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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
und der wahren Theologie mehr schaden gebracht worden seye als nutzen/
ob wol jener aus dem mißbrauch hergekommen/ indessen aber diesen weit
überwogen. Es hat noch neulich der gottselige und scharfsinnige auch er-
fahrne staats mann Herr von Seckendorff/ in seinem Christen-staat l. 3. c.
8. p. 531.
u. f. sehr viel stattliches und gründliches hievon gezeiget/ dessen com-
pendium
so bald voran stehet: Daß es besser um lehrer und zuhörer/
so wol in der jüdischen als ersten christlichen kirche gestanden habe/
da man keine andere unterweisung als aus GOttes wort gehabt/
und also von allen denen wissenschafften/ welche nachmal mit und
neben GOttes wort von denen/ welche ins priester oder predigamt
treten wollen/ gelernet worden/ nichts gewust/ oder doch zum
geistlichen stande nicht eben nothwendig geachtet oder gebrauchet
hat.
Jch hoffe auch/ wo der sache ferner in der furcht des HErrn nach zu den-
cken und die himmlische weißheit/ die der heilige Geist in die schrifft verfasset/
samt dero hoheit reiflich zu erwegen belieben wird/ er solle selbs sehen/ wie
sehr diese mit solchem asserto beschimpffet werde. Ausser dieser stelle finde
eben nichts anders/ so nicht wie vorgesagt eine commodam interpretatio-
nem
lidte/ ob wol wo davon gefragt würde/ wie sich alles zu dem text
schickete/ unterschiedliches desiderirt werden möchte. Jch bedinge aber
dieses/ daß ich von der predigt allein rede/ wie sie in ihren worten vor au-
gen liegt/ solte aber derselbe in ein und andern stücken in andern predigten
oder discursen sich heraus gelassen/ und einige von unserer lehr fremde
dinge von sich vernehmen haben lassen/ so ich nicht weiß/ und also nicht be-
schuldigen kan/ so gewänne die sache eine gantz andere gestalt/ und dörffen eines
autoris, dessen meinung schon bereits anderwertlich her bekant worden/ worte
nicht allemal nach obiger regel des besten verstandes genommen werden/ son-
dern in dem jenigen/ welchen der autor selbs von sich verlauten lassen. Hieher
gehöret/ und ist nicht auszulassen/ daß ich selbs an der predigt einen anstoß ge-
habt/ und den Herrn nicht eben aus derselben alles verdachts/ damit er sich
unschuldig beladen zu werden beklaget/ loßsprechen kan. Wir wissen/ daß die
materia de pace ecclesiastica eine delicate sache ist/ und wie die sache selb-
sten keinem christlichen Theologo, der GOtt und der kirchen bestes liebet/ zu
wider seyn kan/ sondern ein jeder einen frieden wünschen/ und wo er ihn beför-
dern könte/ sich nicht sparen solte/ daß aber indessen auch ein frieden leicht also/
sonderlich mit den Papisten/ eingegangen werden könte/ welcher der göttlichen
warheit höchstpraejudicirlich und viel ärger als der offenbare streit wäre; Wie
wir auch aus der heutigen praxi sehen/ daß die Römische durch die consilia
der reunion die gantze evangelische religion zu unterdrucken sich unterstehen.
Nun lässet sich der Herr zwar nicht heraus/ seine gedancken zu setzen: Jch kan

aber

Das ſiebende Capitel.
und der wahren Theologie mehr ſchaden gebracht worden ſeye als nutzen/
ob wol jener aus dem mißbrauch hergekommen/ indeſſen aber dieſen weit
uͤberwogen. Es hat noch neulich der gottſelige und ſcharfſinnige auch er-
fahrne ſtaats mann Herr von Seckendorff/ in ſeinem Chriſten-ſtaat l. 3. c.
8. p. 531.
u. f. ſehr viel ſtattliches und gruͤndliches hievon gezeiget/ deſſen com-
pendium
ſo bald voran ſtehet: Daß es beſſer um lehrer und zuhoͤrer/
ſo wol in der juͤdiſchen als erſten chriſtlichen kirche geſtanden habe/
da man keine andere unterweiſung als aus GOttes wort gehabt/
und alſo von allen denen wiſſenſchafften/ welche nachmal mit und
neben GOttes wort von denen/ welche ins prieſter oder predigamt
treten wollen/ gelernet worden/ nichts gewuſt/ oder doch zum
geiſtlichen ſtande nicht eben nothwendig geachtet oder gebrauchet
hat.
Jch hoffe auch/ wo der ſache ferner in der furcht des HErrn nach zu den-
cken und die himmliſche weißheit/ die der heilige Geiſt in die ſchrifft verfaſſet/
ſamt dero hoheit reiflich zu erwegen belieben wird/ er ſolle ſelbs ſehen/ wie
ſehr dieſe mit ſolchem aſſerto beſchimpffet werde. Auſſer dieſer ſtelle finde
eben nichts anders/ ſo nicht wie vorgeſagt eine commodam interpretatio-
nem
lidte/ ob wol wo davon gefragt wuͤrde/ wie ſich alles zu dem text
ſchickete/ unterſchiedliches deſiderirt werden moͤchte. Jch bedinge aber
dieſes/ daß ich von der predigt allein rede/ wie ſie in ihren worten vor au-
gen liegt/ ſolte aber derſelbe in ein und andern ſtuͤcken in andern predigten
oder diſcurſen ſich heraus gelaſſen/ und einige von unſerer lehr fremde
dinge von ſich vernehmen haben laſſen/ ſo ich nicht weiß/ und alſo nicht be-
ſchuldigen kan/ ſo gewaͤnne die ſache eine gantz andere geſtalt/ und doͤrffen eines
autoris, deſſen meinung ſchon bereits anderwertlich her bekant worden/ worte
nicht allemal nach obiger regel des beſten verſtandes genommen werden/ ſon-
dern in dem jenigen/ welchen der autor ſelbs von ſich verlauten laſſen. Hieher
gehoͤret/ und iſt nicht auszulaſſen/ daß ich ſelbs an der predigt einen anſtoß ge-
habt/ und den Herrn nicht eben aus derſelben alles verdachts/ damit er ſich
unſchuldig beladen zu werden beklaget/ loßſprechen kan. Wir wiſſen/ daß die
materia de pace eccleſiaſtica eine delicate ſache iſt/ und wie die ſache ſelb-
ſten keinem chriſtlichen Theologo, der GOtt und der kirchen beſtes liebet/ zu
wider ſeyn kan/ ſondern ein jeder einen frieden wuͤnſchen/ und wo er ihn befoͤr-
dern koͤnte/ ſich nicht ſparen ſolte/ daß aber indeſſen auch ein frieden leicht alſo/
ſonderlich mit den Papiſten/ eingegangen werden koͤnte/ welcher der goͤttlichen
warheit hoͤchſtpræjudicirlich und viel aͤrger als der offenbare ſtreit waͤre; Wie
wir auch aus der heutigen praxi ſehen/ daß die Roͤmiſche durch die conſilia
der reunion die gantze evangeliſche religion zu unterdrucken ſich unterſtehen.
Nun laͤſſet ſich der Herr zwar nicht heraus/ ſeine gedancken zu ſetzen: Jch kan

