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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. XXXIV.
Jndessen weil es ein spiel des lügen-geistes ist, wär sich nicht darauf zu
gründen, daß die jenige insgesamt also beschaffen und der zauberey mitge-
nossen seyn müßten, die die kinder also sehen; sondern er behält seine natur,
wie in andern seinen wercken, also auch in diesem, da es ohne das mit illusio-
n
en hergehet.

Die sechste frage.
Was zu halten von dem GOTT absagen, welches die kinder ih-
rer einbildung nach thun bey der hexen versamlungen.

JCh halte sie vor ein abermaliges gauckelspiel des leidigen teufels, weil
alles das jenige, was er mit ihnen thut in dem schlaff, von seiner seit in
in einer illusion und vorstellung seiner schatten-bilder bestehet, daß
also auch was sie zu thun meinen, eben so wol nichts anders als eine einbil-
dung und nichts wahrhafftiges seye: Wie es ja in solchem ihrem zustand
geschihet, wo die seele zu solchen vernünfftigen verrichtungen untüchtig ist,
auch die zunge nicht gebraucht wird, noch einige rede einer solchen absagung
wird gehöret worden seyn: Wo aber dergleichen gehöret worden wäre, sich
mit andern reden der schlaffenden vergleichen liesse, welches aus ermange-
[l]ung des völligen gebrauchs des verstandes nicht vor ein wahres menschli-
ches reden geachtet werden kan.

Jndessen ist es 2. doch eine gefährliche sache, alldieweil es nicht nur den
kindern in dem sinne lieget, und sie sich damit martern, nicht anders als ob es
wircklich geschehen wäre. Wie ich mich auch einer christlichen, aber aus
einem temperamento melancholico der schwermuth und anfechtung
mehr unterworffenen, person erinnere, welche da sie in einer kranckheit verir-
ret sich einbildete, sie hätte mit austrücklichen worten sich und ihre kinder dem
teufel übergeben, nicht davon gebracht werden kunte, ob wol damal,
als sie solches gethan zu haben sich einbildete, leute vorhanden gewesen, die
nichts dergleichen gehöret hatten, sondern sich mit dieser schrecklichen sorge
stäts marterte, und offters mit der verzweifflung rang, daselbst ich mehr-
mal mit ihr davon zu handlen hatte. Sondern auch, weil zu sorgen, daß
manche nachmal auch wachend der sache nachdencken mögen, aus forcht
oder sonsten, weil sie dafür gehalten, es seye ja geschehen, und sie könten
nicht mehr zurücke, darein mögen gewilliget haben: dadurch aus einer ein-
gebildeten nachmal eine thätige verleugnung möchte worden seyn: so viel
mehr da sie angefangen mit widrigkeit gegen die eltern, gegen das gebet und
sonsten in der that den dienst dem teufel zu leisten, u. also die ergebung an ihn
damit zu bekräftigen. Aber 3. ist es gleichwol eine solche absagung, welche den
kindern bey ihrer buß an ihrer seligkeit nicht hinderlich seyn kan; nicht nur

weil
x 2

ARTIC. I. SECT. XXXIV.
Jndeſſen weil es ein ſpiel des luͤgen-geiſtes iſt, waͤr ſich nicht darauf zu
gruͤnden, daß die jenige insgeſamt alſo beſchaffen und der zauberey mitge-
noſſen ſeyn muͤßten, die die kinder alſo ſehen; ſondern er behaͤlt ſeine natur,
wie in andern ſeinen wercken, alſo auch in dieſem, da es ohne das mit illuſio-
n
en hergehet.

Die ſechſte frage.
Was zu halten von dem GOTT abſagen, welches die kinder ih-
rer einbildung nach thun bey der hexen verſamlungen.

JCh halte ſie vor ein abermaliges gauckelſpiel des leidigen teufels, weil
alles das jenige, was er mit ihnen thut in dem ſchlaff, von ſeiner ſeit in
in einer illuſion und vorſtellung ſeiner ſchatten-bilder beſtehet, daß
alſo auch was ſie zu thun meinen, eben ſo wol nichts anders als eine einbil-
dung und nichts wahrhafftiges ſeye: Wie es ja in ſolchem ihrem zuſtand
geſchihet, wo die ſeele zu ſolchen vernuͤnfftigen verrichtungen untuͤchtig iſt,
auch die zunge nicht gebraucht wird, noch einige rede einer ſolchen abſagung
wird gehoͤret worden ſeyn: Wo aber dergleichen gehoͤret worden waͤre, ſich
mit andern reden der ſchlaffenden vergleichen lieſſe, welches aus ermange-
[l]ung des voͤlligen gebrauchs des verſtandes nicht vor ein wahres menſchli-
ches reden geachtet werden kan.

