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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
GOTT nicht. p. 12. Wer nicht rein wird von muthwilligen sün-
den/ alsdenn auch der böse vorsatz selbst auff gewisse masse eine muth-
willige sünde heisset/ wer nun den bösen vorsatz behält sein lebenlang/
ein solcher verdirbt auch gar in seiner gottlosigkeit.
Und wiederum:
das kan nicht beysammen stehen: Ein wahrer Christ seyn/ und in
muthwilligen sünden leben.
Man sehe auch in dem buch p. 148. 247. 364.
377
wo gleich lautendes angetroffen wird werden. Dahin gehören auch die wort
pag. 320. Gott hatt nur die besten Christen außerwehlt/ die will er se-
lig machen.
Alle solche arten zureden und propositiones mögten nun leicht in
solchen verstand gefasset werden/ welcher gantz falsch und ketzerisch wäre/ nehm-
lich ob wäre GOTT keinen gnädig/ der einmahl eine todsünde begangen/ oder eine
zeitlang darinnen beharret hätte/ wie wir sehen/ daß einige sich bey gehaltenen pre-
digten solches eingebildet. Aber p. 384. und Einschärff. p. 10. begegnet er densel-
ben also gnugsam/ und zeiget in dem gantzen buch/ daß seine meynung nicht seye/ den
jenigen/ welche muthwillig gesündiget/ die buß und göttliche gnade abzusprechen/
sondern/ allein zuzeigen/ daß vor ablegung solcher muthwilligen sünde kei-
ner zu gnaden kommen/ oder vor einen bußfertigen erkandt werden könne. Da-
her/ wo man die worte nicht obenhin/ sondern genau betrachtet/ ist so wohl an den-
selben/ als an der sache selbst kein fehler. Aber das muß dabey gemercket werden
daß solche Propositiones zuverstehen seyen in sensu composito/ wie man in schu-
len redet. Wer in einer eintzigen muthwilligen sünden lebt/ (nehmlich so fern und
so lang er darinnen lebt) hat keinen theil am reich Christi u. s. f. Daher in etli-
chen gar wohl darzu gesetzt wird/ beharrlich/ item forttreibet. Daß also von
denen geredet werde/ welche in solcher ihrer boßheit verharren/ und darinnen hin-
sterben. Gleichwohl gehets andere auch an/ als lang und viel sie muthwillig in
solcher boßheit verharren/ ob wohl diesen noch die gnadenthür offenstehet/ aber
wo sie ihre boßheit verlassen: So lang sie aber in solcher verbleiben/ so gilt es ih-
nen gleichfalls (wie also auch allein in solchem sensu composito zunehmen sind/ die
wort Praef. p. 4. Gleich als ob ein solcher/ der so gelebet/ gleichwohl ordent-
licher weise seligkeit hoffenkönte.
Und/ als ob solche könten auch hoffnung
haben zur seligkeit/ die die s[ü]nde immer wieder in sich herrschen lassen.
Jn
dem buch pag. 9. Welcher mensch nicht so viel als er kan in dieser schwachheit
sich befleißiget in geistlichem erkäntnüß zu wachsen/ der darff keine seligkeit
hoffen.
Und welche wort weiterer erläuterung bedörffen. Praef. p. 26. 27. Wer
nicht auch in diesem leben gelangt zu der ihm gleichwohl geziemenden
Christlichen vollkommenheit/ auch in erkäntnüß/ der wird auch die himm-
lische vollkommenheit gar nicht erlangen
) Diese lehre ins gesamt/ daß bey ei-
ner herrschenden und muthwilligen sünde keine seeligkeit zuhoffen seye/ ist unter an-

dern

Das ſechſte Capitel.
GOTT nicht. p. 12. Wer nicht rein wird von muthwilligen ſuͤn-
den/ alsdenn auch der boͤſe vorſatz ſelbſt auff gewiſſe maſſe eine muth-
willige ſuͤnde heiſſet/ wer nun den boͤſen vorſatz behaͤlt ſein lebenlang/
ein ſolcher verdirbt auch gar in ſeiner gottloſigkeit.
