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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
ter einander nicht allerdings ohne erbauung seye. Jn den puncten, daß des
schlechten Christenthums mit ursach seye, die so gar schwache und oben hin
anstellende vorstellung des glaubens, bin ich gantz einstimmig. Dann
freylich ist es so, wo der glaube vorhanden wäre bey den meisten, so wür-
den die früchten des glaubens nicht aussen bleiben, die davon unzertrenn-
lich sind. Es kan aber der glaube durch nichts anders als durch das wort
von dem glauben, nemlich das heilige evangelium, zu wege gebracht, und
gewircket werden, als welches der saame ist, aus dem der glaube wächset,
und wir wiedergebohren werden. Daher ists freylich nicht genug, oben hin
etwas von dem glauben oder den wohlthaten GOttes zu gedencken, son-
dern dieselbe immerfort nachtrücklich und angelegenlich zu treiben, damit
auch in das hertze komme, was in die ohren fället. Weswegen ich mir son-
derlich in diesem jahr den methodum erwehlet habe, bey jeglichem evangelio
einen schatz der seligkeit oder wohlthat des himmlischen vaters, in Christo Je-
su uns erzeiget, der gemeinde einfältig vorzuhalten, ob der HErr solche arbeit
dazu segnen wolle, daß der glaube in mehrern hertzen erwecket und gestärcket
werde, daran ich auch nach göttlicher verheissung nicht zweiffeln will. Jndes-
sen hoffe ich, es werde mein geliebter bruder auch darinnen mit mir einig
seyn, wie dieses das haupt-werck unsers amts ist, daß die andere officia
nicht darneben zu unterlassen seyn, ja offt was die eusserliche bemühung
anlangt, eine mehrere zeit und arbeit erfordern als jenes. Wie etwa
das umackern eines feldes, eggen und dergleichen, mehr zeit und mühe
haben will, als das ausstreuen des saamens, ob wol dieses das haupt-
werck des ackermannes ist, auf welches alle seine hoffnung ziehlet, und dazu
die andere seine verrichtungen nur vorbereitungen oder beyhülffen sind. Also
sehen wir, wie unser liebste Heyland, als er seine jünger aussandte, befahl
ihnen zu predigen buß und vergebung der sünden, deren jene ziemli-
chen theils aus dem gesetz, was nemlich den einen theil anlangt, diese aus
dem Evan gelio kommt, so hat ers selbs auch gemacht, und den lieben Jo-
hannem seinen vorläuffer gleichen methodum brauchen lassen. Jst al-
so bey der bekehrung noth, daß der mensch seiner sünden überführet, und zu
dero reue und haß gebracht werde, sonsten möchte der saamen in einem un-
umgebrochenen feld nichts tragen oder aufgehen können. Wo wir aber
den menschen ihr elend und jammer zeigen, darinnen sie durch die sünde ste-
cken, wie ihnen weder in der welt bey aller ihrer herrlichkeit und genuß je-
mal wohl seye, noch ewig wohl seyn könne, sondern was vor straffen und
quaal ihrer warte, daß sie also eine furcht und angst, dabey aber eine be-
gierde und verlangen nach einem wahren heyl, bekommen, so mag alsdann
die predigt des heyls frucht schaffen, und einen beqvemen acker finden. So

ist

Das ſiebende Capitel.
ter einander nicht allerdings ohne erbauung ſeye. Jn den puncten, daß des
ſchlechten Chriſtenthums mit urſach ſeye, die ſo gar ſchwache und oben hin
anſtellende vorſtellung des glaubens, bin ich gantz einſtimmig. Dann
freylich iſt es ſo, wo der glaube vorhanden waͤre bey den meiſten, ſo wuͤr-
den die fruͤchten des glaubens nicht auſſen bleiben, die davon unzertrenn-
lich ſind. Es kan aber der glaube durch nichts anders als durch das wort
von dem glauben, nemlich das heilige evangelium, zu wege gebracht, und
gewircket werden, als welches der ſaame iſt, aus dem der glaube waͤchſet,
und wir wiedergebohren werden. Daher iſts freylich nicht genug, oben hin
etwas von dem glauben oder den wohlthaten GOttes zu gedencken, ſon-
dern dieſelbe immerfort nachtruͤcklich und angelegenlich zu treiben, damit
auch in das hertze komme, was in die ohren faͤllet. Weswegen ich mir ſon-
derlich in dieſem jahr den methodum erwehlet habe, bey jeglichem evangelio
einen ſchatz der ſeligkeit oder wohlthat des himmliſchen vaters, in Chriſto Je-
ſu uns erzeiget, der gemeinde einfaͤltig vorzuhalten, ob der HErr ſolche arbeit
dazu ſegnen wolle, daß der glaube in mehrern hertzen erwecket und geſtaͤrcket
werde, daran ich auch nach goͤttlicher verheiſſung nicht zweiffeln will. Jndeſ-
ſen hoffe ich, es werde mein geliebter bruder auch darinnen mit mir einig
ſeyn, wie dieſes das haupt-werck unſers amts iſt, daß die andere officia
nicht darneben zu unterlaſſen ſeyn, ja offt was die euſſerliche bemuͤhung
anlangt, eine mehrere zeit und arbeit erfordern als jenes. Wie etwa
das umackern eines feldes, eggen und dergleichen, mehr zeit und muͤhe
haben will, als das ausſtreuen des ſaamens, ob wol dieſes das haupt-
werck des ackermannes iſt, auf welches alle ſeine hoffnung ziehlet, und dazu
die andere ſeine verrichtungen nur vorbereitungen oder beyhuͤlffen ſind. Alſo
ſehen wir, wie unſer liebſte Heyland, als er ſeine juͤnger ausſandte, befahl
ihnen zu predigen buß und vergebung der ſuͤnden, deren jene ziemli-
chen theils aus dem geſetz, was nemlich den einen theil anlangt, dieſe aus
dem Evan gelio kommt, ſo hat ers ſelbs auch gemacht, und den lieben Jo-
hannem ſeinen vorlaͤuffer gleichen methodum brauchen laſſen. Jſt al-
ſo bey der bekehrung noth, daß der menſch ſeiner ſuͤnden uͤberfuͤhret, und zu
dero reue und haß gebracht werde, ſonſten moͤchte der ſaamen in einem un-
umgebrochenen feld nichts tragen oder aufgehen koͤnnen. Wo wir aber
den menſchen ihr elend und jammer zeigen, darinnen ſie durch die ſuͤnde ſte-
cken, wie ihnen weder in der welt bey aller ihrer herrlichkeit und genuß je-
mal wohl ſeye, noch ewig wohl ſeyn koͤnne, ſondern was vor ſtraffen und
quaal ihrer warte, daß ſie alſo eine furcht und angſt, dabey aber eine be-
gierde und verlangen nach einem wahren heyl, bekommen, ſo mag alsdann
die predigt des heyls frucht ſchaffen, und einen beqvemen acker finden. So

