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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO XLII.
terrichtet: Massen eine fernere opposition weder ihm noch der jugend nutzen
schaffen würde.

Die comödien in den schulen 1. achte ich auch vor schädlich/ und un-
möglich ohne inconvenientien sie anzustellen. 2. Daher hat Timothe-
us
sich nicht dazu brauchen zu lassen/ mit billiger vorschützung seines ge-
wissens/ und kan man mit recht auch nicht auf ihn dringen/ weil man ja allezeit
auch der scrupulosae conscientiae zu schonen hat/ und solches bey allen christ-
lichen hertzen ausgemacht ist. 3. Würde aber die sache einem andern aufge-
tragen/ mag Timotheus ihm seine meinung sagen/ und die sache seinem
gewissen ferner überlassen. Denn wie ich allemal unrecht thue/ wo ich selbs
thue/ was ich sündlich erkenne/ oder mit einem andern darinnen mitmache/
also sündige ich nicht allezeit/ wo ich mich eines andern bösen nicht mit aller
macht widersetze: sondern ich kan unverletztes gewissens manches endlich
geschehen lassen/ ohne eusserste widersetzung/ was ich mit meiner wider-
setzung nicht zu hindern vermag/ und mich nur in andern ferner hindern
würde.

Der HErr HErr gebe weißheit in allen dingen zu thun/ was seines
willens ist/ und verhüte alles ärgernüß oder den gewissen anthuenden gewalt
durch kräfftige lenckung der hertzen. Amen.

SECTIO XLII.
Nützliche reglen der schulen/ betreffend die ca-
stigationes. Inculcir
ung der haupt-sprüche und
sonntags-feyer.

WAs derselbige bey seiner schularbeit zu beforderung der wah-
ren gottseligkeit zu treiben meldet/ gefället mir alles sehr wol/
sonderlich aber/ daß bey allen castigationibus das gewissen kräff-
tig gerühret und überzeuget/ damit aber erst der vornehmste nachdruck sol-
chen züchtigungen zur besserung gegeben wird/ da sonsten die widerwertig-
keit und boßheit eines zu rechtschaffener erkäntnüß seiner sünde noch nicht
gebrachten/ sondern/ wo es sich schon eusserlich nicht starck widersetzen darff/
aufs wenigst in sich selbs widerstrebenden gemüths die frucht der straffe
meistentheils zu nicht machet/ in dem sie die liebe zu der begangenen sünde an-
noch lässet/ und aufs höchste nicht mehr als eine blosse furcht vor gleicher
straffe aufs künfftige übrig bleibet. So vergnüget mich auch die einschärf-
fung der haupt-sprüche von den glaubens-articuln sehr/ in dem dadurch ge-
schiehet/ daß die jugend/ so acht darauf giebet/ und sonderlich die anwei-

sung
s s 3
ARTIC. II. SECTIO XLII.
terrichtet: Maſſen eine fernere oppoſition weder ihm noch der jugend nutzen
ſchaffen wuͤrde.

Die comoͤdien in den ſchulen 1. achte ich auch vor ſchaͤdlich/ und un-
moͤglich ohne inconvenientien ſie anzuſtellen. 2. Daher hat Timothe-
us
ſich nicht dazu brauchen zu laſſen/ mit billiger vorſchuͤtzung ſeines ge-
wiſſens/ und kan man mit recht auch nicht auf ihn dringen/ weil man ja allezeit
auch der ſcrupuloſæ conſcientiæ zu ſchonen hat/ und ſolches bey allen chriſt-
lichen hertzen ausgemacht iſt. 3. Wuͤrde aber die ſache einem andern aufge-
tragen/ mag Timotheus ihm ſeine meinung ſagen/ und die ſache ſeinem
gewiſſen ferner uͤberlaſſen. Denn wie ich allemal unrecht thue/ wo ich ſelbs
thue/ was ich ſuͤndlich erkenne/ oder mit einem andern darinnen mitmache/
alſo ſuͤndige ich nicht allezeit/ wo ich mich eines andern boͤſen nicht mit aller
macht widerſetze: ſondern ich kan unverletztes gewiſſens manches endlich
geſchehen laſſen/ ohne euſſerſte widerſetzung/ was ich mit meiner wider-
ſetzung nicht zu hindern vermag/ und mich nur in andern ferner hindern
wuͤrde.

Der HErr HErr gebe weißheit in allen dingen zu thun/ was ſeines
willens iſt/ und verhuͤte alles aͤrgernuͤß oder den gewiſſen anthuenden gewalt
durch kraͤfftige lenckung der hertzen. Amen.

SECTIO XLII.
Nuͤtzliche reglen der ſchulen/ betreffend die ca-
ſtigationes. Inculcir
ung der haupt-ſpruͤche und
ſonntags-feyer.

WAs derſelbige bey ſeiner ſchularbeit zu beforderung der wah-
ren gottſeligkeit zu treiben meldet/ gefaͤllet mir alles ſehr wol/
ſonderlich aber/ daß bey allen caſtigationibus das gewiſſen kraͤff-
tig geruͤhret und uͤberzeuget/ damit aber erſt der vornehmſte nachdruck ſol-
chen zuͤchtigungen zur beſſerung gegeben wird/ da ſonſten die widerwertig-
keit und boßheit eines zu rechtſchaffener erkaͤntnuͤß ſeiner ſuͤnde noch nicht
gebrachten/ ſondern/ wo es ſich ſchon euſſerlich nicht ſtarck widerſetzen darff/
aufs wenigſt in ſich ſelbs widerſtrebenden gemuͤths die frucht der ſtraffe
meiſtentheils zu nicht machet/ in dem ſie die liebe zu der begangenen ſuͤnde an-
noch laͤſſet/ und aufs hoͤchſte nicht mehr als eine bloſſe furcht vor gleicher
ſtraffe aufs kuͤnfftige uͤbrig bleibet. So vergnuͤget mich auch die einſchaͤrf-
fung der haupt-ſpruͤche von den glaubens-articuln ſehr/ in dem dadurch ge-
ſchiehet/ daß die jugend/ ſo acht darauf giebet/ und ſonderlich die anwei-

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[325/0337] ARTIC. II. SECTIO XLII. terrichtet: Maſſen eine fernere oppoſition weder ihm noch der jugend nutzen ſchaffen wuͤrde. