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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXXIX.
freude würdig/ als wo man die ehre des HERREN und der selen heil befördert
sihet? Dieses ob wohl betrüblich/ ists doch beyneben eine gute anzeige/ daß das
wort treulich getrieben werde/ und der teuffel es fühlen muß/ daß es ihm weh thue/
weil er sich anfängt in seinen werckzeugen zu regen. Das erste betreffend/ da sich
etzliche gute früchte zeigen/ haben wir nicht allein davor den HERREN/ so das
gedeyen zu dem pflantzen und begiessen gegeben/ demüthig zu dancken/ sondern auch
eines theils desto getroster fortzufahren/ da solcher segen uns weiset/ unser werck
und arbeit gefalle GOTT wohl andern theils doch auch mit gedult des wachs-
thums zu erwarten. Jch weiß wie es hierinnen zu weilen lieben hertzen gehet/
daß ich deswegen solches gern melde: Daß nehmlich offters Christliche lehrer/ ob
sie wohl ein und anders gutes bey ihren gemeinden anfangen zu sehen/ daß das böse
etwas abnimmt/ und hingegen ein anfang des guten sich weiset/ weil sie aber fin-
den/ das solcher anfang noch gar schwach/ und des bösen so viel noch vorhanden ist/
sich nicht so wohl über jene göttliche gnade erfreuen/ und sich damit auffmuntern
lassen/ als nur stäts nidergeschlagen bleiben/ weil sie noch nicht so vieles ausrichten
können/ als sie verlangt/ und freylich zuwünschen wäre; Damit sie aber so wohl
zu dem danck gegen GOTT vor daß gewürckte/ als auch zu freudiger fortsetzung
der arbeit/ so als dann so viel besser von statten gehen würde/ fast träge/
oder ihnen doch ihre verrichtungen deswegen so viel schwehrer gemacht werden/ zu
geschweigen daß auch der muth einer gemeinde/ auch den besten aus ihnen/ sehr fäl-
let/ wo sie meinen/ man achte des jenigen guten an ihnen gar nicht/ was gleich wol
bereits angefangen ist; Wie wir hingegen sehen/ daß zu weilen die Apostel auch
solchen gemeinden/ daran sie gleichwohl noch vileles zu straffen gehabt/ in den brief-
fen an sie einiges lob haben widerfahren lassen/ sie damit in dem guten anfang desto
eiffriger fortfahren zu machen. Wir wissen wohl aus der natur/ und werden
von unserem liebsten Erlöser selbs darauff gewiesen Marc. 4. daß der same/ ob er
auch ein gut land antrifft/ nicht stracks die zeitige frucht bringe/ sondern es gibet
erstlich eine grüne saat/ die schier von einer wiese wenig unterscheid hat/
nachmahl fangen erst die halmen an auffzuschiessen und gibts ähren/ bis auch die-
selbe durch die zeit reiff werden. Daher wo wir nur erstlich einige ob wohl schwa-
che anfänge einer änderung gewahr werden/ soll uns solches schon einen muth ma-
chen zu glauben/ es werden auch allgemach die ähren und in demselben die körner
folgen. Wo mit ich zwar nicht sagen will/ daß man da wo ein anfang sich zeiget/ solle
nachläßig werden/ und davor halten/ es seye nun gnug/ wo mans nur dabey erhal-
te/ sondern wir müssen immer drauff sehen/ und den anfang bey uns und andern
eine auffmunterung zu mehrern fleiß werden lassen. Was die lästerung belangt/
daß es fchon heissen will/ er seye nicht gut Lutherisch/ lasse sich geliebter bruder die
sache auch nicht fremd vorkommen/ als der so viel liebe exempel anderer brüder hat/
denen es allezeit auch so gegangen. Jedoch wird von nöthen seyn/ solcher läste-

rung
Ppp 2

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXXIX.
