Die achte frage. Ob es besser, daß ein kind, solche anfechtung zu vermeiden, bey tag schlaffe als bey nacht?
JCh wolte jenes niemanden rathen, sondern hielte vielmehr dafür, es wäre dem satan zu viel gewichen, da wir aus furcht vor seinen anfech- tungen die göttliche ordnung, welche die nacht zur ruhe, den tag aber zur arbeit eingesetzet hat, umkehren wolten: Da wir vielmehr im glauben widerstehen, und uns seinet willen wie von anderm unserm beruff, also auch übrigen ordnung, die zu unserer lebens nothdurfft gehöret, nicht abziehen lassen dörffen. So sind solche anfechtungen und phantasien, die von dem teufel ihnen vorkommen, nicht an sich selbs sünde, welche zu vermeiden, wir alle mügliche mittel und wege ergreiffen müssen, sondern sie sind ihnen selbs ein beschwerliches leiden; Da sie zwar zu GOTT dem HErren um die hinwegnehmung hertzlich zu bitten, auch alle sonsten gegen des satans angriff geordnete mittel gebrauchen sollen, nicht aber um der ursach willen die gantze art ihres lebens andern dörffen. So wäre auch zu sorgen, wo dergleichen in die länge continuiret würde, sonderlich da nachmal des nachts andere bey ihnen seyn müßten, daß solches unzeitige wachen allen schädlich, ja an gesundheit und ihrem beruf hinderlich seyn, oder zu einer solchen gewohnheit werden möchte, welche sie dermaleins in ihrem gan- tzen leben sehr hinderte, so müßten sie auch künfftig in gefahr stehen, wo sie dermaleins solche gewohnheit wieder ändern wolten, daß das vorige übel wieder käme, ja so viel sorglicher, als mehr sie nun der nacht-ruhe entwoh- net waren. Welches alles dergleichen ungelegenheiten sind, die man sich selbs zu machen nicht nöthig hat, noch aus furcht für dem satan dergleichen sich zuziehen solle: Viel gemässer aber wird es göttlichem willen seyn, da die kinder durch GOttes gnade ziemlich wieder zu recht gebracht, daß zwar mit allen solchen mitteln sie ferner für allem bösen zu verwahren fort gefah- ren werde, aber die eltern abends mit eigenem und derselben gebet ihre kinder zur ruhe legen, und als dann geschehen lassen, so viel GOtt annoch zu fernerer prüffung ihrer gedult verhängen will; Jedoch daß jemand nicht fern von den kindern seye, der bey allen fällen ihnen beyspringen könne: Wie ihnen dann auch zu solcher zeit die einsamkeit nicht nützlich seyn kan. So ist auch hoffnung, daß GOtt, dem man mit gläubigem hertzen und mit ge- bet die gantze sache empfiehlet, schon seine zeit bestimmet haben wird, da diese anfechtung ein ende nehmen solle, dero mit gedult zu erwarten, und in der ordnung des HErren zu bleiben, das sicherste, nicht aber auf eine solche unordentliche weise die befreyung gleichsam erzwingen zu wollen, rath-
sam
Das ſiebende Capitel.
Die achte frage. Ob es beſſer, daß ein kind, ſolche anfechtung zu vermeiden, bey tag ſchlaffe als bey nacht?
JCh wolte jenes niemanden rathen, ſondern hielte vielmehr dafuͤr, es waͤre dem ſatan zu viel gewichen, da wir aus furcht vor ſeinen anfech- tungen die goͤttliche ordnung, welche die nacht zur ruhe, den tag aber zur arbeit eingeſetzet hat, umkehren wolten: Da wir vielmehr im glauben widerſtehen, und uns ſeinet willen wie von anderm unſerm beruff, alſo auch uͤbrigen ordnung, die zu unſerer lebens nothdurfft gehoͤret, nicht abziehen laſſen doͤrffen. So ſind ſolche anfechtungen und phantaſien, die von dem teufel ihnen vorkommen, nicht an ſich ſelbs ſuͤnde, welche zu vermeiden, wir alle muͤgliche mittel und wege ergreiffen muͤſſen, ſondern ſie ſind ihnen ſelbs ein beſchwerliches leiden; Da ſie zwar zu GOTT dem HErren um die hinwegnehmung hertzlich zu bitten, auch alle ſonſten gegen des ſatans angriff geordnete mittel gebrauchen ſollen, nicht aber um der urſach willen die gantze art ihres lebens andern doͤrffen. So waͤre auch zu ſorgen, wo dergleichen in die laͤnge continuiret wuͤrde, ſonderlich da nachmal des nachts andere bey ihnen ſeyn muͤßten, daß ſolches unzeitige wachen allen ſchaͤdlich, ja an geſundheit und ihrem beruf hinderlich ſeyn, oder zu einer ſolchen gewohnheit werden moͤchte, welche ſie dermaleins in ihrem gan- tzen leben ſehr hinderte, ſo muͤßten ſie auch kuͤnfftig in gefahr ſtehen, wo ſie dermaleins ſolche gewohnheit wieder aͤndern wolten, daß das vorige uͤbel wieder kaͤme, ja ſo viel ſorglicher, als mehr ſie nun der nacht-ruhe entwoh- net waren. Welches alles dergleichen ungelegenheiten ſind, die man ſich ſelbs zu machen nicht noͤthig hat, noch aus furcht fuͤr dem ſatan dergleichen ſich zuziehen ſolle: Viel gemaͤſſer aber wird es goͤttlichem willen ſeyn, da die kinder durch GOttes gnade ziemlich wieder zu recht gebracht, daß zwar mit allen ſolchen mitteln ſie ferner fuͤr allem boͤſen zu verwahren fort gefah- ren werde, aber die eltern abends mit eigenem und derſelben gebet ihre kinder zur ruhe legen, und als dann geſchehen laſſen, ſo viel GOtt annoch zu fernerer pruͤffung ihrer gedult verhaͤngen will; Jedoch daß jemand nicht fern von den kindern ſeye, der bey allen faͤllen ihnen beyſpringen koͤnne: Wie ihnen dann auch zu ſolcher zeit die einſamkeit nicht nuͤtzlich ſeyn kan. So iſt auch hoffnung, daß GOtt, dem man mit glaͤubigem hertzen und mit ge- bet die gantze ſache empfiehlet, ſchon ſeine zeit beſtimmet haben wird, da dieſe anfechtung ein ende nehmen ſolle, dero mit gedult zu erwarten, und in der ordnung des HErren zu bleiben, das ſicherſte, nicht aber auf eine ſolche unordentliche weiſe die befreyung gleichſam erzwingen zu wollen, rath-
ſam
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Das ſiebende Capitel.
