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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
chet, und die doch von dem HErrn die krafft her haben müssen, mit eiffer und
andacht angeruffen werde. Wie ich dann nicht zweiffele, da wir mit meh-
rerm ernst und angelegenheit für die arme leute zu dem HERRN beteten,
der HERR würde so wol selbs den weg deutlicher zeigen, auf dem wir sie
herbey bringen möchten, als auch andere anstalten desto kräfftiger segnen,
und solle je solches mittel, wo man die sache auch sonsten mit ernst angreiffen
will, nicht unterlassen oder nachläßig gebraucht werden.
5. Das rechte hauptmittel aber ist das göttliche wort, als der ge-
segnete saame, daraus aller glauben herentstehet, und alle wiedergeburt
und bekehrung geschehen muß. Was nun dasselbe anlangt, wie die arten
solches vorzutragen unterschiedlich sind, so ist doch von allen nicht gleiches
zu hoffen. Es kan das göttliche wort gebraucht werden zu lesen, und da
man die Juden dahin bringen könte, daß sie unser neues Testament und an-
dere christliche zu solcher absicht gerichtete bücher läsen, so würde zu hoffen
seyn, daß manchen ein liecht daraus aufgehen solte; aber eines theils sind
der Juden sehr wenige, die unser teutsches lesen können, und andern theils
würden sie sehr schwer dazu zu disponiren seyn. Wo das göttliche wort
auch durch andere christliche hertzen in einfalt, aber mit grund, in gemeiner
conversation geführet wird, hat es auch seine krafft, die hertzen derjeni-
gen zu rühren, welche nicht allerdings verhärtet sind, und weiß ich, daß
christliche zusprüche gottseliger personen zu weilen bey einigen Jüden nicht
wenig ausgerichtet, oder doch eine feine vorbereitung gemacht haben, dar-
auf zu anderer zeit und zu anderer gelegenheit die bekehrung selbst erfolget
ist. Jch mache aber nicht grossen staat darauf, sonderlich weil derjenigen
unter den Christen eben so viele nicht sind, die mit gnugsamen grund und
vorsichtigkeit von den materien unsers glaubens mit den Jüden reden, und
ihnen zusprechen könten: Jn dem es gewiß nicht wenig weißheit bedarff zu
unterscheiden, wovon man sonderlich mit solchen leuten reden, und welche
ordnung man ihnen halten müsse, damit man nicht solche articul zum for-
dristen gegen sie urgire, die erst auf das letzte versparet, und nicht anders ih-
nen vorgebracht werden müssen, als wo nunmehr in andern schon ein grund
geleget worden, so ist es auch nicht eines jeden werck, alsdann einem Jüden
hinwieder auf seine einwürffe zu begegnen, der hingegen, wo ihm nicht zur
gnüge antwort gegeben werden kan, den zuspruch verlachet, wo nicht gar
dadurch mehr in seinem unglauben gesteiffet wird; Zu geschweigen, daß
auch diejenige sanfftmuth, die gleichfalls in diesem werck nöthig ist, sich
nicht bey allen findet, hingegen die geringste hefftigkeit und bitterkeit, darin-
nen man mit ihnen handlet, stracks die frucht des zuspruchs verderbet. Da-
her ich zwar nicht bloß verbieten wolte, daß sich zu weilen einige verständi-
ge
Das ſiebende Capitel.
chet, und die doch von dem HErrn die krafft her haben muͤſſen, mit eiffer und
andacht angeruffen werde. Wie ich dann nicht zweiffele, da wir mit meh-
rerm ernſt und angelegenheit fuͤr die arme leute zu dem HERRN beteten,
der HERR wuͤrde ſo wol ſelbs den weg deutlicher zeigen, auf dem wir ſie
herbey bringen moͤchten, als auch andere anſtalten deſto kraͤfftiger ſegnen,
und ſolle je ſolches mittel, wo man die ſache auch ſonſten mit ernſt angreiffen
will, nicht unterlaſſen oder nachlaͤßig gebraucht werden.