Jndeſſen iſt es 2. doch eine gefaͤhrliche ſache, alldieweil es nicht nur den
kindern in dem ſinne lieget, und ſie ſich damit martern, nicht anders als ob es
wircklich geſchehen waͤre. Wie ich mich auch einer chriſtlichen, aber aus
einem temperamento melancholico der ſchwermuth und anfechtung
mehr unterworffenen, perſon erinnere, welche da ſie in einer kranckheit verir-
ret ſich einbildete, ſie haͤtte mit austruͤcklichen worten ſich und ihre kinder dem
teufel uͤbergeben, nicht davon gebracht werden kunte, ob wol damal,
als ſie ſolches gethan zu haben ſich einbildete, leute vorhanden geweſen, die
nichts dergleichen gehoͤret hatten, ſondern ſich mit dieſer ſchrecklichen ſorge
ſtaͤts marterte, und offters mit der verzweifflung rang, daſelbſt ich mehr-
mal mit ihr davon zu handlen hatte. Sondern auch, weil zu ſorgen, daß
manche nachmal auch wachend der ſache nachdencken moͤgen, aus forcht
oder ſonſten, weil ſie dafuͤr gehalten, es ſeye ja geſchehen, und ſie koͤnten
nicht mehr zuruͤcke, darein moͤgen gewilliget haben: dadurch aus einer ein-
gebildeten nachmal eine thaͤtige verleugnung moͤchte worden ſeyn: ſo viel
mehr da ſie angefangen mit widrigkeit gegen die eltern, gegen das gebet und
ſonſten in der that den dienſt dem teufel zu leiſten, u. alſo die ergebung an ihn
damit zu bekraͤftigen. Aber 3. iſt es gleichwol eine ſolche abſagung, welche den
kindern bey ihrer buß an ihrer ſeligkeit nicht hinderlich ſeyn kan; nicht nur

weil
x 2
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[163/0175] ARTIC. I. SECT. XXXIV. Jndeſſen weil es ein ſpiel des luͤgen-geiſtes iſt, waͤr ſich nicht darauf zu gruͤnden, daß die jenige insgeſamt alſo beſchaffen und der zauberey mitge- noſſen ſeyn muͤßten, die die kinder alſo ſehen; ſondern er behaͤlt ſeine natur, wie in andern ſeinen wercken, alſo auch in dieſem, da es ohne das mit illuſio- nen hergehet. Die ſechſte frage. Was zu halten von dem GOTT abſagen, welches die kinder ih- rer einbildung nach thun bey der hexen verſamlungen. JCh halte ſie vor ein abermaliges gauckelſpiel des leidigen teufels, weil alles das jenige, was er mit ihnen thut in dem ſchlaff, von ſeiner ſeit in in einer illuſion und vorſtellung ſeiner ſchatten-bilder beſtehet, daß alſo auch was ſie zu thun meinen, eben ſo wol nichts anders als eine einbil- dung und nichts wahrhafftiges ſeye: Wie es ja in ſolchem ihrem zuſtand geſchihet, wo die ſeele zu ſolchen vernuͤnfftigen verrichtungen untuͤchtig iſt, auch die zunge nicht gebraucht wird, noch einige rede einer ſolchen abſagung wird gehoͤret worden ſeyn: Wo aber dergleichen gehoͤret worden waͤre, ſich mit andern reden der ſchlaffenden vergleichen lieſſe, welches aus ermange- lung des voͤlligen gebrauchs des verſtandes nicht vor ein wahres menſchli- ches reden geachtet werden kan. Jndeſſen iſt es 2. doch eine gefaͤhrliche ſache, alldieweil es nicht nur den kindern in dem ſinne lieget, und ſie ſich damit martern, nicht anders als ob es wircklich geſchehen waͤre. Wie ich mich auch einer chriſtlichen, aber aus einem temperamento melancholico der ſchwermuth und anfechtung mehr unterworffenen, perſon erinnere, welche da ſie in einer kranckheit verir- ret ſich einbildete, ſie haͤtte mit austruͤcklichen worten ſich und ihre kinder dem teufel uͤbergeben, nicht davon gebracht werden kunte, ob wol damal, als ſie ſolches gethan zu haben ſich einbildete, leute vorhanden geweſen, die nichts dergleichen gehoͤret hatten, ſondern ſich mit dieſer ſchrecklichen ſorge ſtaͤts marterte, und offters mit der verzweifflung rang, daſelbſt ich mehr- mal mit ihr davon zu handlen hatte. Sondern auch, weil zu ſorgen, daß manche nachmal auch wachend der ſache nachdencken moͤgen, aus forcht oder ſonſten, weil ſie dafuͤr gehalten, es ſeye ja geſchehen, und ſie koͤnten nicht mehr zuruͤcke, darein moͤgen gewilliget haben: dadurch aus einer ein- gebildeten nachmal eine thaͤtige verleugnung moͤchte worden ſeyn: ſo viel mehr da ſie angefangen mit widrigkeit gegen die eltern, gegen das gebet und ſonſten in der that den dienſt dem teufel zu leiſten, u. alſo die ergebung an ihn damit zu bekraͤftigen. Aber 3. iſt es gleichwol eine ſolche abſagung, welche den kindern bey ihrer buß an ihrer ſeligkeit nicht hinderlich ſeyn kan; nicht nur weil x 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/175>, abgerufen am 26.11.2024.