Und wiederum:
das kan nicht beyſammen ſtehen: Ein wahrer Chriſt ſeyn/ und in
muthwilligen ſuͤnden leben.
Man ſehe auch in dem buch p. 148. 247. 364.
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wo gleich lautendes angetroffen wird werden. Dahin gehoͤren auch die wort
pag. 320. Gott hatt nur die beſten Chꝛiſten außeꝛwehlt/ die will er ſe-
lig machen.
Alle ſolche arten zureden und propoſitiones moͤgten nun leicht in
ſolchen verſtand gefaſſet werden/ welcher gantz falſch und ketzeriſch waͤre/ nehm-
lich ob waͤre GOTT keinen gnaͤdig/ der einmahl eine todſuͤnde begangen/ oder eine
zeitlang darinnen beharret haͤtte/ wie wir ſehen/ daß einige ſich bey gehaltenen pre-
digten ſolches eingebildet. Aber p. 384. und Einſchaͤrff. p. 10. begegnet er denſel-
ben alſo gnugſam/ und zeiget in dem gantzen buch/ daß ſeine meynung nicht ſeye/ den
jenigen/ welche muthwillig geſuͤndiget/ die buß und goͤttliche gnade abzuſprechen/
ſondern/ allein zuzeigen/ daß vor ablegung ſolcher muthwilligen ſuͤnde kei-
ner zu gnaden kommen/ oder vor einen bußfertigen erkandt werden koͤnne. Da-
her/ wo man die worte nicht obenhin/ ſondern genau betrachtet/ iſt ſo wohl an den-
ſelben/ als an der ſache ſelbſt kein fehler. Aber das muß dabey gemercket werden
daß ſolche Propoſitiones zuverſtehen ſeyen in ſenſu compoſito/ wie man in ſchu-
len redet. Wer in einer eintzigen muthwilligen ſuͤnden lebt/ (nehmlich ſo fern und
ſo lang er darinnen lebt) hat keinen theil am reich Chriſti u. ſ. f. Daher in etli-
chen gar wohl darzu geſetzt wird/ beharrlich/ item forttreibet. Daß alſo von
denen geredet werde/ welche in ſolcher ihrer boßheit verharren/ und darinnen hin-
ſterben. Gleichwohl gehets andere auch an/ als lang und viel ſie muthwillig in
ſolcher boßheit verharren/ ob wohl dieſen noch die gnadenthuͤr offenſtehet/ aber
wo ſie ihre boßheit verlaſſen: So lang ſie aber in ſolcher verbleiben/ ſo gilt es ih-
nen gleichfalls (wie alſo auch allein in ſolchem ſenſu compoſito zunehmen ſind/ die
wort Præf. p. 4. Gleich als ob ein ſolcher/ der ſo gelebet/ gleichwohl ordent-
licher weiſe ſeligkeit hoffenkoͤnte.
Und/ als ob ſolche koͤnten auch hoffnung
haben zur ſeligkeit/ die die ſ[uͤ]nde immer wieder in ſich herrſchen laſſen.
Jn
dem buch pag. 9. Welcher menſch nicht ſo viel als er kan in dieſer ſchwachheit
ſich befleißiget in geiſtlichem erkaͤntnuͤß zu wachſen/ der darff keine ſeligkeit
hoffen.