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[186/0198] Das ſiebende Capitel. und der wahren Theologie mehr ſchaden gebracht worden ſeye als nutzen/ ob wol jener aus dem mißbrauch hergekommen/ indeſſen aber dieſen weit uͤberwogen. Es hat noch neulich der gottſelige und ſcharfſinnige auch er- fahrne ſtaats mann Herr von Seckendorff/ in ſeinem Chriſten-ſtaat l. 3. c. 8. p. 531. u. f. ſehr viel ſtattliches und gruͤndliches hievon gezeiget/ deſſen com- pendium ſo bald voran ſtehet: Daß es beſſer um lehrer und zuhoͤrer/ ſo wol in der juͤdiſchen als erſten chriſtlichen kirche geſtanden habe/ da man keine andere unterweiſung als aus GOttes wort gehabt/ und alſo von allen denen wiſſenſchafften/ welche nachmal mit und neben GOttes wort von denen/ welche ins prieſter oder predigamt treten wollen/ gelernet worden/ nichts gewuſt/ oder doch zum geiſtlichen ſtande nicht eben nothwendig geachtet oder gebrauchet hat. Jch hoffe auch/ wo der ſache ferner in der furcht des HErrn nach zu den- cken und die himmliſche weißheit/ die der heilige Geiſt in die ſchrifft verfaſſet/ ſamt dero hoheit reiflich zu erwegen belieben wird/ er ſolle ſelbs ſehen/ wie ſehr dieſe mit ſolchem aſſerto beſchimpffet werde. Auſſer dieſer ſtelle finde eben nichts anders/ ſo nicht wie vorgeſagt eine commodam interpretatio- nem lidte/ ob wol wo davon gefragt wuͤrde/ wie ſich alles zu dem text ſchickete/ unterſchiedliches deſiderirt werden moͤchte. Jch bedinge aber dieſes/ daß ich von der predigt allein rede/ wie ſie in ihren worten vor au- gen liegt/ ſolte aber derſelbe in ein und andern ſtuͤcken in andern predigten oder diſcurſen ſich heraus gelaſſen/ und einige von unſerer lehr fremde dinge von ſich vernehmen haben laſſen/ ſo ich nicht weiß/ und alſo nicht be- ſchuldigen kan/ ſo gewaͤnne die ſache eine gantz andere geſtalt/ und doͤrffen eines autoris, deſſen meinung ſchon bereits anderwertlich her bekant worden/ worte nicht allemal nach obiger regel des beſten verſtandes genommen werden/ ſon- dern in dem jenigen/ welchen der autor ſelbs von ſich verlauten laſſen. Hieher gehoͤret/ und iſt nicht auszulaſſen/ daß ich ſelbs an der predigt einen anſtoß ge- habt/ und den Herrn nicht eben aus derſelben alles verdachts/ damit er ſich unſchuldig beladen zu werden beklaget/ loßſprechen kan. Wir wiſſen/ daß die materia de pace eccleſiaſtica eine delicate ſache iſt/ und wie die ſache ſelb- ſten keinem chriſtlichen Theologo, der GOtt und der kirchen beſtes liebet/ zu wider ſeyn kan/ ſondern ein jeder einen frieden wuͤnſchen/ und wo er ihn befoͤr- dern koͤnte/ ſich nicht ſparen ſolte/ daß aber indeſſen auch ein frieden leicht alſo/ ſonderlich mit den Papiſten/ eingegangen werden koͤnte/ welcher der goͤttlichen warheit hoͤchſtpræjudicirlich und viel aͤrger als der offenbare ſtreit waͤre; Wie wir auch aus der heutigen praxi ſehen/ daß die Roͤmiſche durch die conſilia der reunion die gantze evangeliſche religion zu unterdrucken ſich unterſtehen. Nun laͤſſet ſich der Herr zwar nicht heraus/ ſeine gedancken zu ſetzen: Jch kan aber

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/198>, abgerufen am 24.11.2024.