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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DIST. IV. SECT. XX.
von dero göttlichen wahrheit und krafft wir hingegen freylich eine empfindlichkeit
haben. Was aber die dinger anderer art sind/ die GOTT in uns würcket/ oder
wie er in uns wohnet/ als dahin die rechtfertigung/ heiligung/ wiedergeburth/ erneue-
rung/ krafft der Sacramenten und dergleichen gehören/ bekenne gern/ daß davon eine
empfindung hey uns seyen könne und solle/ auch bey den glaubigen ausser dem stande
der anfechtung sich dermassen finden werde: wie sich nemlich GOTT nicht unbe-
zeugt lasse denjenigen/ welche ihn lieben. Ja ob bey den angefochtenen/ es an der
empfindlichkeit des glaubens fehlet/ so sind sie dennoch nicht ohne gefühl derjenigen
früchten/ aus welchen man ihnen die wahrheit ihres glaubens also zeigen kan/ daß
es auch zu dessen empfindlichkeit kommen müste/ wo nicht GOTT aus ihm bekan-
ten H. ursachen/ solche annoch eine zeitlang zurück hielte. Also trennen wir das ge-
fühl nicht von dem glauben und unserem Christenthum/ wir setzens aber in seine rechte
ordnung: Damit wird so wohl beschämet derjenigen falsche einbildung/ welche
alles göttliche allein ausser sich haben/ und von einiger krafft in uns nichts wissen
wollen/ vielmehr dieselbe allerdings verlästeren. Hingegen wird zu keinen irrun-
gen ursach gegeben/ noch die göttliche wahrheit auff einen unrechten grund gesetzet.
Ach daß solches von allen recht erkandt würde! wie würde es so viel besser stehen/ und
nicht ein ärgernüß nach den andern erweckt werden. Was mich anlangt/ kennet meine
werthe Schwester mein hertz/ wie ich zu einigen gewaltsamen mittlen mein lebenlang
nicht geneigt bin/ sondern von gern mit und in liebe alles bessere. So habe ich mich
nicht gesondert/ sondern weist sie selbs/ daß es andere seyen/ die sich selbs abgesondert
haben/ von dem/ was ich ob wol vieler unordnung dabey geständig/ an sich selbs
gleichwohl göttlich erkenne/ als was aus göttlicher einsetzung herkommet. Sie sind
auch mehrmahl bey unterschiedlichen gelegenheiten selbs ihres fehlers erinnert/ und
zur wiederkehr gesuchet worden: so gar was auch offentlich von solcher materie zur
vrwahrung anderer gewissen und abwendung des ärgernüsses gehandlet werden
müssen/ ist aus liebe und einer so liebreichen art geschehen/ daß unpartheyi-
sche erkennen müßen/ man suche in einem mitleyden der sich sonderenden besserung.
Hingegen leugne nicht/ daß nach dem solches geschehen/ nicht anders kan/ als übri-
gen vertraulichern conversation mich zu entschlagen/ davon abermahl andere meh-
rere einen starcken anstoß fassen würden/ auff dero liebe ich so wol als auff jene zu
sehen habe. Ach der HErr beschehre auch hierinnen die nöthige Weißheit/ und
und gebe uus seinen willen wahrhafftig zu erkennen/ so denn denselben getreulich zu
thun. 1684.

SECTIO
Dddd 3

ARTIC. I. DIST. IV. SECT. XX.
von dero goͤttlichen wahrheit und krafft wir hingegen freylich eine empfindlichkeit
haben. Was aber die dinger anderer art ſind/ die GOTT in uns wuͤrcket/ oder
wie er in uns wohnet/ als dahin die rechtfertigung/ heiligung/ wiedergeburth/ erneue-
rung/ krafft der Sacramenten und dergleichen gehoͤren/ bekenne gern/ daß davon eine
empfindung hey uns ſeyen koͤnne und ſolle/ auch bey den glaubigen auſſer dem ſtande
der anfechtung ſich dermaſſen finden werde: wie ſich nemlich GOTT nicht unbe-
zeugt laſſe denjenigen/ welche ihn lieben. Ja ob bey den angefochtenen/ es an der
empfindlichkeit des glaubens fehlet/ ſo ſind ſie dennoch nicht ohne gefuͤhl derjenigen
fruͤchten/ aus welchen man ihnen die wahrheit ihres glaubens alſo zeigen kan/ daß
es auch zu deſſen empfindlichkeit kommen muͤſte/ wo nicht GOTT aus ihm bekan-
ten H. urſachen/ ſolche annoch eine zeitlang zuruͤck hielte. Alſo trennen wir das ge-
fuͤhl nicht von dem glauben und unſerem Chriſtenthum/ wir ſetzens aber in ſeine rechte
ordnung: Damit wird ſo wohl beſchaͤmet derjenigen falſche einbildung/ welche
alles goͤttliche allein auſſer ſich haben/ und von einiger krafft in uns nichts wiſſen
wollen/ vielmehr dieſelbe allerdings verlaͤſteren. Hingegen wird zu keinen irrun-
gen urſach gegeben/ noch die goͤttliche wahrheit auff einen unrechten grund geſetzet.
Ach daß ſolches von allen recht erkandt wuͤrde! wie wuͤrde es ſo viel beſſer ſtehen/ und
nicht ein aͤrgernuͤß nach den andern erweckt werden. Was mich anlangt/ keñet meine
werthe Schweſter mein hertz/ wie ich zu einigen gewaltſamen mittlen mein lebenlang
nicht geneigt bin/ ſondern von gern mit und in liebe alles beſſere. So habe ich mich
nicht geſondert/ ſondern weiſt ſie ſelbs/ daß es andere ſeyen/ die ſich ſelbs abgeſondert
haben/ von dem/ was ich ob wol vieler unordnung dabey geſtaͤndig/ an ſich ſelbs
gleichwohl goͤttlich erkenne/ als was aus goͤttlicher einſetzung herkommet. Sie ſind
auch mehrmahl bey unterſchiedlichen gelegenheiten ſelbs ihres fehlers erinnert/ und
zur wiederkehr geſuchet worden: ſo gar was auch offentlich von ſolcher materie zur
vrwahrung anderer gewiſſen und abwendung des aͤrgernuͤſſes gehandlet werden
muͤſſen/ iſt aus liebe und einer ſo liebreichen art geſchehen/ daß unpartheyi-
ſche erkennen muͤßen/ man ſuche in einem mitleyden der ſich ſonderenden beſſerung.
Hingegen leugne nicht/ daß nach dem ſolches geſchehen/ nicht anders kan/ als uͤbri-
gen vertraulichern converſation mich zu entſchlagen/ davon abermahl andere meh-
rere einen ſtarcken anſtoß faſſen wuͤrden/ auff dero liebe ich ſo wol als auff jene zu
ſehen habe. Ach der HErr beſchehre auch hierinnen die noͤthige Weißheit/ und
und gebe uus ſeinen willen wahrhafftig zu erkennen/ ſo denn denſelben getreulich zu
thun. 1684.

