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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. III. SECTIO XXVII.
welche treue hirten und diener Christi seyen sollen/ thun werden/ welche aber nicht
thun/ was hierinnen die versicherung ihrer zuhörer erfordert/ weiß ich von den
miedlings-namen nicht frey zu sprechen. Was im übrigen den gegen die ge-
lahrte und insgesamt diejenige/ welche nicht nach vermögen trachten/ daß die
kirche wiederum in rechten zustand komme/ bey demselben erregten eyfer an-
langet/ ist mir wohl bekant/ wie derselbe gemeiniglich sich bey denenjenigen ent-
zündet/ welche aufangen das verderben recht einzusehen/ und es gern gut hätten/
weil sich aber auch leicht eine fleischliche bitterkeit unvermerckt mit einflicht/ so
ist wohl gethan/ daß man sich wiederumb darin gemäßiget/ und vielmehr mit
erbarmender liebe diejenige nunmehr ansiehet/ die es an sich ermangeln lassen/
und mit Sanfftmuth sie vielmehr zu dem guten allgemach zu lencken trachtet/
als das man einige hefftigkeit gegen sie spüren liesse. Daher ist mir leid/ daß
in ein buch geschrieben worden/ so lange keinen wiedergebohrnen Predi-
ger erkant zuhaben/
und siehe ich schon vor/ wo solches in das Consistorium
käme/ daß es nicht eben zum besten ablauffen dörffte. Jch finde aber das rath-
samste/ daß es aufs glimflichste erkläret werde/ so auch der warheit gemäß seyn
wird: daß er nemlich keinen also gekant/ nicht aber daß keiner/ auch unter denen
die er gekant/ dergleichen gewesen wäre: Es möchten also wohl/ welches er auch
hoffte und wünschte/ sich warhafftig wiedergebohrne unter denselben gefun-
den haben/ da er aber nicht in solche genaue ihre kundschafft gekommen wä-
re/ daß er die zeugnüssen der wiedergeburth so eigendlich an ihnen hätte ken-
nen können. Daß den leuten auf dem land mit guten büchlein auch zur hand
gegangen würde/ sehe ich selbst vor eine nicht nur nützliche sondern auch sol-
che sache an/ vor die die obere/ wo sie alle stücke ihres amts erfüllen wolten/ bil-
lig sorge zu tragen hätten: Was ich aber vor hoffnung darzu machen solle/
weiß ich nicht. Aufs wenigste wündschete/ daß nur bey jeglicher haußhaltung/
wo nicht die gantze bibel/ doch aufs wenigste das N. Testament/ gefunden wer-
den mochte/ dessen lesung den mangel anderer bücher ersetzen könte: So möch-
te auch ein feines mittel seyn/ wo an einem ort nicht mehr als etzliche wären/
die einen hertzlichen eyser hätten zu der erbauung/ die sich nachmahl mit an-
dern an andern orten sofern vereinbahrten/ daß sie einander/ was sich einer vor
ein buch schaffte/ nach der ordnung nachmahl allen übrigen zu lesen leihete;
Da also einer dieses/ der andere ein ander feines buch kaufte/ welche immer un-
ter ihnen herum zum gebrauch gingen/ da es keinen zu viel würde/ indem kei-
ner viele kauffen dörffte/ und doch da die zahl derer/ die es miteinander in die-
ser Sache hielten/ zunehmen würde/ ein jeder den gebrauch der mehreren vor
sich erlangte/ welches eine feine hülffe geben möchte. Wir müssen also sehen/
wie wir noch da und dorten ein und andere hülffe schaffen/ und einige retten

mögen/

ARTIC. III. SECTIO XXVII.
