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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
Deßwegen billich/ wann an verbesserung zu dencken ist/ wir solcher in unse-
rem stand zu geschehen und angefangen zu werden uns nicht beschwehren
dörffen. So ists auch freylich so/ wie sie abermahl selbst anmercken/ daß
Hr. Horb. sein werck dieses vornemlich lässet eifrig seyn/ das verdorbene le-
ben bey den Christen zuverbesseren/ aber also/ daß es nicht nur zu einem
Heidnischen erbahren Moral- leben komme/ so nur in eusserlichen verrichtun-
gen und wercken bestehet/ sonderen das zum grund in den hertzen der wahre
glaube an Christum/ die erkäntnüs und ergreiffen der theuren heyls-güter
in ihm geleget werde/ wo sichs darnach nicht fehlen kan/ daß nicht auch aus
dem menschen ein gantz anderer und neuer/ andersgesinnter/ mensch wer-
de/ der nicht nur eusserlich anders thue und lebe/ als sonsten ein fleischlicher
mensch zu thun und zu leben pfleget/ sonderen wahrhafftig in seiner seele an-
ders geartet seye/ der nemlich aus der lebendigen erkäntnüs der himmlischen
güter die welt mit ihrer herrligkeit gering achte und schätze/ und derselben lie-
be und vertrauen wahrhafftig verleugne/ und also in allen stücken/ in seinem
so gemeinen als absonderlichen beruff sein gantzes thun/ dermassen einrichte/
daß er in allem nichts seines eigenen vor sich suche/ sonderen in allem nur
auff die beförderung seines GOttes ehre/ des nechsten liebe/ wie sie sich in
geist-und weltlichen gutthaten hervor thut/ und seiner eigenen seelen heil ab-
zwecke/ daher alle seine dinge dermassen einrichte/ wie der selbige zweck am
füglichsten und nachtrücklichsten bey ihm möge erhalten werden/ demnach der
welt sich gebrauche aber nicht mißbrauche und sich selbs in allen stücken das
exempel seines heilandes seine rechte regel und muster der nachfolge sein lasse.
Eine solche besserung der Morum, die selbst in dem grund des hertzens ge-
schiehet/ und nachmahl das gantze leben regieret/ deswegen erstlich auf dem
Göttlichen glauben beruhet/ ist der zweck/ gleichwie herren Horbii/ also auch
der meinige/ weßwegen wir allemahl die lehr des Evangelii zu grund legen/
damit nachmahl/ was von dem leben gelehret wird/ auff solchem grund be-
stehe. Was aber den modum anlanget/ weiß ich nicht was E. Excell. ge-
dancken davon seyn/ wo darin gefehlet werde/ alß der ich/ was Hr. Horben
anlangt/ in Windsheim nicht zu gegen bin/ und also/ weilen mir von ihrem
modo nichts wiederliches vorgebracht worden/ nichts urtheilen kan/ ob da-
rin etwas desideriret werden möge: Wie es freylich wohl eine mügliche sa-
che seyn kan/ daß in einem gantz guten werck der modus/ da in demselben
unrecht verfahren wird/ solches verderben mögte. Solte aber E. Excell. ent-
weder versichert wissend/ oder von anderen vorgebracht worden seyn/ da der
modus unzimlich wäre; würde ich gehorsamlich um grgstl. communication
zu bitten/ und solche alßdann vor eine grosse wohlthat zu achten haben. Jn-

dem

Das ſechſte Capitel.
Deßwegen billich/ wann an verbeſſerung zu dencken iſt/ wir ſolcher in unſe-
rem ſtand zu geſchehen und angefangen zu werden uns nicht beſchwehren
doͤrffen. So iſts auch freylich ſo/ wie ſie abermahl ſelbſt anmercken/ daß
Hr. Horb. ſein werck dieſes vornemlich laͤſſet eifrig ſeyn/ das verdorbene le-
ben bey den Chriſten zuverbeſſeren/ aber alſo/ daß es nicht nur zu einem
Heidniſchen erbahren Moral- leben komme/ ſo nur in euſſerlichen verrichtun-
gen und wercken beſtehet/ ſonderen das zum grund in den hertzen der wahre
glaube an Chriſtum/ die erkaͤntnuͤs und ergreiffen der theuren heyls-guͤter
in ihm geleget werde/ wo ſichs darnach nicht fehlen kan/ daß nicht auch aus
dem menſchen ein gantz anderer und neuer/ andersgeſinnter/ menſch wer-
de/ der nicht nur euſſerlich anders thue und lebe/ als ſonſten ein fleiſchlicher
menſch zu thun und zu leben pfleget/ ſonderen wahrhafftig in ſeiner ſeele an-
ders geartet ſeye/ der nemlich aus der lebendigen erkaͤntnuͤs der himmliſchen
guͤter die welt mit ihrer herrligkeit gering achte und ſchaͤtze/ und derſelben lie-
be und vertrauen wahrhafftig verleugne/ und alſo in allen ſtuͤcken/ in ſeinem
ſo gemeinen als abſonderlichen beruff ſein gantzes thun/ dermaſſen einrichte/
daß er in allem nichts ſeines eigenen vor ſich ſuche/ ſonderen in allem nur
auff die befoͤrderung ſeines GOttes ehre/ des nechſten liebe/ wie ſie ſich in
geiſt-und weltlichen gutthaten hervor thut/ und ſeiner eigenen ſeelen heil ab-
zwecke/ daher alle ſeine dinge dermaſſen einrichte/ wie der ſelbige zweck am
fuͤglichſten und nachtruͤcklichſten bey ihm moͤge erhalten werden/ demnach der
welt ſich gebrauche aber nicht mißbrauche und ſich ſelbs in allen ſtuͤcken das
exempel ſeines heilandes ſeine rechte regel und muſter der nachfolge ſein laſſe.
Eine ſolche beſſerung der Morum, die ſelbſt in dem grund des hertzens ge-
ſchiehet/ und nachmahl das gantze leben regieret/ deswegen erſtlich auf dem
Goͤttlichen glauben beruhet/ iſt der zweck/ gleichwie herren Horbii/ alſo auch
der meinige/ weßwegen wir allemahl die lehr des Evangelii zu grund legen/
damit nachmahl/ was von dem leben gelehret wird/ auff ſolchem grund be-
ſtehe. Was aber den modum anlanget/ weiß ich nicht was E. Excell. ge-
dancken davon ſeyn/ wo darin gefehlet werde/ alß der ich/ was Hr. Horben
anlangt/ in Windsheim nicht zu gegen bin/ und alſo/ weilen mir von ihrem
modo nichts wiederliches vorgebracht worden/ nichts urtheilen kan/ ob da-
rin etwas deſideriret werden moͤge: Wie es freylich wohl eine muͤgliche ſa-
che ſeyn kan/ daß in einem gantz guten werck der modus/ da in demſelben
unrecht verfahren wird/ ſolches verderben moͤgte. Solte aber E. Excell. ent-
weder verſichert wiſſend/ oder von anderen vorgebracht worden ſeyn/ da der
modus unzimlich waͤre; wuͤrde ich gehorſamlich um grgſtl. communication
zu bitten/ und ſolche alßdann vor eine groſſe wohlthat zu achten haben. Jn-

