Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXIII. stes in ihre seele dringe/ so sie vo[r]hin eine weile gehindert hätten. Jn solcherhoffnung haben wir zu thun/ was wir können/ und das übrige den HERREN zu befehlen/ auff seine hülffe und besserung mit sehnen wartende. Was menschen satzungen anlangt/ wünschte ich selbs derselben weniger/ o- Die lust andere zu verketzern währet schon lang/ und mögen wirs fast allge- Daß auch der liebe Arndius noch so bösen nahmen bey einigen behält/ hindert Was anlangt die frage/ warum ohne ausdrücklichen consens der gantzen 1. Weil das binden die ausschliessung aus der gemeinde mit sich bringet/ wel- 2. Bey dem lösen hat es keine contradiction/ sondern ist derjenige der ge- te. Jiii 2
ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXIII. ſtes in ihre ſeele dringe/ ſo ſie vo[r]hin eine weile gehindert haͤtten. Jn ſolcherhoffnung haben wir zu thun/ was wir koͤnnen/ und das uͤbrige den HERREN zu befehlen/ auff ſeine huͤlffe und beſſerung mit ſehnen wartende. Was menſchen ſatzungen anlangt/ wuͤnſchte ich ſelbs derſelben weniger/ o- Die luſt andere zu verketzern waͤhret ſchon lang/ und moͤgen wirs faſt allge- Daß auch der liebe Arndius noch ſo boͤſen nahmen bey einigen behaͤlt/ hindert Was anlangt die frage/ warum ohne ausdruͤcklichen conſens der gantzen 1. Weil das binden die ausſchlieſſung aus der gemeinde mit ſich bringet/ wel- 2. Bey dem loͤſen hat es keine contradiction/ ſondern iſt derjenige der ge- te. Jiii 2
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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXIII.
ſtes in ihre ſeele dringe/ ſo ſie vorhin eine weile gehindert haͤtten. Jn ſolcher
hoffnung haben wir zu thun/ was wir koͤnnen/ und das uͤbrige den HERREN
zu befehlen/ auff ſeine huͤlffe und beſſerung mit ſehnen wartende.
Was menſchen ſatzungen anlangt/ wuͤnſchte ich ſelbs derſelben weniger/ o-
der vielmehr keine: nachdem aber gleichwohl keine bey uns wie ich hoffe vorhan-
den/ die eigentlich GOttes wort entgegen waͤren/ muͤſten wir aus liebe und um der
ordnung willen auch uns denjenigen dingen unterwerffen/ daran wir ſonſten auſſer
dem mit unſern gewiſſen nicht gebunden waͤren/ weil ja ſich die liebe/ ſo ferne es oh-
ne des glaubens eintrag geſchiehet/ gern andern zu knechte machet.
Die luſt andere zu verketzern waͤhret ſchon lang/ und moͤgen wirs faſt allge-
mach gewohnen/ dergleichen zu hoͤren/ in deſſen zu den HERRN ſeufftzen/ daß er
denen die augen oͤffnen wolle die aus unzeitiger ſorge der orthodoxiæ ſich vor din-
gen foͤrchten/ davor ſie ſich nicht zu fuͤrchten haben/ und die derſelbe nicht entgegen
ſind.
Daß auch der liebe Arndius noch ſo boͤſen nahmen bey einigen behaͤlt/ hindert
ſeiner ſeligkeit nichts/ ſo wird auch ſein gedaͤchtnuͤß nichts deſto weniger in ſegen
bleiben/ bey allen denen/ welche ihn mit verſtand geleſen/ und etwas einen geſchmack
von geiſtlichen dingen haben: Vielleicht wird auch GOTT noch hie in der welt
in beſſeren zuſtand der kirchen ſeinen nahmen laſſen mehr zu ehren kommen/ und
von den laͤſterungen/ die er hie hat leiden muͤſſen/ gerettet werden/ da hingegen dort
ſeine krohne ſo viel herrlicher werden wird. Jch ſchaͤme mich nicht ſein diſcipul
zu heiſſen/ ob wohl weiß/ daß mich auch ſolches bey einigen mit verdacht beſchweh-
ret hat.
Was anlangt die frage/ warum ohne ausdruͤcklichen conſens der gantzen
kirchen keiner gebunden/ wohl aber geloͤſet werden koͤnne/ meine ich/ ſeye die ur-
ſach des unterſcheids offenbahr.
1. Weil das binden die ausſchlieſſung aus der gemeinde mit ſich bringet/ wel-
che zu der gemeinde erkaͤntnuͤß geſtellet werden muß/ und einmahl nicht in eines
mannes hand ſtehen ſolle/ wer vor der gemeinde glied gehalten werden ſolle oder
nicht: das loͤſen aber iſt nichts anders/ als die ertheilung eines allgemeinen rechten/
daran alle theil haben/ als lange ſie glieder des leibes ſind.
2. Bey dem loͤſen hat es keine contradiction/ ſondern iſt derjenige der ge-
loͤſet werden ſolle damit zu frieden/ bey den binden wird ordinarie derjenige/ den
man binden will/ widerſprechen/ da gehoͤret dann das judicium einen andern. Es
kan aber auch faͤlle geben/ daß bey den loͤſen/ zum exempel wo einer abſolvirt ſeyn
wolte/ welchen die gemein ausgeſchloſſen/ derſelben conſens erfordert/ oder viel-
mehr das urtheil von ihr geſucht werden muͤſſte. So koͤnnen wir nicht eben ſim-
pliciter ſagen/ daß der Pfarrherr die kirche repræſentire/ auffs wenigſte kan ſol-
ches in nichts anders geſchehen/ als was und wie fern ſie ihn ſolches uͤbertragen haͤt-
te.
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