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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO IV.
aber denjenigen Theologis nicht unrecht geben/ welche dieselbe fast verdäch-
tig achten/ und glauben/ er folge der lehr seiner gewesten Praeceptorum zu NN.
nach. Nun mag ich mich zwar in solchen streit nicht mischen/ als der ich an-
ders zu thun habe; Es kan aber demselben nicht unbekant seyn/ wie sehr ver-
dächtig solche Theologi in dem allergrösten theil unserer Evangelischen kir-
chen in dieser materie gehalten werden/ und wie eyffrig andere selbs in NN.
sich denselben widersetzen/ da ich auch dieses nicht leugnen will/ daß mir mehr-
mal von Studiosis/ so daher gekommen/ solche dinge erzehlet und gezeiget wor-
den/ die mich hertzlich betrübet/ und wo sie wahr solten seyn/ ich nicht anders
sagen müste/ als daß man allzuweit dem pabstum sich genähert hätte/ hingegen
mit fleiß suche von der reformation Lutheri, dagegen so hart geredet wird/
allgemach wieder nach der Römischen kirchen sich um zu sehen. Jch will aber
dißmal mein judicium nicht interponiren, kan es auch nicht wol abso-
lute
thun/ als dem der leute scripta und lehr zur gnüge nicht bekant. Jn-
dessen gedencke er selbs/ ob er nicht aufs wenigste starcken verdacht auf sich
lade/ da er nicht nur jene zu praeceptoribus gehabt/ sondern sie auch arrepta
quavis occasione,
da es eben nicht sonderlich nöthig gewesen/ mit fast gros-
sen elogiis, welche ihnen keiner beylegen kan/ der sie nicht eo ipso frey von
allen andern geschehenen auflagen sprechen/ und unsere übrige Theologos
insgesamt einer ihnen anthuenden injuriae beschuldigen muß/ allegiret. Wür-
de also nicht nur viel rathsamer gethan seyn gewesen/ diese allegationes, da-
mit er in solcher form/ als sie abgefasset sind/ sich in den streit mit einflicht/
ausgelassen/ und ausser dem streit/ wie so viel andere der kirchen bestens be-
fliessene leute thun/ sich gehalten zu haben/ sondern es geben dieselbe eine sehr
starcke vermuthung wie er/ was in der dedication stehet/ wolle verstan-
den haben/ den jenigen welche seiner person wegen in einige sorg gerathen.
Ja ich bitte/ er frage sein eigen gewissen/ ob ihm nicht etwa dasselbe sagen
wird/ daß solche allegationes und encomia eigentlich dahin gemeinet/ sich
bey hofe bey einigen/ die jener sache geneiget sind/ einen favor zu machen:
Jst nun dieses/ so hat gewiß auch dieser modus etwas fleischliches in sich/
davon ich ihn lieber gereiniget wissen wolte. Wo aber ferner gefraget wird/
was in gegenwärtigen zu thun? so gienge mein treuer rath dahin/ daß er
bey dem vener. minist. sich anmeldete/ und mit gebührender bescheidenheit
verlangete/ daß ihm/ worinnen er gefehlet haben solte/ mit freundlichkeit und
grund gezeiget werden möchte/ als bereit/ deroselben unterricht und rath
auch hierinnen anzunehmen. So wird ein gutes wort eine gute statt finden
und solches etwa eine gelegenheit zu mehrer vertraulichkeit und anderm guten
werden. Wo aber die intention ist/ der märckischen kirchen seine dienst zu
widmen und sich etwa in die Marck zu begeben/ welches ich eben so wol mir

nicht
a a 2

ARTIC. II. SECTIO IV.
aber denjenigen Theologis nicht unrecht geben/ welche dieſelbe faſt verdaͤch-
tig achten/ und glauben/ er folge der lehr ſeiner geweſten Præceptorum zu NN.
nach. Nun mag ich mich zwar in ſolchen ſtreit nicht miſchen/ als der ich an-
ders zu thun habe; Es kan aber demſelben nicht unbekant ſeyn/ wie ſehr ver-
daͤchtig ſolche Theologi in dem allergroͤſten theil unſerer Evangeliſchen kir-
chen in dieſer materie gehalten werden/ und wie eyffrig andere ſelbs in NN.