welche treue hirten und diener Chriſti ſeyen ſollen/ thun werden/ welche aber nicht
thun/ was hierinnen die verſicherung ihrer zuhoͤrer erfordert/ weiß ich von den
miedlings-namen nicht frey zu ſprechen. Was im uͤbrigen den gegen die ge-
lahrte und insgeſamt diejenige/ welche nicht nach vermoͤgen trachten/ daß die
kirche wiederum in rechten zuſtand komme/ bey demſelben erregten eyfer an-
langet/ iſt mir wohl bekant/ wie derſelbe gemeiniglich ſich bey denenjenigen ent-
zuͤndet/ welche aufangen das verderben recht einzuſehen/ und es gern gut haͤtten/
weil ſich aber auch leicht eine fleiſchliche bitterkeit unvermerckt mit einflicht/ ſo
iſt wohl gethan/ daß man ſich wiederumb darin gemaͤßiget/ und vielmehr mit
erbarmender liebe diejenige nunmehr anſiehet/ die es an ſich ermangeln laſſen/
und mit Sanfftmuth ſie vielmehr zu dem guten allgemach zu lencken trachtet/
als das man einige hefftigkeit gegen ſie ſpuͤren lieſſe. Daher iſt mir leid/ daß
in ein buch geſchrieben worden/ ſo lange keinen wiedergebohrnen Predi-
ger erkant zuhaben/
und ſiehe ich ſchon vor/ wo ſolches in das Conſiſtorium
kaͤme/ daß es nicht eben zum beſten ablauffen doͤrffte. Jch finde aber das rath-
ſamſte/ daß es aufs glimflichſte erklaͤret werde/ ſo auch der warheit gemaͤß ſeyn
wird: daß er nemlich keinen alſo gekant/ nicht aber daß keiner/ auch unter denen
die er gekant/ dergleichen geweſen waͤre: Es moͤchten alſo wohl/ welches er auch
hoffte und wuͤnſchte/ ſich warhafftig wiedergebohrne unter denſelben gefun-
den haben/ da er aber nicht in ſolche genaue ihre kundſchafft gekommen waͤ-
re/ daß er die zeugnuͤſſen der wiedergeburth ſo eigendlich an ihnen haͤtte ken-
nen koͤnnen. Daß den leuten auf dem land mit guten buͤchlein auch zur hand
gegangen wuͤrde/ ſehe ich ſelbſt vor eine nicht nur nuͤtzliche ſondern auch ſol-
che ſache an/ vor die die obere/ wo ſie alle ſtuͤcke ihres amts erfuͤllen wolten/ bil-
lig ſorge zu tragen haͤtten: Was ich aber vor hoffnung darzu machen ſolle/
weiß ich nicht. Aufs wenigſte wuͤndſchete/ daß nur bey jeglicher haußhaltung/
wo nicht die gantze bibel/ doch aufs wenigſte das N. Teſtament/ gefunden wer-
den mochte/ deſſen leſung den mangel anderer buͤcher erſetzen koͤnte: So moͤch-
te auch ein feines mittel ſeyn/ wo an einem ort nicht mehr als etzliche waͤren/
die einen hertzlichen eyſer haͤtten zu der erbauung/ die ſich nachmahl mit an-
dern an andern orten ſofern vereinbahrten/ daß ſie einander/ was ſich einer vor
ein buch ſchaffte/ nach der ordnung nachmahl allen uͤbrigen zu leſen leihete;
Da alſo einer dieſes/ der andere ein ander feines buch kaufte/ welche immer un-
ter ihnen herum zum gebrauch gingen/ da es keinen zu viel wuͤrde/ indem kei-
ner viele kauffen doͤrffte/ und doch da die zahl derer/ die es miteinander in die-
ſer Sache hielten/ zunehmen wuͤrde/ ein jeder den gebrauch der mehreren vor
ſich erlangte/ welches eine feine huͤlffe geben moͤchte. Wir muͤſſen alſo ſehen/
wie wir noch da und dorten ein und andere huͤlffe ſchaffen/ und einige retten

moͤgen/
