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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
gen vor allen andern suchen/ so wird auch GOTT stets bey und um sie seyen/ und es
gewiß an segen nicht manglen: Und kan dieselbe sich gewiß versichern/ kein be-
ständig treuer diener kan wol seyen/ auffs wenigste man sich nie gewiß auff ihn als
einen solchen verlassen/ der nicht von hertzen GOTT fürchtet/ hingegen wer von
hertzen GOTT fürchtet/ von deme kan sich ein Herr unfehlbahrlich aller treue al-
lezeit versichern/ ja er kan nicht untreu werden/ er lasse dann nunmehr selbs seine
frömmigkeit fahren. Die ursach ist diese/ es ist die eigne liebe und also das eigue
interesse/ in dieser unsrer verderbnüß nunmehr allzustarck bey den menschen/ daß
es nicht anders als durch Göttliche krafft und also in wahrer gottseligkeit über-
wunden werden kan: also der auch sonsten aus ehrlichkeit des gemüths und weltli-
cher tugend lange zeit treu ist/ kan doch/ wo endlich das zeitliche interesse worinnen
es auch bey jeden bestehen mag/ zustarck einleuchte[t]/ sich von der treue auffs wenig-
in etwas abbeugen lassen/ wo ihn nicht die wahre furcht GOttes/ die allein kräfftig
gnug ist/ davon zurücke hält.

Also hat Ew. Churfürstliche Durchlauchtigkeit ihr lebtag niemand völlig/
sonderlich in wichtigen dingen zu trauen/ von dem sie nicht als viel geschehen kan
sihet/ daß er von grund der seelen GOtt fürchte/ so viel weniger wo sie klar sihet/
daß keine furcht GOttes vorhanden seye: hingegen kan sie sich sicher verlassen
auff die jenige/ dero ungeheuchelten Gottesfurcht proben verhanden sind: bey de-
ro werck auch nach GOttes des HERRN verheissung allezeit segen ist/ da der an-
dern gottlosigkeit auch über ihre geschäfften den fluch zeucht. Also kan Ew.
Churfürstl. Durchl. ferner daraus eine probe nehmen der treue ihrer Ministro-
rum
/ wo ihre confilia allezeit wahrhafftig Göttliche ehr und die gemeine wohl-
fahrt zum zweck haben. Jch weiß wohl/ daß leider aller orten dergleichen Mini-
stri
sind/ welche darinnen ihre treue zu zeigen meinen/ daß sie alle anschläge richten/ wie
sie reden/ nach dem interesse des Herrn/ wie nehmlich dessen hoheit juraund intra-
den
/ durch allerley erfindungen immer mögen vergrössert werden/ ob es wol ge-
schiehet mit ungerechtigkeit und der armen unterthanen unterdrückung. Wolte
GOTT es würden dergleichen leute nicht auch von den meisten Regenten mit
willigen ohren angehöret/ und offt eben deswegen vor die treuste gehalten: da doch
gewißlich dieses die grösseste untreue ist/ seinen Herrn in dergleichen dinge einzu-
wickeln/ dardurch über denselben und gantzes hauß GOttes zorn erwecket/ viel tau-
send seutzen erreget/ dadurch der fluch herbey gezogen/ aller segen hingegen vertrie-
ben wird. Und ist gewiß dieses ein verfluchter und schädlicher nutz/ der so erschreck-
lichen schaden nach sich zeucht/ der jenige aber als ein verfluchter verräther zu schel-
ten/ welcher seinen Herrn nicht in weltlicher feinde hände lieffert/ sondern gar in
GOTT es zorn stürtzet.