ſich denſelben widerſetzen/ da ich auch dieſes nicht leugnen will/ daß mir mehr-
mal von Studioſis/ ſo daher gekommen/ ſolche dinge erzehlet und gezeiget wor-
den/ die mich hertzlich betruͤbet/ und wo ſie wahr ſolten ſeyn/ ich nicht anders
ſagen muͤſte/ als daß man allzuweit dem pabſtum ſich genaͤhert haͤtte/ hingegen
mit fleiß ſuche von der reformation Lutheri, dagegen ſo hart geredet wird/
allgemach wieder nach der Roͤmiſchen kirchen ſich um zu ſehen. Jch will aber
dißmal mein judicium nicht interponiren, kan es auch nicht wol abſo-
lute
thun/ als dem der leute ſcripta und lehr zur gnuͤge nicht bekant. Jn-
deſſen gedencke er ſelbs/ ob er nicht aufs wenigſte ſtarcken verdacht auf ſich
lade/ da er nicht nur jene zu præceptoribus gehabt/ ſondern ſie auch arrepta
quavis occaſione,
da es eben nicht ſonderlich noͤthig geweſen/ mit faſt groſ-
ſen elogiis, welche ihnen keiner beylegen kan/ der ſie nicht eo ipſo frey von
allen andern geſchehenen auflagen ſprechen/ und unſere uͤbrige Theologos
insgeſamt einer ihnen anthuenden injuriæ beſchuldigen muß/ allegiret. Wuͤr-
de alſo nicht nur viel rathſamer gethan ſeyn geweſen/ dieſe allegationes, da-
mit er in ſolcher form/ als ſie abgefaſſet ſind/ ſich in den ſtreit mit einflicht/
ausgelaſſen/ und auſſer dem ſtreit/ wie ſo viel andere der kirchen beſtens be-
flieſſene leute thun/ ſich gehalten zu haben/ ſondern es geben dieſelbe eine ſehr
ſtarcke vermuthung wie er/ was in der dedication ſtehet/ wolle verſtan-
den haben/ den jenigen welche ſeiner perſon wegen in einige ſorg gerathen.
Ja ich bitte/ er frage ſein eigen gewiſſen/ ob ihm nicht etwa daſſelbe ſagen
wird/ daß ſolche allegationes und encomia eigentlich dahin gemeinet/ ſich
bey hofe bey einigen/ die jener ſache geneiget ſind/ einen favor zu machen:
Jſt nun dieſes/ ſo hat gewiß auch dieſer modus etwas fleiſchliches in ſich/
davon ich ihn lieber gereiniget wiſſen wolte. Wo aber ferner gefraget wird/
was in gegenwaͤrtigen zu thun? ſo gienge mein treuer rath dahin/ daß er
bey dem vener. miniſt. ſich anmeldete/ und mit gebuͤhrender beſcheidenheit
verlangete/ daß ihm/ worinnen er gefehlet haben ſolte/ mit freundlichkeit und
grund gezeiget werden moͤchte/ als bereit/ deroſelben unterricht und rath
auch hierinnen anzunehmen. So wird ein gutes wort eine gute ſtatt finden
und ſolches etwa eine gelegenheit zu mehrer vertraulichkeit und anderm guten
werden. Wo aber die intention iſt/ der maͤrckiſchen kirchen ſeine dienſt zu
widmen und ſich etwa in die Marck zu begeben/ welches ich eben ſo wol mir

nicht