5. Das rechte hauptmittel aber iſt das goͤttliche wort, als der ge-
ſegnete ſaame, daraus aller glauben herentſtehet, und alle wiedergeburt
und bekehrung geſchehen muß. Was nun daſſelbe anlangt, wie die arten
ſolches vorzutragen unterſchiedlich ſind, ſo iſt doch von allen nicht gleiches
zu hoffen. Es kan das goͤttliche wort gebraucht werden zu leſen, und da
man die Juden dahin bringen koͤnte, daß ſie unſer neues Teſtament und an-
dere chriſtliche zu ſolcher abſicht gerichtete buͤcher laͤſen, ſo wuͤrde zu hoffen
ſeyn, daß manchen ein liecht daraus aufgehen ſolte; aber eines theils ſind
der Juden ſehr wenige, die unſer teutſches leſen koͤnnen, und andern theils
wuͤrden ſie ſehr ſchwer dazu zu diſponiren ſeyn. Wo das goͤttliche wort
auch durch andere chriſtliche hertzen in einfalt, aber mit grund, in gemeiner
converſation gefuͤhret wird, hat es auch ſeine krafft, die hertzen derjeni-
gen zu ruͤhren, welche nicht allerdings verhaͤrtet ſind, und weiß ich, daß
chriſtliche zuſpruͤche gottſeliger perſonen zu weilen bey einigen Juͤden nicht
wenig ausgerichtet, oder doch eine feine vorbereitung gemacht haben, dar-
auf zu anderer zeit und zu anderer gelegenheit die bekehrung ſelbſt erfolget
iſt. Jch mache aber nicht groſſen ſtaat darauf, ſonderlich weil derjenigen
unter den Chriſten eben ſo viele nicht ſind, die mit gnugſamen grund und
vorſichtigkeit von den materien unſers glaubens mit den Juͤden reden, und
ihnen zuſprechen koͤnten: Jn dem es gewiß nicht wenig weißheit bedarff zu
unterſcheiden, wovon man ſonderlich mit ſolchen leuten reden, und welche
ordnung man ihnen halten muͤſſe, damit man nicht ſolche articul zum for-
driſten gegen ſie urgire, die erſt auf das letzte verſparet, und nicht anders ih-
nen vorgebracht werden muͤſſen, als wo nunmehr in andern ſchon ein grund
geleget worden, ſo iſt es auch nicht eines jeden werck, alsdann einem Juͤden
hinwieder auf ſeine einwuͤrffe zu begegnen, der hingegen, wo ihm nicht zur
gnuͤge antwort gegeben werden kan, den zuſpruch verlachet, wo nicht gar
dadurch mehr in ſeinem unglauben geſteiffet wird; Zu geſchweigen, daß
auch diejenige ſanfftmuth, die gleichfalls in dieſem werck noͤthig iſt, ſich
nicht bey allen findet, hingegen die geringſte hefftigkeit und bitterkeit, darin-
nen man mit ihnen handlet, ſtracks die frucht des zuſpruchs verderbet. Da-
her ich zwar nicht bloß verbieten wolte, daß ſich zu weilen einige verſtaͤndi-
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[92/0104] Das ſiebende Capitel. chet, und die doch von dem HErrn die krafft her haben muͤſſen, mit eiffer und andacht angeruffen werde. Wie ich dann nicht zweiffele, da wir mit meh- rerm ernſt und angelegenheit fuͤr die arme leute zu dem HERRN beteten, der HERR wuͤrde ſo wol ſelbs den weg deutlicher zeigen, auf dem wir ſie herbey bringen moͤchten, als auch andere anſtalten deſto kraͤfftiger ſegnen, und ſolle je ſolches mittel, wo man die ſache auch ſonſten mit ernſt angreiffen will, nicht unterlaſſen oder nachlaͤßig gebraucht werden. 5. Das rechte hauptmittel aber iſt das goͤttliche wort, als der ge- ſegnete ſaame, daraus aller glauben herentſtehet, und alle wiedergeburt und bekehrung geſchehen muß. Was nun daſſelbe anlangt, wie die arten ſolches vorzutragen unterſchiedlich ſind, ſo iſt doch von allen nicht gleiches zu hoffen. Es kan das goͤttliche wort gebraucht werden zu leſen, und da man die Juden dahin bringen koͤnte, daß ſie unſer neues Teſtament und an- dere chriſtliche zu ſolcher abſicht gerichtete buͤcher laͤſen, ſo wuͤrde zu hoffen ſeyn, daß manchen ein liecht daraus aufgehen ſolte; aber eines theils ſind der Juden ſehr wenige, die unſer teutſches leſen koͤnnen, und andern theils wuͤrden ſie ſehr ſchwer dazu zu diſponiren ſeyn. Wo das goͤttliche wort auch durch andere chriſtliche hertzen in einfalt, aber mit grund, in gemeiner converſation gefuͤhret wird, hat es auch ſeine krafft, die hertzen derjeni- gen zu ruͤhren, welche nicht allerdings verhaͤrtet ſind, und weiß ich, daß chriſtliche zuſpruͤche gottſeliger perſonen zu weilen bey einigen Juͤden nicht wenig ausgerichtet, oder doch eine feine vorbereitung gemacht haben, dar- auf zu anderer zeit und zu anderer gelegenheit die bekehrung ſelbſt erfolget iſt. Jch mache aber nicht groſſen ſtaat darauf, ſonderlich weil derjenigen unter den Chriſten eben ſo viele nicht ſind, die mit gnugſamen grund und vorſichtigkeit von den materien unſers glaubens mit den Juͤden reden, und ihnen zuſprechen koͤnten: Jn dem es gewiß nicht wenig weißheit bedarff zu unterſcheiden, wovon man ſonderlich mit ſolchen leuten reden, und welche ordnung man ihnen halten muͤſſe, damit man nicht ſolche articul zum for- driſten gegen ſie urgire, die erſt auf das letzte verſparet, und nicht anders ih- nen vorgebracht werden muͤſſen, als wo nunmehr in andern ſchon ein grund geleget worden, ſo iſt es auch nicht eines jeden werck, alsdann einem Juͤden hinwieder auf ſeine einwuͤrffe zu begegnen, der hingegen, wo ihm nicht zur gnuͤge antwort gegeben werden kan, den zuſpruch verlachet, wo nicht gar dadurch mehr in ſeinem unglauben geſteiffet wird; Zu geſchweigen, daß auch diejenige ſanfftmuth, die gleichfalls in dieſem werck noͤthig iſt, ſich nicht bey allen findet, hingegen die geringſte hefftigkeit und bitterkeit, darin- nen man mit ihnen handlet, ſtracks die frucht des zuſpruchs verderbet. Da- her ich zwar nicht bloß verbieten wolte, daß ſich zu weilen einige verſtaͤndi- ge

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/104>, abgerufen am 24.11.2024.