Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. wird aller muth, die sach zu versuchen, geschlagen, wie hingegen, wo man ei-ne hertzliche zuversicht hat, daß der HErr unsrer schwachheit kräfftig beyste- hen werde, solches uns freudig macht, das werck anzugreiffen, das darnach nicht ungesegnet bleibet. 4. Oefftere und stete vorstellung der göttlichen wohlthaten. Dann weil der glaub der grund alles übrigen guten ist, so wachsen wir in al- lem, wo der glaub wächset und stärcker wird. Nun ist keine kräfftigere stärckung des glaubens, als die betrachtung der göttlichen wohlthaten. Jst also dienlich, täglich etwa eine göttliche wohlthat zu seiner betrachtung sich vorzustellen, und mag den einfältigen der Catechismus Lutheri in der er- klärung der glaubens-articul sehr nützliche anleitung geben: darinnen die allgemeinen wohlthaten stehen, jeder aber etwa auch absonderlich die ihm be- sonders erwiesene wohlthaten mit so viel mehr fleiß betrachten mag. So wird jede wohlthat, recht erwogen, wiederum eine ursach einer neuen wohl- that und unsere stärckung. 5. Christlicher und vorsichtiger gebrauch des geistlichen Priester- thums: Daß die Christen untereinander sich fleißig ermahnen, warnen, prüffen, trösten 1. Thess. 5, 14. Hebr. 3, 13. 10, 24. Damit also der leib wachse, wenn die jeglichem glied ertheilte gnaden allemal auch den an- dern zu nutzen angewendet werden. Eph. 4, 15. 16. Dahin auch gehöret, wo jeglicher einen freund hat, der mit ihm gleich gesinnet, und sie in brüderli- chem vertrauen den zustand ihres hertzens einer dem andern offenbaren dürffen, daß sie desto fleißiger auf einander achtung geben, um mit einander zu wachsen. Es mag auch ein vertraulicher umgang mit einem Christli- chen verständigen beichtvater hierzu sehr nützlich seyn. 6. Liebreiche almosen, denn dieselben erlangen von göttlicher mil- digkeit hingegen vielen geistlichen segen 2. Cor. 9, 8. u. f. Sonderlich wo solche leibliche wohlthaten an wahren gliedern Christi geschehen, da sie so viel reichere belohnung zu haben pflegen. Matth. 10, 41. 42. 15, 40. Es sollen auch diese gesucht werden, indem sie offt ziemlich verborgen, hin- gegen die selbs die wohlthaten suchen, offt am wenigsten würdig sind. Je- doch solten die wahre arme Christen ihre noth vor den brüdern nicht verhä- len, damit diese ihre liebe an ihnen erzeigen könten. 7. Gewisse zeit, die der mensch sich des tages vornimmt zu der an- dacht, als viel er über seine zeit zu disponiren hat, anzuwenden. Welcher- ley bey den alten Christen gebräuchlich gewesen, ob wol nachmaln aus dem mißbrauch die horae canonicae entstanden sind. 8. Das amt der aufseher auf die Gemeinde; Wie sie denn in der
Das ſiebende Capitel. wird aller muth, die ſach zu verſuchen, geſchlagen, wie hingegen, wo man ei-ne hertzliche zuverſicht hat, daß der HErr unſrer ſchwachheit kraͤfftig beyſte- hen werde, ſolches uns freudig macht, das werck anzugreiffen, das darnach nicht ungeſegnet bleibet. 4. Oefftere und ſtete vorſtellung der goͤttlichen wohlthaten. Dann weil der glaub der grund alles uͤbrigen guten iſt, ſo wachſen wir in al- lem, wo der glaub waͤchſet und ſtaͤrcker wird. Nun iſt keine kraͤfftigere ſtaͤrckung des glaubens, als die betrachtung der goͤttlichen wohlthaten. Jſt alſo dienlich, taͤglich etwa eine goͤttliche wohlthat zu ſeiner betrachtung ſich vorzuſtellen, und mag den einfaͤltigen der Catechismus Lutheri in der er- klaͤrung der glaubens-articul ſehr nuͤtzliche anleitung geben: darinnen die allgemeinen wohlthaten ſtehen, jeder aber etwa auch abſonderlich die ihm be- ſonders erwieſene wohlthaten mit ſo viel mehr fleiß betrachten mag. So wird jede wohlthat, recht erwogen, wiederum eine urſach einer neuen wohl- that und unſere ſtaͤrckung. 5. Chriſtlicher und vorſichtiger gebrauch des geiſtlichen Prieſter- thums: Daß die Chriſten untereinander ſich fleißig ermahnen, warnen, pruͤffen, troͤſten 1. Theſſ. 5, 14. Hebr. 3, 13. 10, 24. Damit alſo der leib wachſe, wenn die jeglichem glied ertheilte gnaden allemal auch den an- dern zu nutzen angewendet werden. Eph. 4, 15. 