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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. III. SECTIO XVII.
dem gewissen am besten gerathen zu werden. Der HERR aber mache selbst das
hertz gewiß/ und zeige was das beste seye. 23. Oct. 1691.

SECTIO XVII.

Aneinen Fürstlichen Hoffprediger. Verfall
der kirchen. Schrecklicher irrthum/ vertrauen auff einge-
bildeten glauben. Leyden darüber.
Die wahrheit bricht mehr
durch.

DAß derselbe den verfall unsers Christenthums und nahmentlich unserer armen
Evangelischen kirche tieffer einsiehet/ als derer viele sind/ die wieder die offen-
bahre wahrheit denselben florentissimum zu seyen andere überreden wol-
len/ ja wer es nicht mit hält/ deswegen in verdacht nicht richtiger lehre ziehen/ ist
mir ein angenehmes zeugnüß/ daß der HERR auch denselben bereitet habe zu ei-
nem solchen werckzeuge/ welches dermahleins in seiner gnade etwas wichtiges zu
seinen ehren ausrichte: Wie hingegen/ welcher nicht recht erkennet/ worinn unfer
verderben stehet/ so wol was das gesamte Christenthum als unser amt anlanget/
unmüglich auch das jenige ausrichten kan/ was auszurichten nöthig ist. Denn
wie will einer einen krancken recht tractiren/ welcher seine kranckheit noch nicht
verstehet. Wo wir nun absonderlich bey den allgemeinsten stück des gemeinen
verderben bleiben/ so stehet es wol unzweiffentlich in der so gefährlichen (nicht in un-
sere confessionen und öffentliche lehre/ aber doch in so vieler hertzen unter der ge-
meinde/ wolte GOtt nicht auch unter prediger) eingerissenen falschen persuasion
ob könte man durch einen blossen gedancken/ den man sich bey allen fleischlichen we-
sen vor CHRJSTO und seinem verdienst machet/ selig werden; so ich vor eine
der gefährlichsten ketzereyen halte/ die jemahl gewesen wären; als welche meistens
unter lauter orthodoxis terminis/ daß man allein durch den glauben ohne zu-
thun der wercke gerecht werde/ vorgebacht wird/ aber weil man durch den glauben
die blosse menschliche einbildung/ nicht aber daß Göttliche werck in uns (von welchen
zweyen unterschiedenen dingen und dero unterschied unser theurer Lutherus in der
billich deswegen so offt anführenden vorrede der Epistel an die Römer handelt/ und
nur zu wünschen wäre/ daß die wahrheit/ die er darinnen vertheidigt allen bekant
würde) verstehet/ und dannoch jenen hirngespenst die gerechtigkeit vor GOtt zu
schreiben will/ unter solcher wahren/ aber übel gedeuteten terminis ein recht verführi-
sch[er] irrthum verborgen liget. Wider diesen greuel bekenne gern/ daß ich biß daher

nach
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ARTIC. III. SECTIO XVII.
dem gewiſſen am beſten gerathen zu werden. Der HERR aber mache ſelbſt das
hertz gewiß/ und zeige was das beſte ſeye. 23. Oct. 1691.

SECTIO XVII.

Aneinen Fuͤrſtlichen Hoffprediger. Verfall
der kirchen. Schrecklicher irrthum/ vertrauen auff einge-
bildeten glauben. Leyden daruͤber.
Die wahrheit bricht mehr
durch.