Jch trage aber das hertzliche vertrauen/ nachdem E. Churf. Durchl. verhof-
fentlich dieses principium sich fest werden in das hertz gedruckt haben (als wel-

ches

Das ſechſte Capitel.
gen vor allen andern ſuchen/ ſo wird auch GOTT ſtets bey und um ſie ſeyen/ und es
gewiß an ſegen nicht manglen: Und kan dieſelbe ſich gewiß verſichern/ kein be-
ſtaͤndig treuer diener kan wol ſeyen/ auffs wenigſte man ſich nie gewiß auff ihn als
einen ſolchen verlaſſen/ der nicht von hertzen GOTT fuͤrchtet/ hingegen wer von
hertzen GOTT fuͤrchtet/ von deme kan ſich ein Herr unfehlbahrlich aller treue al-
lezeit verſichern/ ja er kan nicht untreu werden/ er laſſe dann nunmehr ſelbs ſeine
froͤmmigkeit fahren. Die urſach iſt dieſe/ es iſt die eigne liebe und alſo das eigue
intereſſe/ in dieſer unſrer verderbnuͤß nunmehr allzuſtarck bey den menſchen/ daß
es nicht anders als durch Goͤttliche krafft und alſo in wahrer gottſeligkeit uͤber-
wunden werden kan: alſo der auch ſonſten aus ehrlichkeit des gemuͤths und weltli-
cher tugend lange zeit treu iſt/ kan doch/ wo endlich das zeitliche intereſſe worinnen
es auch bey jeden beſtehen mag/ zuſtarck einleuchte[t]/ ſich von der treue auffs wenig-
in etwas abbeugen laſſen/ wo ihn nicht die wahre furcht GOttes/ die allein kraͤfftig
gnug iſt/ davon zuruͤcke haͤlt.

Alſo hat Ew. Churfuͤrſtliche Durchlauchtigkeit ihr lebtag niemand voͤllig/
ſonderlich in wichtigen dingen zu trauen/ von dem ſie nicht als viel geſchehen kan
ſihet/ daß er von grund der ſeelen GOtt fuͤrchte/ ſo viel weniger wo ſie klar ſihet/
daß keine furcht GOttes vorhanden ſeye: hingegen kan ſie ſich ſicher verlaſſen
auff die jenige/ dero ungeheuchelten Gottesfurcht proben verhanden ſind: bey de-
ro werck auch nach GOttes des HERRN verheiſſung allezeit ſegen iſt/ da der an-
dern gottloſigkeit auch uͤber ihre geſchaͤfften den fluch zeucht. Alſo kan Ew.
Churfuͤrſtl. Durchl. ferner daraus eine probe nehmen der treue ihrer Miniſtro-
rum
/ wo ihre confilia allezeit wahrhafftig Goͤttliche ehr und die gemeine wohl-
fahrt zum zweck haben. Jch weiß wohl/ daß leider aller orten dergleichen Mini-
ſtri
ſind/ welche daꝛiñen ihre treue zu zeigen meinen/ daß ſie alle anſchlaͤge richten/ wie
ſie reden/ nach dem intereſſe des Herrn/ wie nehmlich deſſen hoheit juraund intra-
den
/ durch allerley erfindungen immer moͤgen vergroͤſſert werden/ ob es wol ge-
ſchiehet mit ungerechtigkeit und der armen unterthanen unterdruͤckung. Wolte
GOTT es wuͤrden dergleichen leute nicht auch von den meiſten Regenten mit
willigen ohren angehoͤret/ und offt eben deswegen vor die treuſte gehalten: da doch
gewißlich dieſes die groͤſſeſte untreue iſt/ ſeinen Herrn in dergleichen dinge einzu-
wickeln/ dardurch uͤber denſelben und gantzes hauß GOttes zorn erwecket/ viel tau-
ſend ſeutzen erreget/ dadurch der fluch herbey gezogen/ aller ſegen hingegen vertrie-
ben wird. Und iſt gewiß dieſes ein verfluchter und ſchaͤdlicher nutz/ der ſo erſchreck-
lichen ſchaden nach ſich zeucht/ der jenige aber als ein verfluchter verraͤther zu ſchel-
ten/ welcher ſeinen Herrn nicht in weltlicher feinde haͤnde lieffert/ ſondern gar in
GOTT es zorn ſtuͤrtzet.

