißher an meinen ſachen von mißguͤn- ſtigen getadelt worden/ ſolchen lieben und vortreflichen lehrer zum zeugen ha- ben/ aus dem ich auch das meiſte genommen habe. Und was iſts/ wo ich von der lebendigen glaubens krafft/ und wie der glaube ſo gar etwas anders als die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/401
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/401>, abgerufen am 22.11.2024.