SECTIO
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[581/0599] ARTIC. I. DIST. IV. SECT. XX. von dero goͤttlichen wahrheit und krafft wir hingegen freylich eine empfindlichkeit haben. Was aber die dinger anderer art ſind/ die GOTT in uns wuͤrcket/ oder wie er in uns wohnet/ als dahin die rechtfertigung/ heiligung/ wiedergeburth/ erneue- rung/ krafft der Sacramenten und dergleichen gehoͤren/ bekenne gern/ daß davon eine empfindung hey uns ſeyen koͤnne und ſolle/ auch bey den glaubigen auſſer dem ſtande der anfechtung ſich dermaſſen finden werde: wie ſich nemlich GOTT nicht unbe- zeugt laſſe denjenigen/ welche ihn lieben. Ja ob bey den angefochtenen/ es an der empfindlichkeit des glaubens fehlet/ ſo ſind ſie dennoch nicht ohne gefuͤhl derjenigen fruͤchten/ aus welchen man ihnen die wahrheit ihres glaubens alſo zeigen kan/ daß es auch zu deſſen empfindlichkeit kommen muͤſte/ wo nicht GOTT aus ihm bekan- ten H. urſachen/ ſolche annoch eine zeitlang zuruͤck hielte. Alſo trennen wir das ge- fuͤhl nicht von dem glauben und unſerem Chriſtenthum/ wir ſetzens aber in ſeine rechte ordnung: Damit wird ſo wohl beſchaͤmet derjenigen falſche einbildung/ welche alles goͤttliche allein auſſer ſich haben/ und von einiger krafft in uns nichts wiſſen wollen/ vielmehr dieſelbe allerdings verlaͤſteren. Hingegen wird zu keinen irrun- gen urſach gegeben/ noch die goͤttliche wahrheit auff einen unrechten grund geſetzet. Ach daß ſolches von allen recht erkandt wuͤrde! wie wuͤrde es ſo viel beſſer ſtehen/ und nicht ein aͤrgernuͤß nach den andern erweckt werden. Was mich anlangt/ keñet meine werthe Schweſter mein hertz/ wie ich zu einigen gewaltſamen mittlen mein lebenlang nicht geneigt bin/ ſondern von gern mit und in liebe alles beſſere. So habe ich mich nicht geſondert/ ſondern weiſt ſie ſelbs/ daß es andere ſeyen/ die ſich ſelbs abgeſondert haben/ von dem/ was ich ob wol vieler unordnung dabey geſtaͤndig/ an ſich ſelbs gleichwohl goͤttlich erkenne/ als was aus goͤttlicher einſetzung herkommet. Sie ſind auch mehrmahl bey unterſchiedlichen gelegenheiten ſelbs ihres fehlers erinnert/ und zur wiederkehr geſuchet worden: ſo gar was auch offentlich von ſolcher materie zur vrwahrung anderer gewiſſen und abwendung des aͤrgernuͤſſes gehandlet werden muͤſſen/ iſt aus liebe und einer ſo liebreichen art geſchehen/ daß unpartheyi- ſche erkennen muͤßen/ man ſuche in einem mitleyden der ſich ſonderenden beſſerung. Hingegen leugne nicht/ daß nach dem ſolches geſchehen/ nicht anders kan/ als uͤbri- gen vertraulichern converſation mich zu entſchlagen/ davon abermahl andere meh- rere einen ſtarcken anſtoß faſſen wuͤrden/ auff dero liebe ich ſo wol als auff jene zu ſehen habe. Ach der HErr beſchehre auch hierinnen die noͤthige Weißheit/ und und gebe uus ſeinen willen wahrhafftig zu erkennen/ ſo denn denſelben getreulich zu thun. 1684. SECTIO Dddd 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/599>, abgerufen am 22.11.2024.