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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX.
können/ daß ihnen der mangel des elenchi nominalis nichts geschadet hätte/
beraubet/ und nachmahl ihnen solche vorgesetzet würden/ die nicht nur willig
solchen unterliessen/ sondern wohl gar endlich heimliche verräther unserer
warheit würden/ zu dem eusersten verderben der kirchen. Daß also/ wo wir/
wie wir sollen/ auf das thätige beste der kirchen sehen/ dieselbe zwar von der
omissione elenchi schaden haben/ aber noch grössern schaden gewiß haben
würde von der wiedersetzung/ wo aber allezeit unter zweyerley gefahren die
geringste zu erwehlen. Dem nicht entgegen stehen mag/ daß man nicht böses
thun solle/ daß gutes daraus ersolge. Dann solche regel gestehe ich gern/ a-
ber glaube hingegen/ daß wohl zu weilen etwas gutes möge unterlassen wer-
den/ daß nicht ein mehreres gute verhindert oder böses verursachet werde.
Wie ohne das die gewöhnliche regel ist: Praecepta negativa obligant ad
semper: non item affirmativa.
Dieses ist meine einfältige meinung/ die ich
in dem freundlichen vertrauen/ so derselbe mir gemacht/ habe überschrei-
ben wollen/ der zuversicht/ daß derselbe die sache in der furcht des HErrn
erwegen/ und dieses schreiben alß vor sich behalten werde/ daß es mir ohne
anstoß sey. 16. Jun. 1680.

SECTIO IX.

An einen vornehmen Politicum. Verderben in
unserer kirchen. Jch und
Horbius treiben nicht bloß auf ein
moral-leben/ sondern dabey eine hertzens änderung aus
dem glauben sich findet. Ob in
modo gefehlet werde. Von
den wiedrigen aufgebrachten nahmen der neuen Christen/
Pietisten: geschiehet ohne unsere schuld. Hochachtung Lu-
theri/ dem viele nicht nachfolgen.

BEdancke mich zum fördersten der grossen gewogenheit gegen mich und
meinen geliebten Schwager Hr. Horbium, vornemlich aber und mei-
stens gegen die gute sache GOttes/ die wir zutreiben nach allem ver-
mögen gern wollen beflissen sein. Es ist freylich an dem/ wie E. Excell.
vernünfftig bezeugen/ daß wir prediger meiste mehr suchen/ uns selbst groß
und reich/ weder andere fromm/ zu machen. Daher entstehen alle ärgernis
und übriges übel unserer kirchen/ über welches wir zu klagen haben/ und er-
breitet sich die kranckheit aus dem haupt und hertzen in die übrige glieder.

Deß-
Bbb 3

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX.
koͤnnen/ daß ihnen der mangel des elenchi nominalis nichts geſchadet haͤtte/
beraubet/ und nachmahl ihnen ſolche vorgeſetzet wuͤrden/ die nicht nur willig
ſolchen unterlieſſen/ ſondern wohl gar endlich heimliche verraͤther unſerer
warheit wuͤrden/ zu dem euſerſten verderben der kirchen. Daß alſo/ wo wir/
wie wir ſollen/ auf das thaͤtige beſte der kirchen ſehen/ dieſelbe zwar von der
omiſſione elenchi ſchaden haben/ aber noch groͤſſern ſchaden gewiß haben
wuͤrde von der wiederſetzung/ wo aber allezeit unter zweyerley gefahren die
geringſte zu erwehlen. Dem nicht entgegen ſtehen mag/ daß man nicht boͤſes
thun ſolle/ daß gutes daraus erſolge. Dann ſolche regel geſtehe ich gern/ a-
ber glaube hingegen/ daß wohl zu weilen etwas gutes moͤge unterlaſſen wer-
den/ daß nicht ein mehreres gute verhindert oder boͤſes verurſachet werde.
Wie ohne das die gewoͤhnliche regel iſt: Præcepta negativa obligant ad
ſemper: non item affirmativa.
Dieſes iſt meine einfaͤltige meinung/ die ich
in dem freundlichen vertrauen/ ſo derſelbe mir gemacht/ habe uͤberſchrei-
ben wollen/ der zuverſicht/ daß derſelbe die ſache in der furcht des HErrn
erwegen/ und dieſes ſchreiben alß vor ſich behalten werde/ daß es mir ohne
anſtoß ſey. 16. Jun. 1680.