freude wuͤrdig/ als wo man die ehre des HERREN und der ſelen heil befoͤrdert
ſihet? Dieſes ob wohl betruͤblich/ iſts doch beyneben eine gute anzeige/ daß das
wort treulich getrieben werde/ und der teuffel es fuͤhlen muß/ daß es ihm weh thue/
weil er ſich anfaͤngt in ſeinen werckzeugen zu regen. Das erſte betreffend/ da ſich
etzliche gute fruͤchte zeigen/ haben wir nicht allein davor den HERREN/ ſo das
gedeyen zu dem pflantzen und begieſſen gegeben/ demuͤthig zu dancken/ ſondern auch
eines theils deſto getroſter fortzufahren/ da ſolcher ſegen uns weiſet/ unſer werck
und arbeit gefalle GOTT wohl andern theils doch auch mit gedult des wachs-
thums zu erwarten. Jch weiß wie es hierinnen zu weilen lieben hertzen gehet/
daß ich deswegen ſolches gern melde: Daß nehmlich offters Chriſtliche lehrer/ ob
ſie wohl ein und anders gutes bey ihren gemeinden anfangen zu ſehen/ daß das boͤſe
etwas abnimmt/ und hingegen ein anfang des guten ſich weiſet/ weil ſie aber fin-
den/ das ſolcher anfang noch gar ſchwach/ und des boͤſen ſo viel noch vorhanden iſt/
ſich nicht ſo wohl uͤber jene goͤttliche gnade erfreuen/ und ſich damit auffmuntern
laſſen/ als nur ſtaͤts nidergeſchlagen bleiben/ weil ſie noch nicht ſo vieles ausrichten
koͤnnen/ als ſie verlangt/ und freylich zuwuͤnſchen waͤre; Damit ſie aber ſo wohl
zu dem danck gegen GOTT vor daß gewuͤrckte/ als auch zu freudiger fortſetzung
der arbeit/ ſo als dann ſo viel beſſer von ſtatten gehen wuͤrde/ faſt traͤge/
oder ihnen doch ihre verrichtungen deswegen ſo viel ſchwehrer gemacht werden/ zu
geſchweigen daß auch der muth einer gemeinde/ auch den beſten aus ihnen/ ſehr faͤl-
let/ wo ſie meinen/ man achte des jenigen guten an ihnen gar nicht/ was gleich wol
bereits angefangen iſt; Wie wir hingegen ſehen/ daß zu weilen die Apoſtel auch
ſolchen gemeinden/ daran ſie gleichwohl noch vileles zu ſtraffen gehabt/ in den brief-
fen an ſie einiges lob haben widerfahren laſſen/ ſie damit in dem guten anfang deſto
eiffriger fortfahren zu machen. Wir wiſſen wohl aus der natur/ und werden
von unſerem liebſten Erloͤſer ſelbs darauff gewieſen Marc. 4. daß der ſame/ ob er
auch ein gut land antrifft/ nicht ſtracks die zeitige frucht bringe/ ſondern es gibet
erſtlich eine gruͤne ſaat/ die ſchier von einer wieſe wenig unterſcheid hat/
nachmahl fangen erſt die halmen an auffzuſchieſſen und gibts aͤhren/ bis auch die-
ſelbe durch die zeit reiff werden. Daher wo wir nur erſtlich einige ob wohl ſchwa-
che anfaͤnge einer aͤnderung gewahr werden/ ſoll uns ſolches ſchon einen muth ma-
chen zu glauben/ es werden auch allgemach die aͤhren und in demſelben die koͤrner
folgen. Wo mit ich zwar nicht ſagen will/ daß man da wo ein anfang ſich zeiget/ ſolle
nachlaͤßig werden/ und davor halten/ es ſeye nun gnug/ wo mans nur dabey erhal-
te/ ſondern wir muͤſſen immer drauff ſehen/ und den anfang bey uns und andern
eine auffmunterung zu mehrern fleiß werden laſſen. Was die laͤſterung belangt/
daß es fchon heiſſen will/ er ſeye nicht gut Lutheriſch/ laſſe ſich geliebter bruder die
ſache auch nicht fremd vorkommen/ als der ſo viel liebe exempel anderer bruͤder hat/
denen es allezeit auch ſo gegangen. Jedoch wird von noͤthen ſeyn/ ſolcher laͤſte-

