Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. I. SECTIO III. die er uns auch aus gnaden geben wolle, er habe auch durch seinen Sohn, sei-ne lehr und exempel den weg zeigen lassen, auf welchem wir zu der wahren seligkeit und genuß seiner verdienten gnade durch den glauben kommen kön- ten. Da seye also das erste, daß wir müssen unsern sünden absterben, und darzu den tod Christi, durch seine krafft und exempel in uns kräfftig seyn lassen, auf daß wo wir nunmehr die sünde bey uns angefangen zu tödten, und ihr die herrschafft genommen haben, auch die krafft seiner auferstehung in uns kräfftig werde, zu einem neuen geistlichen leben, in mehrer erleuch- tung unsers verstands, und also so stärckung als vermehrung unsers glau- bens, der anfangs gantz gering ist, auch nicht wachsen kan, als lang der mensch noch die sünde nicht abgeleget hat, aber auch dasselbe durch die offen- bahrung Christi Joh. 14, 21. wächset, und zu einem hellern liecht wird, als jemand verstehet, welcher denselben noch nicht in der maß hat; ferner in mehrerer gleichförmigkeit unsers willens mit dem göttlichen, innerlichen trieb zu dem guten und freude an demselben/ und was dergleichen güter und wirckungen des heiligen Geistes in der seelen sind, darinnen das geist- liche leben bestehet. Daher ob wohl einige erkäntnüß GOttes, um wel- ches willen wir der sünde absterben müssen, vorher erfordert, und zum grund geleget wird, so ist nechst demselben, das erste nicht so wol die völlige er- käntnüß aller glaubens lehren, als welche in dem geist müssen erkant werden, noch weltliche und fleischliche hertzen aber des Geistes nicht fähig sind/ als vielmehr das absterben der sünden, die reue und haß der sünden. Wie auch Hebr. 6, 1. zum ersten der grund unter den Christlichen lehren gelegt wird, unter dem namen der buß von den todten wercken. Wird die- se erstlich zu wege gebracht, und stirbt also der mensch seinen sünden in der krafft des todes Christi: So offenbahret sich folgends auch dessen leben an den bußfertigen, und wird er tüchtig in den übrigen stücken der erkäntnüß und heiligung zuzunehmen, zu welchen er allerdings so lange untüchtig ist, als er noch der sünden lebete. Dann wie will der GOtt erkennen, und da- von erleuchtet werden, welcher noch die wercke der finsternüß liebet und thut? Ap. Gesch 26, 18. Also wird der glaube zwar alles thun, im anfang, mit- tel und ende, aber er weiset uns auf die ordnung, die unser treuer lehrer und seligmacher, den uns GOtt zum einigen meister und mittler vorstel- let, vorgeschrieben hat, in welcher die buß vor der vergebung der sünden hergehet. Wo wir also glauben, unser Heyland habe uns den rechten weg gezeiget, so will eben der glaube haben, daß wir denn nach seiner verordnung erstlich der sünden absterben, und sie hassen müssen. 5. Wel- IV. Theil. c
ARTIC. I. SECTIO III. die er uns auch aus gnaden geben wolle, er habe auch durch ſeinen Sohn, ſei-ne lehr und exempel den weg zeigen laſſen, auf welchem wir zu der wahren ſeligkeit und genuß ſeiner verdienten gnade durch den glauben kommen koͤn- ten. Da ſeye alſo das erſte, daß wir muͤſſen unſern ſuͤnden abſterben, und darzu den tod Chriſti, durch ſeine krafft und exempel in uns kraͤfftig ſeyn laſſen, auf daß wo wir nunmehr die ſuͤnde bey uns angefangen zu toͤdten, und ihr die herrſchafft genommen haben, auch die krafft ſeiner auferſtehung in uns kraͤfftig werde, zu einem neuen geiſtlichen leben, in mehrer erleuch- tung unſers verſtands, und alſo ſo ſtaͤrckung als vermehrung unſers glau- bens, der anfangs gantz gering iſt, auch nicht wachſen kan, als lang der menſch noch die ſuͤnde nicht abgeleget hat, aber auch daſſelbe durch die offen- bahrung Chriſti Joh. 14, 21. waͤchſet, und zu einem hellern liecht wird, als jemand verſtehet, welcher denſelben noch nicht in der maß hat; ferner in mehrerer gleichfoͤrmigkeit unſers willens mit dem goͤttlichen, innerlichen trieb zu dem guten und freude an demſelben/ und was dergleichen guͤter und wirckungen des heiligen Geiſtes in der ſeelen ſind, darinnen das geiſt- liche leben beſtehet. Daher ob wohl einige erkaͤntnuͤß GOttes, um wel- ches willen wir der ſuͤnde abſterben muͤſſen, vorher erfordert, und zum grund geleget wird, ſo iſt nechſt demſelben, das erſte nicht