DAß derſelbe den verfall unſers Chriſtenthums und nahmentlich unſerer armẽ
Evangeliſchen kirche tieffer einſiehet/ als derer viele ſind/ die wieder die offen-
bahre wahrheit denſelben florentisſimum zu ſeyen andere uͤberreden wol-
len/ ja wer es nicht mit haͤlt/ deswegen in verdacht nicht richtiger lehre ziehen/ iſt
mir ein angenehmes zeugnuͤß/ daß der HERR auch denſelben bereitet habe zu ei-
nem ſolchen werckzeuge/ welches dermahleins in ſeiner gnade etwas wichtiges zu
ſeinen ehren ausrichte: Wie hingegen/ welcher nicht recht erkennet/ worinn unfer
verderben ſtehet/ ſo wol was das geſamte Chriſtenthum als unſer amt anlanget/
unmuͤglich auch das jenige ausrichten kan/ was auszurichten noͤthig iſt. Denn
wie will einer einen krancken recht tractiren/ welcher ſeine kranckheit noch nicht
verſtehet. Wo wir nun abſonderlich bey den allgemeinſten ſtuͤck des gemeinen
verderben bleiben/ ſo ſtehet es wol unzweiffentlich in der ſo gefaͤhrlichen (nicht in un-
ſere confeſſionen und oͤffentliche lehre/ aber doch in ſo vieler hertzen unter der ge-
meinde/ wolte GOtt nicht auch unter prediger) eingeriſſenen falſchen perſuaſion
ob koͤnte man durch einen bloſſen gedancken/ den man ſich bey allen fleiſchlichen we-
ſen vor CHRJSTO und ſeinem verdienſt machet/ ſelig werden; ſo ich vor eine
der gefaͤhrlichſten ketzereyen halte/ die jemahl geweſen waͤren; als welche meiſtens
unter lauter orthodoxis terminis/ daß man allein durch den glauben ohne zu-
thun der wercke gerecht werde/ vorgebacht wird/ aber weil man durch den glauben
die bloſſe menſchliche einbildung/ nicht aber daß Goͤttliche werck in uns (von welchen
zweyen unterſchiedenen dingen und dero unterſchied unſer theurer Lutherus in der
billich deswegen ſo offt anfuͤhrenden vorrede der Epiſtel an die Roͤmer handelt/ und
nur zu wuͤnſchen waͤre/ daß die wahrheit/ die er darinnen vertheidigt allen bekant
wuͤrde) verſtehet/ und dannoch jenen hirngeſpenſt die gerechtigkeit vor GOtt zu
ſchreiben will/ unter ſolcher wahꝛen/ aber uͤbel gedeutetẽ terminis ein recht verfuͤhri-
ſch[er] irrthum verborgen liget. Wider dieſen greuel bekenne gern/ daß ich biß daher

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[897/0915] ARTIC. III. SECTIO XVII. dem gewiſſen am beſten gerathen zu werden. Der HERR aber mache ſelbſt das hertz gewiß/ und zeige was das beſte ſeye. 23. Oct. 1691. SECTIO XVII. Aneinen Fuͤrſtlichen Hoffprediger. Verfall der kirchen. Schrecklicher irrthum/ vertrauen auff einge- bildeten glauben. Leyden daruͤber. Die wahrheit bricht mehr durch. DAß derſelbe den verfall unſers Chriſtenthums und nahmentlich unſerer armẽ Evangeliſchen kirche tieffer einſiehet/ als derer viele ſind/ die wieder die offen- bahre wahrheit denſelben florentisſimum zu ſeyen andere uͤberreden wol- len/ ja wer es nicht mit haͤlt/ deswegen in verdacht nicht richtiger lehre ziehen/ iſt mir ein angenehmes zeugnuͤß/ daß der HERR auch denſelben bereitet habe zu ei- nem ſolchen werckzeuge/ welches dermahleins in ſeiner gnade etwas wichtiges zu ſeinen ehren ausrichte: Wie hingegen/ welcher nicht recht erkennet/ worinn unfer verderben ſtehet/ ſo wol was das geſamte Chriſtenthum als unſer amt anlanget/ unmuͤglich auch das jenige ausrichten kan/ was auszurichten noͤthig iſt. Denn wie will einer einen krancken recht tractiren/ welcher ſeine kranckheit noch nicht verſtehet. Wo wir nun abſonderlich bey den allgemeinſten ſtuͤck des gemeinen verderben bleiben/ ſo ſtehet es wol unzweiffentlich in der ſo gefaͤhrlichen (nicht in un- ſere confeſſionen und oͤffentliche lehre/ aber doch in ſo vieler hertzen unter der ge- meinde/ wolte GOtt nicht auch unter prediger) eingeriſſenen falſchen perſuaſion ob koͤnte man durch einen bloſſen gedancken/ den man ſich bey allen fleiſchlichen we- ſen vor CHRJSTO und ſeinem verdienſt machet/ ſelig werden; ſo ich vor eine der gefaͤhrlichſten ketzereyen halte/ die jemahl geweſen waͤren; als welche meiſtens unter lauter orthodoxis terminis/ daß man allein durch den glauben ohne zu- thun der wercke gerecht werde/ vorgebacht wird/ aber weil man durch den glauben die bloſſe menſchliche einbildung/ nicht aber daß Goͤttliche werck in uns (von welchen zweyen unterſchiedenen dingen und dero unterſchied unſer theurer Lutherus in der billich deswegen ſo offt anfuͤhrenden vorrede der Epiſtel an die Roͤmer handelt/ und nur zu wuͤnſchen waͤre/ daß die wahrheit/ die er darinnen vertheidigt allen bekant wuͤrde) verſtehet/ und dannoch jenen hirngeſpenſt die gerechtigkeit vor GOtt zu ſchreiben will/ unter ſolcher wahꝛen/ aber uͤbel gedeutetẽ terminis ein recht verfuͤhri- ſcher irrthum verborgen liget. Wider dieſen greuel bekenne gern/ daß ich biß daher nach Xxxxx

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 897. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/915>, abgerufen am 22.11.2024.