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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV.
ist freylich wahr/ daß CHRJSTUS und Paulus in Luthero aller orten heraus
leuchtet und der articul vom glauben und dessen früchten vielleicht nach den zei-
ten der Apostel schwehrlich von jemand so nachdrücklich wird tractiret worden seyn/
daher auch wo solche schrifften fleißiger gelesen würden/ nicht zweiffelte/ es solten
viel auff Acedemien einen bessern grund legen/ als sie jetzt davon in die dienste brin-
gen. Jndessen verlange so wenig als der liebe mann selbs verlangt hat/ daß man
seine schrifften apotheosire/ sondern wie ich eine theure geistes krafft in ihm antref-
fe/ so finde ich doch auch den menschen darinnen/ sonderlich wo er über die Prophe-
ten schreibet/ daß er vielleicht die meinung des heiligen Geistes nicht allemahl mag
erreichet haben. Auff daß ja ein unterscheid bleibe unter dem blossen GOttes und
menschen wort/ auch von denjenigen geredet/ die in einem grossen liecht des geistes
gestanden sind. Jch habe eben auch dieses mit verwunderung/ was der HERR
bemercket/ wahrgenommen/ daß der liebe mann von den letzten zeiten dasjenige
nicht erkant/ was sonsten nicht eben so dunckel in der schrifft stehet. Ob ich wohl
in der zu seiner zeit/ gedruckten kirchenpostill/ einen schönen ort/ (so nach seinen
tod geändert worden) angetroffen habe/ von bekehrung der Juden. Aber wir
haben unserem GOtt seine freyheit nicht zu disputiren/ nach dero er macht hat/ un-
ter seinen dienern seine gaben nach seinem wohlgefallen auszutheilen und können
alles zugeben/ ja wohl gar zu weilen einigen hocherleuchteten andere dinge zuverber-
gen/ welche von andern in einem viel schwächern liecht erkant worden sind. Jm
übrigem wo ich einigen Lutheri schrifften recommendiren kan/ so thue ich es gern.
Jch komme nun auff den 3ten brieff von 8. Sept. Da ich sehe daß der HErr aus
liebreichem vertrauen gegen mich/ mir die von GOTT ihm gegebene gaben mit-
zutheilen verlangt/ in der absicht/ daß durch mich solche an andere weiter fort son-
derlich in oberteutschland gebracht/ und ihrer mehrern damit genutzet werde. Vor
solche freundliche liebe bedancke mich schuldiger massen/ leugne auch nicht/ daß mirs
durch GOttes gnade an druckern und verlegern nicht mangelt/ das jenige/ so ich
zu der Christlichen kirchen erbauung dienlich zu seyn erachte/ zu publiciren/ und
unter die leut zu bringen: ich bin auch bereit/ wo mir GOTT selbs etwas weite-
res als bißdaher zuerkennen geben jolte/ oder wann durch den Herren oder andere
gute freunde/ wie ich mich nicht zu gut düncke/ von jedem zu lernen/ etwas empfan-
ge/ so ich der Evangelischen Christlichen kirchen diensam und den willen des HErrn
gemäß verstehe/ ein solches ungesäumt/ nach dem mir GOtt gelegenheit zeiget/ an-
dern gemein zu machen: und solte ich GOtt hertzlich dancken/ wo er mir die gnade
gebe/ in dingen/ die selbst vor mich zu finden zu schwach gewesen wäre/ das werck-
zeuge zu seyn/ anderer bessere partus an das liecht helffen zu bringen. Jch sinde
aber aus mehrmahliger übe[r]lesung des brieffs doch nichts/ was mir dann darinnen
zu erkennen gegeben werde/ und zu anderer heil grosses contribuiren solte. Wie
dieses meine so offtere klage ist/ daß man nicht gantz deutlich sage/ was man wolle

und

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV.
