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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
weil in solcher sache es auch nicht wenig an des menschen temperament gele-
gen ist: Nicht zwar ob wäre die glaubens freudigkeit der jenigen, welche
GOtt damit begabet, bloß dahin eine wirckung einer sanguinischen oder
sonsten frölichen constitution, da gleichwol viele dieses temperaments sich
finden werden, die noch von jener nichts wissen, noch hingegen, ob wäre
es blosser dings ein effect einer melancholischen disposition, wo es an sol-
cher empfindlichkeit mangelt, oder der mensch durch einige geistliche anfech-
tungen von GOtt geübet wird, da wir doch weder bey allen solches tem-
peramen
ts diese geistliche schwermuth empfinden werden, als die sich bey
manchen in gar anderen effectibus vielmehr hervorthut, noch ists GOtt
unmöglich, dergleichen leute in seinen probier-ofen ein zusetzen, bey welchen
die natur mehr zur freude geneiget ist: Sondern dieses ist nur die meinung,
daß GOTT so wol in solcher als anderer sache sich seines eigenen wercks
(wie ja natur und temperament sein geschöpff ist) ordentlich gebrauche,
auch in seinen gnaden wirckungen bey seinen gläubigen: Wie wir so gar
sehen, daß auch der heilige Geist bey den Propheten und Apostelen sich bey
seinem eingeben und inspiration deß in sie natürlich gelegten, als S[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]yli
und dergleichen gebrauchet habe, daher wir wol sagen können, daß einige
menschen nach ihrem temperament dieser und jener wirckungen und de-
ro gefühls nicht wol fähig sind, GOTT wolte dann so zu reden einige
wunder an ihnen thun. Wir schliessen aber billich, weil auch solche aus-
theilung der unterschiedenen temperamenten nicht von ungefehr, sondern
aus weisem rath GOttes geschehen, daß dann GOtt eben deßwegen diesem
und jenem ein solches gegeben habe, darinnen er nicht leicht oder je selten
sich zu einer freudigkeit erheben kan, sondern meistens in schwermuth und
ohne freudigkeit gantz niedergeschlagen seinem GOtt dienen muß. Weil er
seiner seelen die er als der schöpffer nach allen inclinationen und innersten
bewandnüß bestesns allein kennet, solchen gleichsam kerker zu dem zweck, da-
zu sie gesetzet ist, nützlich und nötig erkennet, daher ein solcher sich desto
eher zu frieden geben kan, nicht nur weil wir sonsten in natürlichen sachen
dafür halten, wie wir von GOTT erschaffen sind, daß wir damit billig uns
vergnügen, sondern wie wir gewiß versichert seyn können, daß auch aller
solcher unterscheid nicht ungefehr herkomme, sondern die weise güte des
schöpffers zur ursachen habe. Weßwegen es ja billich ist, nicht so wol
göttliche gnade hieraus in zweiffel zu ziehen, als vielmehr dero weißheit
mit demuth zu ehren, ja nicht so angelegenlich jene ob zwar so selige und an-
nehmliche süßigkeit göttlichen geschmacks, da sie uns versaget, zu suchen,
als von dem HERRN die jenige gnade zu bitten haben, daß wir in einer
völligen gelassenheit seinem willen uns unterwerffen mögen, weil es ja ei-