SECTIO IX.

An einen vornehmen Politicum. Verderben in
unſerer kirchen. Jch und
Horbius treiben nicht bloß auf ein
moral-leben/ ſondern dabey eine hertzens aͤnderung aus
dem glauben ſich findet. Ob in
modo gefehlet werde. Von
den wiedrigen aufgebrachten nahmen der neuen Chriſten/
Pietiſten: geſchiehet ohne unſere ſchuld. Hochachtung Lu-
theri/ dem viele nicht nachfolgen.

BEdancke mich zum foͤrderſten der groſſen gewogenheit gegen mich und
meinen geliebten Schwager Hr. Horbium, vornemlich aber und mei-
ſtens gegen die gute ſache GOttes/ die wir zutreiben nach allem ver-
moͤgen gern wollen befliſſen ſein. Es iſt freylich an dem/ wie E. Excell.
vernuͤnfftig bezeugen/ daß wir prediger meiſte mehr ſuchen/ uns ſelbſt groß
und reich/ weder andere fromm/ zu machen. Daher entſtehen alle aͤrgernis
und uͤbriges uͤbel unſerer kirchen/ uͤber welches wir zu klagen haben/ und er-
breitet ſich die kranckheit aus dem haupt und hertzen in die uͤbrige glieder.

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Bbb 3
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[381/0399] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX. koͤnnen/ daß ihnen der mangel des elenchi nominalis nichts geſchadet haͤtte/ beraubet/ und nachmahl ihnen ſolche vorgeſetzet wuͤrden/ die nicht nur willig ſolchen unterlieſſen/ ſondern wohl gar endlich heimliche verraͤther unſerer warheit wuͤrden/ zu dem euſerſten verderben der kirchen. Daß alſo/ wo wir/ wie wir ſollen/ auf das thaͤtige beſte der kirchen ſehen/ dieſelbe zwar von der omiſſione elenchi ſchaden haben/ aber noch groͤſſern ſchaden gewiß haben wuͤrde von der wiederſetzung/ wo aber allezeit unter zweyerley gefahren die geringſte zu erwehlen. Dem nicht entgegen ſtehen mag/ daß man nicht boͤſes thun ſolle/ daß gutes daraus erſolge. Dann ſolche regel geſtehe ich gern/ a- ber glaube hingegen/ daß wohl zu weilen etwas gutes moͤge unterlaſſen wer- den/ daß nicht ein mehreres gute verhindert oder boͤſes verurſachet werde. Wie ohne das die gewoͤhnliche regel iſt: Præcepta negativa obligant ad ſemper: non item affirmativa. Dieſes iſt meine einfaͤltige meinung/ die ich in dem freundlichen vertrauen/ ſo derſelbe mir gemacht/ habe uͤberſchrei- ben wollen/ der zuverſicht/ daß derſelbe die ſache in der furcht des HErrn erwegen/ und dieſes ſchreiben alß vor ſich behalten werde/ daß es mir ohne anſtoß ſey. 16. Jun. 1680. SECTIO IX. An einen vornehmen Politicum. Verderben in unſerer kirchen. Jch und Horbius treiben nicht bloß auf ein moral-leben/ ſondern dabey eine hertzens aͤnderung aus dem glauben ſich findet. Ob in modo gefehlet werde. Von den wiedrigen aufgebrachten nahmen der neuen Chriſten/ Pietiſten: geſchiehet ohne unſere ſchuld. Hochachtung Lu- theri/ dem viele nicht nachfolgen. BEdancke mich zum foͤrderſten der groſſen gewogenheit gegen mich und meinen geliebten Schwager Hr. Horbium, vornemlich aber und mei- ſtens gegen die gute ſache GOttes/ die wir zutreiben nach allem ver- moͤgen gern wollen befliſſen ſein. Es iſt freylich an dem/ wie E. Excell. vernuͤnfftig bezeugen/ daß wir prediger meiſte mehr ſuchen/ uns ſelbſt groß und reich/ weder andere fromm/ zu machen. Daher entſtehen alle aͤrgernis und uͤbriges uͤbel unſerer kirchen/ uͤber welches wir zu klagen haben/ und er- breitet ſich die kranckheit aus dem haupt und hertzen in die uͤbrige glieder. Deß- Bbb 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/399>, abgerufen am 22.11.2024.