16. Dahin auch gehoͤret, wo jeglicher einen freund hat, der mit ihm gleich geſinnet, und ſie in bruͤderli- chem vertrauen den zuſtand ihres hertzens einer dem andern offenbaren duͤrffen, daß ſie deſto fleißiger auf einander achtung geben, um mit einander zu wachſen. Es mag auch ein vertraulicher umgang mit einem Chriſtli- chen verſtaͤndigen beichtvater hierzu ſehr nuͤtzlich ſeyn. 6. Liebreiche almoſen, denn dieſelben erlangen von goͤttlicher mil- digkeit hingegen vielen geiſtlichen ſegen 2. Cor. 9, 8. u. f. Sonderlich wo ſolche leibliche wohlthaten an wahren gliedern Chriſti geſchehen, da ſie ſo viel reichere belohnung zu haben pflegen. Matth. 10, 41. 42. 15, 40. Es ſollen auch dieſe geſucht werden, indem ſie offt ziemlich verborgen, hin- gegen die ſelbs die wohlthaten ſuchen, offt am wenigſten wuͤrdig ſind. Je- doch ſolten die wahre arme Chriſten ihre noth vor den bruͤdern nicht verhaͤ- len, damit dieſe ihre liebe an ihnen erzeigen koͤnten. 7. Gewiſſe zeit, die der menſch ſich des tages vornimmt zu der an- dacht, als viel er uͤber ſeine zeit zu diſponiren hat, anzuwenden. Welcher- ley bey den alten Chriſten gebraͤuchlich geweſen, ob wol nachmaln aus dem mißbrauch die horæ canonicæ entſtanden ſind. 8. Das amt der aufſeher auf die Gemeinde; Wie ſie denn in der
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Das ſiebende Capitel.
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ne hertzliche zuverſicht hat, daß der HErr unſrer ſchwachheit kraͤfftig beyſte-
hen werde, ſolches uns freudig macht, das werck anzugreiffen, das darnach
nicht ungeſegnet bleibet.
4. Oefftere und ſtete vorſtellung der goͤttlichen wohlthaten.
Dann weil der glaub der grund alles uͤbrigen guten iſt, ſo wachſen wir in al-
lem, wo der glaub waͤchſet und ſtaͤrcker wird. Nun iſt keine kraͤfftigere
ſtaͤrckung des glaubens, als die betrachtung der goͤttlichen wohlthaten. Jſt
alſo dienlich, taͤglich etwa eine goͤttliche wohlthat zu ſeiner betrachtung ſich
vorzuſtellen, und mag den einfaͤltigen der Catechismus Lutheri in der er-
klaͤrung der glaubens-articul ſehr nuͤtzliche anleitung geben: darinnen die
allgemeinen wohlthaten ſtehen, jeder aber etwa auch abſonderlich die ihm be-
ſonders erwieſene wohlthaten mit ſo viel mehr fleiß betrachten mag. So
wird jede wohlthat, recht erwogen, wiederum eine urſach einer neuen wohl-
that und unſere ſtaͤrckung.
5. Chriſtlicher und vorſichtiger gebrauch des geiſtlichen Prieſter-
thums: Daß die Chriſten untereinander ſich fleißig ermahnen, warnen,
pruͤffen, troͤſten 1. Theſſ. 5, 14. Hebr. 3, 13. 10, 24. Damit alſo der
leib wachſe, wenn die jeglichem glied ertheilte gnaden allemal auch den an-
dern zu nutzen angewendet werden. Eph. 4, 15. 16. Dahin auch gehoͤret,
wo jeglicher einen freund hat, der mit ihm gleich geſinnet, und ſie in bruͤderli-
chem vertrauen den zuſtand ihres hertzens einer dem andern offenbaren
duͤrffen, daß ſie deſto fleißiger auf einander achtung geben, um mit einander
zu wachſen. Es mag auch ein vertraulicher umgang mit einem Chriſtli-
chen verſtaͤndigen beichtvater hierzu ſehr nuͤtzlich ſeyn.
6. Liebreiche almoſen, denn dieſelben erlangen von goͤttlicher mil-
digkeit hingegen vielen geiſtlichen ſegen 2. Cor. 9, 8. u. f. Sonderlich
wo ſolche leibliche wohlthaten an wahren gliedern Chriſti geſchehen, da ſie
ſo viel reichere belohnung zu haben pflegen. Matth. 10, 41. 42. 15, 40.
Es ſollen auch dieſe geſucht werden, indem ſie offt ziemlich verborgen, hin-
gegen die ſelbs die wohlthaten ſuchen, offt am wenigſten wuͤrdig ſind. Je-
doch ſolten die wahre arme Chriſten ihre noth vor den bruͤdern nicht verhaͤ-
len, damit dieſe ihre liebe an ihnen erzeigen koͤnten.
7. Gewiſſe zeit, die der menſch ſich des tages vornimmt zu der an-
dacht, als viel er uͤber ſeine zeit zu diſponiren hat, anzuwenden. Welcher-
ley bey den alten Chriſten gebraͤuchlich geweſen, ob wol nachmaln aus dem
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8. Das amt der aufſeher auf die Gemeinde; Wie ſie denn in
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