iſt freylich wahr/ daß CHRJSTUS und Paulus in Luthero aller orten heraus
leuchtet und der articul vom glauben und deſſen fruͤchten vielleicht nach den zei-
ten der Apoſtel ſchwehrlich von jemand ſo nachdruͤcklich wird tractiret worden ſeyn/
daher auch wo ſolche ſchrifften fleißiger geleſen wuͤrden/ nicht zweiffelte/ es ſolten
viel auff Acedemien einen beſſern grund legen/ als ſie jetzt davon in die dienſte brin-
gen. Jndeſſen verlange ſo wenig als der liebe mann ſelbs verlangt hat/ daß man
ſeine ſchrifften apotheoſire/ ſondern wie ich eine theure geiſtes krafft in ihm antref-
fe/ ſo finde ich doch auch den menſchen darinnen/ ſonderlich wo er uͤber die Prophe-
ten ſchreibet/ daß er vielleicht die meinung des heiligen Geiſtes nicht allemahl mag
erreichet haben. Auff daß ja ein unterſcheid bleibe unter dem bloſſen GOttes und
menſchen wort/ auch von denjenigen geredet/ die in einem groſſen liecht des geiſtes
geſtanden ſind. Jch habe eben auch dieſes mit verwunderung/ was der HERR
bemercket/ wahrgenommen/ daß der liebe mann von den letzten zeiten dasjenige
nicht erkant/ was ſonſten nicht eben ſo dunckel in der ſchrifft ſtehet. Ob ich wohl
in der zu ſeiner zeit/ gedruckten kirchenpoſtill/ einen ſchoͤnen ort/ (ſo nach ſeinen
tod geaͤndert worden) angetroffen habe/ von bekehrung der Juden. Aber wir
haben unſerem GOtt ſeine freyheit nicht zu diſputiren/ nach dero er macht hat/ un-
ter ſeinen dienern ſeine gaben nach ſeinem wohlgefallen auszutheilen und koͤnnen
alles zugeben/ ja wohl gar zu weilen einigen hocherleuchteten andere dinge zuverber-
gen/ welche von andern in einem viel ſchwaͤchern liecht erkant worden ſind. Jm
uͤbrigem wo ich einigen Lutheri ſchrifften recommendiren kan/ ſo thue ich es gern.
Jch komme nun auff den 3ten brieff von 8. Sept. Da ich ſehe daß der HErr aus
liebreichem vertrauen gegen mich/ mir die von GOTT ihm gegebene gaben mit-
zutheilen verlangt/ in der abſicht/ daß durch mich ſolche an andere weiter fort ſon-
derlich in oberteutſchland gebracht/ und ihrer mehrern damit genutzet werde. Vor
ſolche freundliche liebe bedancke mich ſchuldiger maſſen/ leugne auch nicht/ daß mirs
durch GOttes gnade an druckern und verlegern nicht mangelt/ das jenige/ ſo ich
zu der Chriſtlichen kirchen erbauung dienlich zu ſeyn erachte/ zu publiciren/ und
unter die leut zu bringen: ich bin auch bereit/ wo mir GOTT ſelbs etwas weite-
res als bißdaher zuerkennen geben jolte/ oder wann durch den Herren oder andere
gute freunde/ wie ich mich nicht zu gut duͤncke/ von jedem zu lernen/ etwas empfan-
ge/ ſo ich der Evangeliſchen Chriſtlichen kirchen dienſam und den willen des HErrn
gemaͤß verſtehe/ ein ſolches ungeſaͤumt/ nach dem mir GOtt gelegenheit zeiget/ an-
dern gemein zu machen: und ſolte ich GOtt hertzlich dancken/ wo er mir die gnade
gebe/ in dingen/ die ſelbſt vor mich zu finden zu ſchwach geweſen waͤre/ das werck-
zeuge zu ſeyn/ anderer beſſere partus an das liecht helffen zu bringen. Jch ſinde
aber aus mehrmahliger uͤbe[r]leſung des brieffs doch nichts/ was mir dann darinnen
zu erkennen gegeben werde/ und zu anderer heil groſſes contribuiren ſolte. Wie
dieſes meine ſo offtere klage iſt/ daß man nicht gantz deutlich ſage/ was man wolle