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[483/0501] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXXIX. freude wuͤrdig/ als wo man die ehre des HERREN und der ſelen heil befoͤrdert ſihet? Dieſes ob wohl betruͤblich/ iſts doch beyneben eine gute anzeige/ daß das wort treulich getrieben werde/ und der teuffel es fuͤhlen muß/ daß es ihm weh thue/ weil er ſich anfaͤngt in ſeinen werckzeugen zu regen. Das erſte betreffend/ da ſich etzliche gute fruͤchte zeigen/ haben wir nicht allein davor den HERREN/ ſo das gedeyen zu dem pflantzen und begieſſen gegeben/ demuͤthig zu dancken/ ſondern auch eines theils deſto getroſter fortzufahren/ da ſolcher ſegen uns weiſet/ unſer werck und arbeit gefalle GOTT wohl andern theils doch auch mit gedult des wachs- thums zu erwarten. Jch weiß wie es hierinnen zu weilen lieben hertzen gehet/ daß ich deswegen ſolches gern melde: Daß nehmlich offters Chriſtliche lehrer/ ob ſie wohl ein und anders gutes bey ihren gemeinden anfangen zu ſehen/ daß das boͤſe etwas abnimmt/ und hingegen ein anfang des guten ſich weiſet/ weil ſie aber fin- den/ das ſolcher anfang noch gar ſchwach/ und des boͤſen ſo viel noch vorhanden iſt/ ſich nicht ſo wohl uͤber jene goͤttliche gnade erfreuen/ und ſich damit auffmuntern laſſen/ als nur ſtaͤts nidergeſchlagen bleiben/ weil ſie noch nicht ſo vieles ausrichten koͤnnen/ als ſie verlangt/ und freylich zuwuͤnſchen waͤre; Damit ſie aber ſo wohl zu dem danck gegen GOTT vor daß gewuͤrckte/ als auch zu freudiger fortſetzung der arbeit/ ſo als dann ſo viel beſſer von ſtatten gehen wuͤrde/ faſt traͤge/ oder ihnen doch ihre verrichtungen deswegen ſo viel ſchwehrer gemacht werden/ zu geſchweigen daß auch der muth einer gemeinde/ auch den beſten aus ihnen/ ſehr faͤl- let/ wo ſie meinen/ man achte des jenigen guten an ihnen gar nicht/ was gleich wol bereits angefangen iſt; Wie wir hingegen ſehen/ daß zu weilen die Apoſtel auch ſolchen gemeinden/ daran ſie gleichwohl noch vileles zu ſtraffen gehabt/ in den brief- fen an ſie einiges lob haben widerfahren laſſen/ ſie damit in dem guten anfang deſto eiffriger fortfahren zu machen. Wir wiſſen wohl aus der natur/ und werden von unſerem liebſten Erloͤſer ſelbs darauff gewieſen Marc. 4. daß der ſame/ ob er auch ein gut land antrifft/ nicht ſtracks die zeitige frucht bringe/ ſondern es gibet erſtlich eine gruͤne ſaat/ die ſchier von einer wieſe wenig unterſcheid hat/ nachmahl fangen erſt die halmen an auffzuſchieſſen und gibts aͤhren/ bis auch die- ſelbe durch die zeit reiff werden. Daher wo wir nur erſtlich einige ob wohl ſchwa- che anfaͤnge einer aͤnderung gewahr werden/ ſoll uns ſolches ſchon einen muth ma- chen zu glauben/ es werden auch allgemach die aͤhren und in demſelben die koͤrner folgen. Wo mit ich zwar nicht ſagen will/ daß man da wo ein anfang ſich zeiget/ ſolle nachlaͤßig werden/ und davor halten/ es ſeye nun gnug/ wo mans nur dabey erhal- te/ ſondern wir muͤſſen immer drauff ſehen/ und den anfang bey uns und andern eine auffmunterung zu mehrern fleiß werden laſſen. Was die laͤſterung belangt/ daß es fchon heiſſen will/ er ſeye nicht gut Lutheriſch/ laſſe ſich geliebter bruder die ſache auch nicht fremd vorkommen/ als der ſo viel liebe exempel anderer bruͤder hat/ denen es allezeit auch ſo gegangen. Jedoch wird von noͤthen ſeyn/ ſolcher laͤſte- rung Ppp 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/501>, abgerufen am 22.11.2024.