Jch trage aber das hertzliche vertꝛauen/ nachdem E. Churf. Durchl. verhof-
fentlich dieſes principium ſich feſt werden in das hertz gedruckt haben (als wel-

ches
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[884/0902] Das ſechſte Capitel. gen vor allen andern ſuchen/ ſo wird auch GOTT ſtets bey und um ſie ſeyen/ und es gewiß an ſegen nicht manglen: Und kan dieſelbe ſich gewiß verſichern/ kein be- ſtaͤndig treuer diener kan wol ſeyen/ auffs wenigſte man ſich nie gewiß auff ihn als einen ſolchen verlaſſen/ der nicht von hertzen GOTT fuͤrchtet/ hingegen wer von hertzen GOTT fuͤrchtet/ von deme kan ſich ein Herr unfehlbahrlich aller treue al- lezeit verſichern/ ja er kan nicht untreu werden/ er laſſe dann nunmehr ſelbs ſeine froͤmmigkeit fahren. Die urſach iſt dieſe/ es iſt die eigne liebe und alſo das eigue intereſſe/ in dieſer unſrer verderbnuͤß nunmehr allzuſtarck bey den menſchen/ daß es nicht anders als durch Goͤttliche krafft und alſo in wahrer gottſeligkeit uͤber- wunden werden kan: alſo der auch ſonſten aus ehrlichkeit des gemuͤths und weltli- cher tugend lange zeit treu iſt/ kan doch/ wo endlich das zeitliche intereſſe worinnen es auch bey jeden beſtehen mag/ zuſtarck einleuchtet/ ſich von der treue auffs wenig- in etwas abbeugen laſſen/ wo ihn nicht die wahre furcht GOttes/ die allein kraͤfftig gnug iſt/ davon zuruͤcke haͤlt. Alſo hat Ew. Churfuͤrſtliche Durchlauchtigkeit ihr lebtag niemand voͤllig/ ſonderlich in wichtigen dingen zu trauen/ von dem ſie nicht als viel geſchehen kan ſihet/ daß er von grund der ſeelen GOtt fuͤrchte/ ſo viel weniger wo ſie klar ſihet/ daß keine furcht GOttes vorhanden ſeye: hingegen kan ſie ſich ſicher verlaſſen auff die jenige/ dero ungeheuchelten Gottesfurcht proben verhanden ſind: bey de- ro werck auch nach GOttes des HERRN verheiſſung allezeit ſegen iſt/ da der an- dern gottloſigkeit auch uͤber ihre geſchaͤfften den fluch zeucht. Alſo kan Ew. Churfuͤrſtl. Durchl. ferner daraus eine probe nehmen der treue ihrer Miniſtro- rum/ wo ihre confilia allezeit wahrhafftig Goͤttliche ehr und die gemeine wohl- fahrt zum zweck haben. Jch weiß wohl/ daß leider aller orten dergleichen Mini- ſtri ſind/ welche daꝛiñen ihre treue zu zeigen meinen/ daß ſie alle anſchlaͤge richten/ wie ſie reden/ nach dem intereſſe des Herrn/ wie nehmlich deſſen hoheit juraund intra- den/ durch allerley erfindungen immer moͤgen vergroͤſſert werden/ ob es wol ge- ſchiehet mit ungerechtigkeit und der armen unterthanen unterdruͤckung. Wolte GOTT es wuͤrden dergleichen leute nicht auch von den meiſten Regenten mit willigen ohren angehoͤret/ und offt eben deswegen vor die treuſte gehalten: da doch gewißlich dieſes die groͤſſeſte untreue iſt/ ſeinen Herrn in dergleichen dinge einzu- wickeln/ dardurch uͤber denſelben und gantzes hauß GOttes zorn erwecket/ viel tau- ſend ſeutzen erreget/ dadurch der fluch herbey gezogen/ aller ſegen hingegen vertrie- ben wird. Und iſt gewiß dieſes ein verfluchter und ſchaͤdlicher nutz/ der ſo erſchreck- lichen ſchaden nach ſich zeucht/ der jenige aber als ein verfluchter verraͤther zu ſchel- ten/ welcher ſeinen Herrn nicht in weltlicher feinde haͤnde lieffert/ ſondern gar in GOTT es zorn ſtuͤrtzet. Jch trage aber das hertzliche vertꝛauen/ nachdem E. Churf. Durchl. verhof- fentlich dieſes principium ſich feſt werden in das hertz gedruckt haben (als wel- ches

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 884. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/902>, abgerufen am 22.11.2024.