Die achte frage.
Ob es beſſer, daß ein kind, ſolche anfechtung zu vermeiden, bey
tag ſchlaffe als bey nacht?
JCh wolte jenes niemanden rathen, ſondern hielte vielmehr dafuͤr, es
waͤre dem ſatan zu viel gewichen, da wir aus furcht vor ſeinen anfech-
tungen die goͤttliche ordnung, welche die nacht zur ruhe, den tag aber
zur arbeit eingeſetzet hat, umkehren wolten: Da wir vielmehr im glauben
widerſtehen, und uns ſeinet willen wie von anderm unſerm beruff, alſo auch
uͤbrigen ordnung, die zu unſerer lebens nothdurfft gehoͤret, nicht abziehen
laſſen doͤrffen. So ſind ſolche anfechtungen und phantaſien, die von dem
teufel ihnen vorkommen, nicht an ſich ſelbs ſuͤnde, welche zu vermeiden,
wir alle muͤgliche mittel und wege ergreiffen muͤſſen, ſondern ſie ſind ihnen
ſelbs ein beſchwerliches leiden; Da ſie zwar zu GOTT dem HErren um
die hinwegnehmung hertzlich zu bitten, auch alle ſonſten gegen des ſatans
angriff geordnete mittel gebrauchen ſollen, nicht aber um der urſach willen
die gantze art ihres lebens andern doͤrffen. So waͤre auch zu ſorgen, wo
dergleichen in die laͤnge continuiret wuͤrde, ſonderlich da nachmal des
nachts andere bey ihnen ſeyn muͤßten, daß ſolches unzeitige wachen allen
ſchaͤdlich, ja an geſundheit und ihrem beruf hinderlich ſeyn, oder zu einer
ſolchen gewohnheit werden moͤchte, welche ſie dermaleins in ihrem gan-
tzen leben ſehr hinderte, ſo muͤßten ſie auch kuͤnfftig in gefahr ſtehen, wo ſie
dermaleins ſolche gewohnheit wieder aͤndern wolten, daß das vorige uͤbel
wieder kaͤme, ja ſo viel ſorglicher, als mehr ſie nun der nacht-ruhe entwoh-
net waren. Welches alles dergleichen ungelegenheiten ſind, die man ſich
ſelbs zu machen nicht noͤthig hat, noch aus furcht fuͤr dem ſatan dergleichen
ſich zuziehen ſolle: Viel gemaͤſſer aber wird es goͤttlichem willen ſeyn, da
die kinder durch GOttes gnade ziemlich wieder zu recht gebracht, daß zwar
mit allen ſolchen mitteln ſie ferner fuͤr allem boͤſen zu verwahren fort gefah-
ren werde, aber die eltern abends mit eigenem und derſelben gebet ihre
kinder zur ruhe legen, und als dann geſchehen laſſen, ſo viel GOtt annoch
zu fernerer pruͤffung ihrer gedult verhaͤngen will; Jedoch daß jemand nicht
fern von den kindern ſeye, der bey allen faͤllen ihnen beyſpringen koͤnne: Wie
ihnen dann auch zu ſolcher zeit die einſamkeit nicht nuͤtzlich ſeyn kan. So
iſt auch hoffnung, daß GOtt, dem man mit glaͤubigem hertzen und mit ge-
bet die gantze ſache empfiehlet, ſchon ſeine zeit beſtimmet haben wird, da
dieſe anfechtung ein ende nehmen ſolle, dero mit gedult zu erwarten, und
in der ordnung des HErren zu bleiben, das ſicherſte, nicht aber auf eine
ſolche unordentliche weiſe die befreyung gleichſam erzwingen zu wollen, rath-
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/178>, abgerufen am 26.11.2024.
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