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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
leute stärckste argumenten und lästerung mit der widerlegung zu finden, a-
ber auch so bald widerleget sind, stattlichen vortheil dazu thun, wo auch
gleichsam ein gantzer Catechismus vor solche leut zu finden, wie man ihnen
die lehr des heyls beybringen könne, welche handlung fleißig gelesen zu wer-
den meritiret. Es ist ferner zu mercken, daß der grund alles dessen, was
man mit ihnen vorhat, allein auf das unfehlbare wort GOttes zu setzen seye,
und zwar aus dem alten Testament, nachdem des neuen autorität bey ih-
nen nichts gilt; Dann jenes nehmen sie selbsten an, und ist auch ohne das
dasjenige gesegnete wort des lebens, dadurch der heilige Geist zu wircken be-
reit ist. Jndessen sind auch als neben-zeugnüssen und argumenta kat' an-
thropon diejenige nicht zu verachten, die man aus ihrem Thalmud, Thargu-
mim,
Rabbinen und Cabbala hernimmet, weil alle solche bey ihnen in gros-
ser autorität sind, und man deßhalben, wegen der starcken anhängigkeit ih-
rer gemüther an denselben, zuweilen mehr mit solchen als mit den gründli-
chen argumenten der schrifft ausrichtet. Es muß aber auch jedesmal fleis-
sig die Bewandnüß jeglicher personen wol in acht genommen, und was bey
jeder das durchdringenste, in der furcht des HErrn gebraucht werden. Jch
wolte auch sehr nützlich halten, daß ein solcher mann, der zu diesem werck eines
orts bestimmet würde, sich in correspondenz mit dem tapffern und in diesen
sachen geübtesten Herrn L. Ezardi in Hamburg begebe, welcher lange mit
solchem werck umgegangen, viele bereits bekehret, und die vornehmste vor-
theil, einwürffe und dero ableinungen am besten wird zeigen können.
11. Wo GOTT gnade gibet, daß sich einige anfangen bewegen zu
lassen, und man sihet, daß sie zu der bekehrung sich anfangen zu resolviren,
hat man zwar so viel stärcker drauf zu sehen, damit das gute werck nicht
stecken bleibe, aber doch auch mit der tauff und völliger aufnahme zu dem
Christenthum nicht zu sehr zu eylen. Solle also als ein requisitum der
tauff angesehen werden, nicht nur daß der candidatus baptismi feinen be-
richt seines glaubens habe, und darvon nach dem maaß seiner gaben rechen-
schafft geben könne, sondern daß man auch in seinem leben bereits einen
rechten grund der bekehrung, hingegen wahre ablegung der Jüdischen untu-
genden, und zwar solche gründlich, warnehme: Daher man sie in der pro-
be-zeit länger aufzuhalten, und auch alsdenn auf allerhand weise sie zu ver-
suchen hat, daß man sehe, wie es mit ihrem hertzen stehe: Dieses länger
aufhalten, und sorgfalt, sie recht nach dem grund ihres hertzens zu erken-
nen, müssen sie sich nicht verdriessen lassen/ sondern haben sowol selbs daraus
abzunehmen, wie heilig wir unsere tauffe halten, die wir nicht entweyhen
lassen wollen. Es dienet ihnen auch selbs dazu, weil gewißlich ihnen in
ihrem
Das ſiebende Capitel.
leute ſtaͤrckſte argumenten und laͤſterung mit der widerlegung zu finden, a-
ber auch ſo bald widerleget ſind, ſtattlichen vortheil dazu thun, wo auch
gleichſam ein gantzer Catechiſmus vor ſolche leut zu finden, wie man ihnen
die lehr des heyls beybringen koͤnne, welche handlung fleißig geleſen zu wer-
den meritiret. Es iſt ferner zu mercken, daß der grund alles deſſen, was
man mit ihnen vorhat, allein auf das unfehlbare wort GOttes zu ſetzen ſeye,
und zwar aus dem alten Teſtament, nachdem des neuen autoritaͤt bey ih-
nen nichts gilt; Dann jenes nehmen ſie ſelbſten an, und iſt auch ohne das
dasjenige geſegnete wort des lebens, dadurch der heilige Geiſt zu wircken be-
reit iſt. Jndeſſen ſind auch als neben-zeugnuͤſſen und argumenta κατ’ ἄν-
ϑρωπον diejenige nicht zu verachten, die man aus ihrem Thalmud, Thargu-
mim,
Rabbinen und Cabbala hernimmet, weil alle ſolche bey ihnen in groſ-
ſer autoritaͤt ſind, und man deßhalben, wegen der ſtarcken anhaͤngigkeit ih-
rer gemuͤther an denſelben, zuweilen mehr mit ſolchen als mit den gruͤndli-
chen argumenten der ſchrifft ausrichtet. Es muß aber auch jedesmal fleiſ-
ſig die Bewandnuͤß jeglicher perſonen wol in acht genommen, und was bey
jeder das durchdringenſte, in der furcht des HErrn gebraucht werden. Jch
wolte auch ſehr nuͤtzlich halten, daß ein ſolcher mann, der zu dieſem werck eines
orts beſtimmet wuͤrde, ſich in correſpondenz mit dem tapffern und in dieſen
ſachen geuͤbteſten Herrn L. Ezardi in Hamburg begebe, welcher lange mit
ſolchem werck umgegangen, viele bereits bekehret, und die vornehmſte vor-
theil, einwuͤrffe und dero ableinungen am beſten wird zeigen koͤnnen.