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[187/0199] ARTIC. II. SECTIO IV. aber denjenigen Theologis nicht unrecht geben/ welche dieſelbe faſt verdaͤch- tig achten/ und glauben/ er folge der lehr ſeiner geweſten Præceptorum zu NN. nach. Nun mag ich mich zwar in ſolchen ſtreit nicht miſchen/ als der ich an- ders zu thun habe; Es kan aber demſelben nicht unbekant ſeyn/ wie ſehr ver- daͤchtig ſolche Theologi in dem allergroͤſten theil unſerer Evangeliſchen kir- chen in dieſer materie gehalten werden/ und wie eyffrig andere ſelbs in NN. ſich denſelben widerſetzen/ da ich auch dieſes nicht leugnen will/ daß mir mehr- mal von Studioſis/ ſo daher gekommen/ ſolche dinge erzehlet und gezeiget wor- den/ die mich hertzlich betruͤbet/ und wo ſie wahr ſolten ſeyn/ ich nicht anders ſagen muͤſte/ als daß man allzuweit dem pabſtum ſich genaͤhert haͤtte/ hingegen mit fleiß ſuche von der reformation Lutheri, dagegen ſo hart geredet wird/ allgemach wieder nach der Roͤmiſchen kirchen ſich um zu ſehen. Jch will aber dißmal mein judicium nicht interponiren, kan es auch nicht wol abſo- lute thun/ als dem der leute ſcripta und lehr zur gnuͤge nicht bekant. Jn- deſſen gedencke er ſelbs/ ob er nicht aufs wenigſte ſtarcken verdacht auf ſich lade/ da er nicht nur jene zu præceptoribus gehabt/ ſondern ſie auch arrepta quavis occaſione, da es eben nicht ſonderlich noͤthig geweſen/ mit faſt groſ- ſen elogiis, welche ihnen keiner beylegen kan/ der ſie nicht eo ipſo frey von allen andern geſchehenen auflagen ſprechen/ und unſere uͤbrige Theologos insgeſamt einer ihnen anthuenden injuriæ beſchuldigen muß/ allegiret. Wuͤr- de alſo nicht nur viel rathſamer gethan ſeyn geweſen/ dieſe allegationes, da- mit er in ſolcher form/ als ſie abgefaſſet ſind/ ſich in den ſtreit mit einflicht/ ausgelaſſen/ und auſſer dem ſtreit/ wie ſo viel andere der kirchen beſtens be- flieſſene leute thun/ ſich gehalten zu haben/ ſondern es geben dieſelbe eine ſehr ſtarcke vermuthung wie er/ was in der dedication ſtehet/ wolle verſtan- den haben/ den jenigen welche ſeiner perſon wegen in einige ſorg gerathen. Ja ich bitte/ er frage ſein eigen gewiſſen/ ob ihm nicht etwa daſſelbe ſagen wird/ daß ſolche allegationes und encomia eigentlich dahin gemeinet/ ſich bey hofe bey einigen/ die jener ſache geneiget ſind/ einen favor zu machen: Jſt nun dieſes/ ſo hat gewiß auch dieſer modus etwas fleiſchliches in ſich/ davon ich ihn lieber gereiniget wiſſen wolte. Wo aber ferner gefraget wird/ was in gegenwaͤrtigen zu thun? ſo gienge mein treuer rath dahin/ daß er bey dem vener. miniſt. ſich anmeldete/ und mit gebuͤhrender beſcheidenheit verlangete/ daß ihm/ worinnen er gefehlet haben ſolte/ mit freundlichkeit und grund gezeiget werden moͤchte/ als bereit/ deroſelben unterricht und rath auch hierinnen anzunehmen. So wird ein gutes wort eine gute ſtatt finden und ſolches etwa eine gelegenheit zu mehrer vertraulichkeit und anderm guten werden. Wo aber die intention iſt/ der maͤrckiſchen kirchen ſeine dienſt zu widmen und ſich etwa in die Marck zu begeben/ welches ich eben ſo wol mir nicht a a 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/199>, abgerufen am 24.11.2024.