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[927/0945] ARTIC. III. SECTIO XXVII. welche treue hirten und diener Chriſti ſeyen ſollen/ thun werden/ welche aber nicht thun/ was hierinnen die verſicherung ihrer zuhoͤrer erfordert/ weiß ich von den miedlings-namen nicht frey zu ſprechen. Was im uͤbrigen den gegen die ge- lahrte und insgeſamt diejenige/ welche nicht nach vermoͤgen trachten/ daß die kirche wiederum in rechten zuſtand komme/ bey demſelben erregten eyfer an- langet/ iſt mir wohl bekant/ wie derſelbe gemeiniglich ſich bey denenjenigen ent- zuͤndet/ welche aufangen das verderben recht einzuſehen/ und es gern gut haͤtten/ weil ſich aber auch leicht eine fleiſchliche bitterkeit unvermerckt mit einflicht/ ſo iſt wohl gethan/ daß man ſich wiederumb darin gemaͤßiget/ und vielmehr mit erbarmender liebe diejenige nunmehr anſiehet/ die es an ſich ermangeln laſſen/ und mit Sanfftmuth ſie vielmehr zu dem guten allgemach zu lencken trachtet/ als das man einige hefftigkeit gegen ſie ſpuͤren lieſſe. Daher iſt mir leid/ daß in ein buch geſchrieben worden/ ſo lange keinen wiedergebohrnen Predi- ger erkant zuhaben/ und ſiehe ich ſchon vor/ wo ſolches in das Conſiſtorium kaͤme/ daß es nicht eben zum beſten ablauffen doͤrffte. Jch finde aber das rath- ſamſte/ daß es aufs glimflichſte erklaͤret werde/ ſo auch der warheit gemaͤß ſeyn wird: daß er nemlich keinen alſo gekant/ nicht aber daß keiner/ auch unter denen die er gekant/ dergleichen geweſen waͤre: Es moͤchten alſo wohl/ welches er auch hoffte und wuͤnſchte/ ſich warhafftig wiedergebohrne unter denſelben gefun- den haben/ da er aber nicht in ſolche genaue ihre kundſchafft gekommen waͤ- re/ daß er die zeugnuͤſſen der wiedergeburth ſo eigendlich an ihnen haͤtte ken- nen koͤnnen. Daß den leuten auf dem land mit guten buͤchlein auch zur hand gegangen wuͤrde/ ſehe ich ſelbſt vor eine nicht nur nuͤtzliche ſondern auch ſol- che ſache an/ vor die die obere/ wo ſie alle ſtuͤcke ihres amts erfuͤllen wolten/ bil- lig ſorge zu tragen haͤtten: Was ich aber vor hoffnung darzu machen ſolle/ weiß ich nicht. Aufs wenigſte wuͤndſchete/ daß nur bey jeglicher haußhaltung/ wo nicht die gantze bibel/ doch aufs wenigſte das N. Teſtament/ gefunden wer- den mochte/ deſſen leſung den mangel anderer buͤcher erſetzen koͤnte: So moͤch- te auch ein feines mittel ſeyn/ wo an einem ort nicht mehr als etzliche waͤren/ die einen hertzlichen eyſer haͤtten zu der erbauung/ die ſich nachmahl mit an- dern an andern orten ſofern vereinbahrten/ daß ſie einander/ was ſich einer vor ein buch ſchaffte/ nach der ordnung nachmahl allen uͤbrigen zu leſen leihete; Da alſo einer dieſes/ der andere ein ander feines buch kaufte/ welche immer un- ter ihnen herum zum gebrauch gingen/ da es keinen zu viel wuͤrde/ indem kei- ner viele kauffen doͤrffte/ und doch da die zahl derer/ die es miteinander in die- ſer Sache hielten/ zunehmen wuͤrde/ ein jeder den gebrauch der mehreren vor ſich erlangte/ welches eine feine huͤlffe geben moͤchte. Wir muͤſſen alſo ſehen/ wie wir noch da und dorten ein und andere huͤlffe ſchaffen/ und einige retten moͤgen/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/945>, abgerufen am 22.11.2024.