11. Wo GOTT gnade gibet, daß ſich einige anfangen bewegen zu
laſſen, und man ſihet, daß ſie zu der bekehrung ſich anfangen zu reſolviren,
hat man zwar ſo viel ſtaͤrcker drauf zu ſehen, damit das gute werck nicht
ſtecken bleibe, aber doch auch mit der tauff und voͤlliger aufnahme zu dem
Chriſtenthum nicht zu ſehr zu eylen. Solle alſo als ein requiſitum der
tauff angeſehen werden, nicht nur daß der candidatus baptiſmi feinen be-
richt ſeines glaubens habe, und darvon nach dem maaß ſeiner gaben rechen-
ſchafft geben koͤnne, ſondern daß man auch in ſeinem leben bereits einen
rechten grund der bekehrung, hingegen wahre ablegung der Juͤdiſchen untu-
genden, und zwar ſolche gruͤndlich, warnehme: Daher man ſie in der pro-
be-zeit laͤnger aufzuhalten, und auch alsdenn auf allerhand weiſe ſie zu ver-
ſuchen hat, daß man ſehe, wie es mit ihrem hertzen ſtehe: Dieſes laͤnger
aufhalten, und ſorgfalt, ſie recht nach dem grund ihres hertzens zu erken-
nen, muͤſſen ſie ſich nicht verdrieſſen laſſen/ ſondern haben ſowol ſelbs daraus
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[96/0108] Das ſiebende Capitel. leute ſtaͤrckſte argumenten und laͤſterung mit der widerlegung zu finden, a- ber auch ſo bald widerleget ſind, ſtattlichen vortheil dazu thun, wo auch gleichſam ein gantzer Catechiſmus vor ſolche leut zu finden, wie man ihnen die lehr des heyls beybringen koͤnne, welche handlung fleißig geleſen zu wer- den meritiret. Es iſt ferner zu mercken, daß der grund alles deſſen, was man mit ihnen vorhat, allein auf das unfehlbare wort GOttes zu ſetzen ſeye, und zwar aus dem alten Teſtament, nachdem des neuen autoritaͤt bey ih- nen nichts gilt; Dann jenes nehmen ſie ſelbſten an, und iſt auch ohne das dasjenige geſegnete wort des lebens, dadurch der heilige Geiſt zu wircken be- reit iſt. Jndeſſen ſind auch als neben-zeugnuͤſſen und argumenta κατ’ ἄν- ϑρωπον diejenige nicht zu verachten, die man aus ihrem Thalmud, Thargu- mim, Rabbinen und Cabbala hernimmet, weil alle ſolche bey ihnen in groſ- ſer autoritaͤt ſind, und man deßhalben, wegen der ſtarcken anhaͤngigkeit ih- rer gemuͤther an denſelben, zuweilen mehr mit ſolchen als mit den gruͤndli- chen argumenten der ſchrifft ausrichtet. Es muß aber auch jedesmal fleiſ- ſig die Bewandnuͤß jeglicher perſonen wol in acht genommen, und was bey jeder das durchdringenſte, in der furcht des HErrn gebraucht werden. Jch wolte auch ſehr nuͤtzlich halten, daß ein ſolcher mann, der zu dieſem werck eines orts beſtimmet wuͤrde, ſich in correſpondenz mit dem tapffern und in dieſen ſachen geuͤbteſten Herrn L. Ezardi in Hamburg begebe, welcher lange mit ſolchem werck umgegangen, viele bereits bekehret, und die vornehmſte vor- theil, einwuͤrffe und dero ableinungen am beſten wird zeigen koͤnnen. 11. Wo GOTT gnade gibet, daß ſich einige anfangen bewegen zu laſſen, und man ſihet, daß ſie zu der bekehrung ſich anfangen zu reſolviren, hat man zwar ſo viel ſtaͤrcker drauf zu ſehen, damit das gute werck nicht ſtecken bleibe, aber doch auch mit der tauff und voͤlliger aufnahme zu dem Chriſtenthum nicht zu ſehr zu eylen. Solle alſo als ein requiſitum der tauff angeſehen werden, nicht nur daß der candidatus baptiſmi feinen be- richt ſeines glaubens habe, und darvon nach dem maaß ſeiner gaben rechen- ſchafft geben koͤnne, ſondern daß man auch in ſeinem leben bereits einen rechten grund der bekehrung, hingegen wahre ablegung der Juͤdiſchen untu- genden, und zwar ſolche gruͤndlich, warnehme: Daher man ſie in der pro- be-zeit laͤnger aufzuhalten, und auch alsdenn auf allerhand weiſe ſie zu ver- ſuchen hat, daß man ſehe, wie es mit ihrem hertzen ſtehe: Dieſes laͤnger aufhalten, und ſorgfalt, ſie recht nach dem grund ihres hertzens zu erken- nen, muͤſſen ſie ſich nicht verdrieſſen laſſen/ ſondern haben ſowol ſelbs daraus abzunehmen, wie heilig wir unſere tauffe halten, die wir nicht entweyhen laſſen wollen. Es dienet ihnen auch ſelbs dazu, weil gewißlich ihnen in ihrem

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/108>, abgerufen am 24.11.2024.