ſo wol die voͤllige er- kaͤntnuͤß aller glaubens lehren, als welche in dem geiſt muͤſſen erkant werden, noch weltliche und fleiſchliche hertzen aber des Geiſtes nicht faͤhig ſind/ als vielmehr das abſterben der ſuͤnden, die reue und haß der ſuͤnden. Wie auch Hebr. 6, 1. zum erſten der grund unter den Chriſtlichen lehren gelegt wird, unter dem namen der buß von den todten wercken. Wird die- ſe erſtlich zu wege gebracht, und ſtirbt alſo der menſch ſeinen ſuͤnden in der krafft des todes Chriſti: So offenbahret ſich folgends auch deſſen leben an den bußfertigen, und wird er tuͤchtig in den uͤbrigen ſtuͤcken der erkaͤntnuͤß und heiligung zuzunehmen, zu welchen er allerdings ſo lange untuͤchtig iſt, als er noch der ſuͤnden lebete. Dann wie will der GOtt erkennen, und da- von erleuchtet werden, welcher noch die wercke der finſternuͤß liebet und thut? Ap. Geſch 26, 18. Alſo wird der glaube zwar alles thun, im anfang, mit- tel und ende, aber er weiſet uns auf die ordnung, die unſer treuer lehrer und ſeligmacher, den uns GOtt zum einigen meiſter und mittler vorſtel- let, vorgeſchrieben hat, in welcher die buß vor der vergebung der ſuͤnden hergehet. Wo wir alſo glauben, unſer Heyland habe uns den rechten weg gezeiget, ſo will eben der glaube haben, daß wir denn nach ſeiner verordnung erſtlich der ſuͤnden abſterben, und ſie haſſen muͤſſen. 5. Wel- IV. Theil. c
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ARTIC. I. SECTIO III.
die er uns auch aus gnaden geben wolle, er habe auch durch ſeinen Sohn, ſei-
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ſeligkeit und genuß ſeiner verdienten gnade durch den glauben kommen koͤn-
ten. Da ſeye alſo das erſte, daß wir muͤſſen unſern ſuͤnden abſterben, und
darzu den tod Chriſti, durch ſeine krafft und exempel in uns kraͤfftig ſeyn
laſſen, auf daß wo wir nunmehr die ſuͤnde bey uns angefangen zu toͤdten,
und ihr die herrſchafft genommen haben, auch die krafft ſeiner auferſtehung
in uns kraͤfftig werde, zu einem neuen geiſtlichen leben, in mehrer erleuch-
tung unſers verſtands, und alſo ſo ſtaͤrckung als vermehrung unſers glau-
bens, der anfangs gantz gering iſt, auch nicht wachſen kan, als lang der
menſch noch die ſuͤnde nicht abgeleget hat, aber auch daſſelbe durch die offen-
bahrung Chriſti Joh. 14, 21. waͤchſet, und zu einem hellern liecht wird, als
jemand verſtehet, welcher denſelben noch nicht in der maß hat; ferner in
mehrerer gleichfoͤrmigkeit unſers willens mit dem goͤttlichen, innerlichen
trieb zu dem guten und freude an demſelben/ und was dergleichen guͤter
und wirckungen des heiligen Geiſtes in der ſeelen ſind, darinnen das geiſt-
liche leben beſtehet. Daher ob wohl einige erkaͤntnuͤß GOttes, um wel-
ches willen wir der ſuͤnde abſterben muͤſſen, vorher erfordert, und zum
grund geleget wird, ſo iſt nechſt demſelben, das erſte nicht ſo wol die voͤllige er-
kaͤntnuͤß aller glaubens lehren, als welche in dem geiſt muͤſſen erkant werden,
noch weltliche und fleiſchliche hertzen aber des Geiſtes nicht faͤhig ſind/ als
vielmehr das abſterben der ſuͤnden, die reue und haß der ſuͤnden. Wie auch
Hebr. 6, 1. zum erſten der grund unter den Chriſtlichen lehren gelegt
wird, unter dem namen der buß von den todten wercken. Wird die-
ſe erſtlich zu wege gebracht, und ſtirbt alſo der menſch ſeinen ſuͤnden in der
krafft des todes Chriſti: So offenbahret ſich folgends auch deſſen leben an
den bußfertigen, und wird er tuͤchtig in den uͤbrigen ſtuͤcken der erkaͤntnuͤß
und heiligung zuzunehmen, zu welchen er allerdings ſo lange untuͤchtig iſt,
als er noch der ſuͤnden lebete. Dann wie will der GOtt erkennen, und da-
von erleuchtet werden, welcher noch die wercke der finſternuͤß liebet und thut?
Ap. Geſch 26, 18. Alſo wird der glaube zwar alles thun, im anfang, mit-
tel und ende, aber er weiſet uns auf die ordnung, die unſer treuer lehrer
und ſeligmacher, den uns GOtt zum einigen meiſter und mittler vorſtel-
let, vorgeſchrieben hat, in welcher die buß vor der vergebung der ſuͤnden
hergehet. Wo wir alſo glauben, unſer Heyland habe uns den rechten weg
gezeiget, ſo will eben der glaube haben, daß wir denn nach ſeiner verordnung
erſtlich der ſuͤnden abſterben, und ſie haſſen muͤſſen.
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