ne

Das ſiebende Capitel.
weil in ſolcher ſache es auch nicht wenig an des menſchen temperament gele-
gen iſt: Nicht zwar ob waͤre die glaubens freudigkeit der jenigen, welche
GOtt damit begabet, bloß dahin eine wirckung einer ſanguiniſchen oder
ſonſten froͤlichen conſtitution, da gleichwol viele dieſes temperaments ſich
finden werden, die noch von jener nichts wiſſen, noch hingegen, ob waͤre
es bloſſer dings ein effect einer melancholiſchen diſpoſition, wo es an ſol-
cher empfindlichkeit mangelt, oder der menſch durch einige geiſtliche anfech-
tungen von GOtt geuͤbet wird, da wir doch weder bey allen ſolches tem-
peramen
ts dieſe geiſtliche ſchwermuth empfinden werden, als die ſich bey
manchen in gar anderen effectibus vielmehr hervorthut, noch iſts GOtt
unmoͤglich, dergleichen leute in ſeinen probier-ofen ein zuſetzen, bey welchen
die natur mehr zur freude geneiget iſt: Sondern dieſes iſt nur die meinung,
daß GOTT ſo wol in ſolcher als anderer ſache ſich ſeines eigenen wercks
(wie ja natur und temperament ſein geſchoͤpff iſt) ordentlich gebrauche,
auch in ſeinen gnaden wirckungen bey ſeinen glaͤubigen: Wie wir ſo gar
ſehen, daß auch der heilige Geiſt bey den Propheten und Apoſtelen ſich bey
ſeinem eingeben und inſpiration deß in ſie natuͤrlich gelegten, als S[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]yli
und dergleichen gebrauchet habe, daher wir wol ſagen koͤnnen, daß einige
menſchen nach ihrem temperament dieſer und jener wirckungen und de-
ro gefuͤhls nicht wol faͤhig ſind, GOTT wolte dann ſo zu reden einige
wunder an ihnen thun. Wir ſchlieſſen aber billich, weil auch ſolche aus-
theilung der unterſchiedenen temperamenten nicht von ungefehr, ſondern
aus weiſem rath GOttes geſchehen, daß dann GOtt eben deßwegen dieſem
und jenem ein ſolches gegeben habe, darinnen er nicht leicht oder je ſelten
ſich zu einer freudigkeit erheben kan, ſondern meiſtens in ſchwermuth und
ohne freudigkeit gantz niedergeſchlagen ſeinem GOtt dienen muß. Weil er
ſeiner ſeelen die er als der ſchoͤpffer nach allen inclinationen und innerſten
bewandnuͤß beſtesns allein kennet, ſolchen gleichſam kerker zu dem zweck, da-
zu ſie geſetzet iſt, nuͤtzlich und noͤtig erkennet, daher ein ſolcher ſich deſto
eher zu frieden geben kan, nicht nur weil wir ſonſten in natuͤrlichen ſachen
dafuͤr halten, wie wir von GOTT erſchaffen ſind, daß wir damit billig uns
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ſolcher unterſcheid nicht ungefehr herkomme, ſondern die weiſe guͤte des
ſchoͤpffers zur urſachen habe. Weßwegen es ja billich iſt, nicht ſo wol
goͤttliche gnade hieraus in zweiffel zu ziehen, als vielmehr dero weißheit
mit demuth zu ehren, ja nicht ſo angelegenlich jene ob zwar ſo ſelige und an-
nehmliche ſuͤßigkeit goͤttlichen geſchmacks, da ſie uns verſaget, zu ſuchen,
als von dem HERRN die jenige gnade zu bitten haben, daß wir in einer
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ne
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[134/0146] Das ſiebende Capitel. weil in ſolcher ſache es auch nicht wenig an des menſchen temperament gele- gen iſt: Nicht zwar ob waͤre die glaubens freudigkeit der jenigen, welche GOtt damit begabet, bloß dahin eine wirckung einer ſanguiniſchen oder ſonſten froͤlichen conſtitution, da gleichwol viele dieſes temperaments ſich finden werden, die noch von jener nichts wiſſen, noch hingegen, ob waͤre es bloſſer dings ein effect einer melancholiſchen diſpoſition, wo es an ſol- cher empfindlichkeit mangelt, oder der menſch durch einige geiſtliche anfech- tungen von GOtt geuͤbet wird, da wir doch weder bey allen ſolches tem- peraments dieſe geiſtliche ſchwermuth empfinden werden, als die ſich bey manchen in gar anderen effectibus vielmehr hervorthut, noch iſts GOtt unmoͤglich, dergleichen leute in ſeinen probier-ofen ein zuſetzen, bey welchen die natur mehr zur freude geneiget iſt: Sondern dieſes iſt nur die meinung, daß GOTT ſo wol in ſolcher als anderer ſache ſich ſeines eigenen wercks (wie ja natur und temperament ſein geſchoͤpff iſt) ordentlich gebrauche, auch in ſeinen gnaden wirckungen bey ſeinen glaͤubigen: Wie wir ſo gar ſehen, daß auch der heilige Geiſt bey den Propheten und Apoſtelen ſich bey ſeinem eingeben und inſpiration deß in ſie natuͤrlich gelegten, als S_yli und dergleichen gebrauchet habe, daher wir wol ſagen koͤnnen, daß einige menſchen nach ihrem temperament dieſer und jener wirckungen und de- ro gefuͤhls nicht wol faͤhig ſind, GOTT wolte dann ſo zu reden einige wunder an ihnen thun. Wir ſchlieſſen aber billich, weil auch ſolche aus- theilung der unterſchiedenen temperamenten nicht von ungefehr, ſondern aus weiſem rath GOttes geſchehen, daß dann GOtt eben deßwegen dieſem und jenem ein ſolches gegeben habe, darinnen er nicht leicht oder je ſelten ſich zu einer freudigkeit erheben kan, ſondern meiſtens in ſchwermuth und ohne freudigkeit gantz niedergeſchlagen ſeinem GOtt dienen muß. Weil er ſeiner ſeelen die er als der ſchoͤpffer nach allen inclinationen und innerſten bewandnuͤß beſtesns allein kennet, ſolchen gleichſam kerker zu dem zweck, da- zu ſie geſetzet iſt, nuͤtzlich und noͤtig erkennet, daher ein ſolcher ſich deſto eher zu frieden geben kan, nicht nur weil wir ſonſten in natuͤrlichen ſachen dafuͤr halten, wie wir von GOTT erſchaffen ſind, daß wir damit billig uns vergnuͤgen, ſondern wie wir gewiß verſichert ſeyn koͤnnen, daß auch aller ſolcher unterſcheid nicht ungefehr herkomme, ſondern die weiſe guͤte des ſchoͤpffers zur urſachen habe. Weßwegen es ja billich iſt, nicht ſo wol goͤttliche gnade hieraus in zweiffel zu ziehen, als vielmehr dero weißheit mit demuth zu ehren, ja nicht ſo angelegenlich jene ob zwar ſo ſelige und an- nehmliche ſuͤßigkeit goͤttlichen geſchmacks, da ſie uns verſaget, zu ſuchen, als von dem HERRN die jenige gnade zu bitten haben, daß wir in einer voͤlligen gelaſſenheit ſeinem willen uns unterwerffen moͤgen, weil es ja ei- ne

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/146>, abgerufen am 24.11.2024.