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[511/0529] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV. iſt freylich wahr/ daß CHRJSTUS und Paulus in Luthero aller orten heraus leuchtet und der articul vom glauben und deſſen fruͤchten vielleicht nach den zei- ten der Apoſtel ſchwehrlich von jemand ſo nachdruͤcklich wird tractiret worden ſeyn/ daher auch wo ſolche ſchrifften fleißiger geleſen wuͤrden/ nicht zweiffelte/ es ſolten viel auff Acedemien einen beſſern grund legen/ als ſie jetzt davon in die dienſte brin- gen. Jndeſſen verlange ſo wenig als der liebe mann ſelbs verlangt hat/ daß man ſeine ſchrifften apotheoſire/ ſondern wie ich eine theure geiſtes krafft in ihm antref- fe/ ſo finde ich doch auch den menſchen darinnen/ ſonderlich wo er uͤber die Prophe- ten ſchreibet/ daß er vielleicht die meinung des heiligen Geiſtes nicht allemahl mag erreichet haben. Auff daß ja ein unterſcheid bleibe unter dem bloſſen GOttes und menſchen wort/ auch von denjenigen geredet/ die in einem groſſen liecht des geiſtes geſtanden ſind. Jch habe eben auch dieſes mit verwunderung/ was der HERR bemercket/ wahrgenommen/ daß der liebe mann von den letzten zeiten dasjenige nicht erkant/ was ſonſten nicht eben ſo dunckel in der ſchrifft ſtehet. Ob ich wohl in der zu ſeiner zeit/ gedruckten kirchenpoſtill/ einen ſchoͤnen ort/ (ſo nach ſeinen tod geaͤndert worden) angetroffen habe/ von bekehrung der Juden. Aber wir haben unſerem GOtt ſeine freyheit nicht zu diſputiren/ nach dero er macht hat/ un- ter ſeinen dienern ſeine gaben nach ſeinem wohlgefallen auszutheilen und koͤnnen alles zugeben/ ja wohl gar zu weilen einigen hocherleuchteten andere dinge zuverber- gen/ welche von andern in einem viel ſchwaͤchern liecht erkant worden ſind. Jm uͤbrigem wo ich einigen Lutheri ſchrifften recommendiren kan/ ſo thue ich es gern. Jch komme nun auff den 3ten brieff von 8. Sept. Da ich ſehe daß der HErr aus liebreichem vertrauen gegen mich/ mir die von GOTT ihm gegebene gaben mit- zutheilen verlangt/ in der abſicht/ daß durch mich ſolche an andere weiter fort ſon- derlich in oberteutſchland gebracht/ und ihrer mehrern damit genutzet werde. Vor ſolche freundliche liebe bedancke mich ſchuldiger maſſen/ leugne auch nicht/ daß mirs durch GOttes gnade an druckern und verlegern nicht mangelt/ das jenige/ ſo ich zu der Chriſtlichen kirchen erbauung dienlich zu ſeyn erachte/ zu publiciren/ und unter die leut zu bringen: ich bin auch bereit/ wo mir GOTT ſelbs etwas weite- res als bißdaher zuerkennen geben jolte/ oder wann durch den Herren oder andere gute freunde/ wie ich mich nicht zu gut duͤncke/ von jedem zu lernen/ etwas empfan- ge/ ſo ich der Evangeliſchen Chriſtlichen kirchen dienſam und den willen des HErrn gemaͤß verſtehe/ ein ſolches ungeſaͤumt/ nach dem mir GOtt gelegenheit zeiget/ an- dern gemein zu machen: und ſolte ich GOtt hertzlich dancken/ wo er mir die gnade gebe/ in dingen/ die ſelbſt vor mich zu finden zu ſchwach geweſen waͤre/ das werck- zeuge zu ſeyn/ anderer beſſere partus an das liecht helffen zu bringen. Jch ſinde aber aus mehrmahliger uͤberleſung des brieffs doch nichts/ was mir dann darinnen zu erkennen gegeben werde/ und zu anderer heil groſſes contribuiren ſolte. Wie dieſes meine ſo offtere klage iſt/ daß man nicht gantz deutlich ſage/ was man wolle und

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/529>, abgerufen am 22.11.2024.