Und welche wort weiterer erlaͤuterung bedoͤrffen. Præf. p. 26. 27. Wer
nicht auch in dieſem leben gelangt zu der ihm gleichwohl geziemenden
Chriſtlichen vollkommenheit/ auch in erkaͤntnuͤß/ der wird auch die himm-
liſche vollkommenheit gar nicht erlangen
) Dieſe lehre ins geſamt/ daß bey ei-
ner herrſchenden und muthwilligen ſuͤnde keine ſeeligkeit zuhoffen ſeye/ iſt unter an-

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[28/0046] Das ſechſte Capitel. GOTT nicht. p. 12. Wer nicht rein wird von muthwilligen ſuͤn- den/ alsdenn auch der boͤſe vorſatz ſelbſt auff gewiſſe maſſe eine muth- willige ſuͤnde heiſſet/ wer nun den boͤſen vorſatz behaͤlt ſein lebenlang/ ein ſolcher verdirbt auch gar in ſeiner gottloſigkeit. Und wiederum: das kan nicht beyſammen ſtehen: Ein wahrer Chriſt ſeyn/ und in muthwilligen ſuͤnden leben. Man ſehe auch in dem buch p. 148. 247. 364. 377 wo gleich lautendes angetroffen wird werden. Dahin gehoͤren auch die wort pag. 320. Gott hatt nur die beſten Chꝛiſten außeꝛwehlt/ die will er ſe- lig machen. Alle ſolche arten zureden und propoſitiones moͤgten nun leicht in ſolchen verſtand gefaſſet werden/ welcher gantz falſch und ketzeriſch waͤre/ nehm- lich ob waͤre GOTT keinen gnaͤdig/ der einmahl eine todſuͤnde begangen/ oder eine zeitlang darinnen beharret haͤtte/ wie wir ſehen/ daß einige ſich bey gehaltenen pre- digten ſolches eingebildet. Aber p. 384. und Einſchaͤrff. p. 10. begegnet er denſel- ben alſo gnugſam/ und zeiget in dem gantzen buch/ daß ſeine meynung nicht ſeye/ den jenigen/ welche muthwillig geſuͤndiget/ die buß und goͤttliche gnade abzuſprechen/ ſondern/ allein zuzeigen/ daß vor ablegung ſolcher muthwilligen ſuͤnde kei- ner zu gnaden kommen/ oder vor einen bußfertigen erkandt werden koͤnne. Da- her/ wo man die worte nicht obenhin/ ſondern genau betrachtet/ iſt ſo wohl an den- ſelben/ als an der ſache ſelbſt kein fehler. Aber das muß dabey gemercket werden daß ſolche Propoſitiones zuverſtehen ſeyen in ſenſu compoſito/ wie man in ſchu- len redet. Wer in einer eintzigen muthwilligen ſuͤnden lebt/ (nehmlich ſo fern und ſo lang er darinnen lebt) hat keinen theil am reich Chriſti u. ſ. f. Daher in etli- chen gar wohl darzu geſetzt wird/ beharrlich/ item forttreibet. Daß alſo von denen geredet werde/ welche in ſolcher ihrer boßheit verharren/ und darinnen hin- ſterben. Gleichwohl gehets andere auch an/ als lang und viel ſie muthwillig in ſolcher boßheit verharren/ ob wohl dieſen noch die gnadenthuͤr offenſtehet/ aber wo ſie ihre boßheit verlaſſen: So lang ſie aber in ſolcher verbleiben/ ſo gilt es ih- nen gleichfalls (wie alſo auch allein in ſolchem ſenſu compoſito zunehmen ſind/ die wort Præf. p. 4. Gleich als ob ein ſolcher/ der ſo gelebet/ gleichwohl ordent- licher weiſe ſeligkeit hoffenkoͤnte. Und/ als ob ſolche koͤnten auch hoffnung haben zur ſeligkeit/ die die ſuͤnde immer wieder in ſich herrſchen laſſen. Jn dem buch pag. 9. Welcher menſch nicht ſo viel als er kan in dieſer ſchwachheit ſich befleißiget in geiſtlichem erkaͤntnuͤß zu wachſen/ der darff keine ſeligkeit hoffen. Und welche wort weiterer erlaͤuterung bedoͤrffen. Præf. p. 26. 27. Wer nicht auch in dieſem leben gelangt zu der ihm gleichwohl geziemenden Chriſtlichen vollkommenheit/ auch in erkaͤntnuͤß/ der wird auch die himm- liſche vollkommenheit gar nicht erlangen) Dieſe lehre ins geſamt/ daß bey ei- ner herrſchenden und muthwilligen ſuͤnde keine ſeeligkeit zuhoffen ſeye/ iſt unter an- dern

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/46>, abgerufen am 09.11.2024.