dem
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[382/0400] Das ſechſte Capitel. Deßwegen billich/ wann an verbeſſerung zu dencken iſt/ wir ſolcher in unſe- rem ſtand zu geſchehen und angefangen zu werden uns nicht beſchwehren doͤrffen. So iſts auch freylich ſo/ wie ſie abermahl ſelbſt anmercken/ daß Hr. Horb. ſein werck dieſes vornemlich laͤſſet eifrig ſeyn/ das verdorbene le- ben bey den Chriſten zuverbeſſeren/ aber alſo/ daß es nicht nur zu einem Heidniſchen erbahren Moral- leben komme/ ſo nur in euſſerlichen verrichtun- gen und wercken beſtehet/ ſonderen das zum grund in den hertzen der wahre glaube an Chriſtum/ die erkaͤntnuͤs und ergreiffen der theuren heyls-guͤter in ihm geleget werde/ wo ſichs darnach nicht fehlen kan/ daß nicht auch aus dem menſchen ein gantz anderer und neuer/ andersgeſinnter/ menſch wer- de/ der nicht nur euſſerlich anders thue und lebe/ als ſonſten ein fleiſchlicher menſch zu thun und zu leben pfleget/ ſonderen wahrhafftig in ſeiner ſeele an- ders geartet ſeye/ der nemlich aus der lebendigen erkaͤntnuͤs der himmliſchen guͤter die welt mit ihrer herrligkeit gering achte und ſchaͤtze/ und derſelben lie- be und vertrauen wahrhafftig verleugne/ und alſo in allen ſtuͤcken/ in ſeinem ſo gemeinen als abſonderlichen beruff ſein gantzes thun/ dermaſſen einrichte/ daß er in allem nichts ſeines eigenen vor ſich ſuche/ ſonderen in allem nur auff die befoͤrderung ſeines GOttes ehre/ des nechſten liebe/ wie ſie ſich in geiſt-und weltlichen gutthaten hervor thut/ und ſeiner eigenen ſeelen heil ab- zwecke/ daher alle ſeine dinge dermaſſen einrichte/ wie der ſelbige zweck am fuͤglichſten und nachtruͤcklichſten bey ihm moͤge erhalten werden/ demnach der welt ſich gebrauche aber nicht mißbrauche und ſich ſelbs in allen ſtuͤcken das exempel ſeines heilandes ſeine rechte regel und muſter der nachfolge ſein laſſe. Eine ſolche beſſerung der Morum, die ſelbſt in dem grund des hertzens ge- ſchiehet/ und nachmahl das gantze leben regieret/ deswegen erſtlich auf dem Goͤttlichen glauben beruhet/ iſt der zweck/ gleichwie herren Horbii/ alſo auch der meinige/ weßwegen wir allemahl die lehr des Evangelii zu grund legen/ damit nachmahl/ was von dem leben gelehret wird/ auff ſolchem grund be- ſtehe. Was aber den modum anlanget/ weiß ich nicht was E. Excell. ge- dancken davon ſeyn/ wo darin gefehlet werde/ alß der ich/ was Hr. Horben anlangt/ in Windsheim nicht zu gegen bin/ und alſo/ weilen mir von ihrem modo nichts wiederliches vorgebracht worden/ nichts urtheilen kan/ ob da- rin etwas deſideriret werden moͤge: Wie es freylich wohl eine muͤgliche ſa- che ſeyn kan/ daß in einem gantz guten werck der modus/ da in demſelben unrecht verfahren wird/ ſolches verderben moͤgte. Solte aber E. Excell. ent- weder verſichert wiſſend/ oder von anderen vorgebracht worden ſeyn/ da der modus unzimlich waͤre; wuͤrde ich gehorſamlich um grgſtl. communication zu bitten/ und ſolche alßdann vor eine groſſe wohlthat zu achten haben. Jn- dem

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/400>, abgerufen am 22.11.2024.