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[118/0130] Das ſiebende Capitel. ter einander nicht allerdings ohne erbauung ſeye. Jn den puncten, daß des ſchlechten Chriſtenthums mit urſach ſeye, die ſo gar ſchwache und oben hin anſtellende vorſtellung des glaubens, bin ich gantz einſtimmig. Dann freylich iſt es ſo, wo der glaube vorhanden waͤre bey den meiſten, ſo wuͤr- den die fruͤchten des glaubens nicht auſſen bleiben, die davon unzertrenn- lich ſind. Es kan aber der glaube durch nichts anders als durch das wort von dem glauben, nemlich das heilige evangelium, zu wege gebracht, und gewircket werden, als welches der ſaame iſt, aus dem der glaube waͤchſet, und wir wiedergebohren werden. Daher iſts freylich nicht genug, oben hin etwas von dem glauben oder den wohlthaten GOttes zu gedencken, ſon- dern dieſelbe immerfort nachtruͤcklich und angelegenlich zu treiben, damit auch in das hertze komme, was in die ohren faͤllet. Weswegen ich mir ſon- derlich in dieſem jahr den methodum erwehlet habe, bey jeglichem evangelio einen ſchatz der ſeligkeit oder wohlthat des himmliſchen vaters, in Chriſto Je- ſu uns erzeiget, der gemeinde einfaͤltig vorzuhalten, ob der HErr ſolche arbeit dazu ſegnen wolle, daß der glaube in mehrern hertzen erwecket und geſtaͤrcket werde, daran ich auch nach goͤttlicher verheiſſung nicht zweiffeln will. Jndeſ- ſen hoffe ich, es werde mein geliebter bruder auch darinnen mit mir einig ſeyn, wie dieſes das haupt-werck unſers amts iſt, daß die andere officia nicht darneben zu unterlaſſen ſeyn, ja offt was die euſſerliche bemuͤhung anlangt, eine mehrere zeit und arbeit erfordern als jenes. Wie etwa das umackern eines feldes, eggen und dergleichen, mehr zeit und muͤhe haben will, als das ausſtreuen des ſaamens, ob wol dieſes das haupt- werck des ackermannes iſt, auf welches alle ſeine hoffnung ziehlet, und dazu die andere ſeine verrichtungen nur vorbereitungen oder beyhuͤlffen ſind. Alſo ſehen wir, wie unſer liebſte Heyland, als er ſeine juͤnger ausſandte, befahl ihnen zu predigen buß und vergebung der ſuͤnden, deren jene ziemli- chen theils aus dem geſetz, was nemlich den einen theil anlangt, dieſe aus dem Evan gelio kommt, ſo hat ers ſelbs auch gemacht, und den lieben Jo- hannem ſeinen vorlaͤuffer gleichen methodum brauchen laſſen. Jſt al- ſo bey der bekehrung noth, daß der menſch ſeiner ſuͤnden uͤberfuͤhret, und zu dero reue und haß gebracht werde, ſonſten moͤchte der ſaamen in einem un- umgebrochenen feld nichts tragen oder aufgehen koͤnnen. Wo wir aber den menſchen ihr elend und jammer zeigen, darinnen ſie durch die ſuͤnde ſte- cken, wie ihnen weder in der welt bey aller ihrer herrlichkeit und genuß je- mal wohl ſeye, noch ewig wohl ſeyn koͤnne, ſondern was vor ſtraffen und quaal ihrer warte, daß ſie alſo eine furcht und angſt, dabey aber eine be- gierde und verlangen nach einem wahren heyl, bekommen, ſo mag alsdann die predigt des heyls frucht ſchaffen, und einen beqvemen acker finden. So iſt

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/130>, abgerufen am 24.11.2024.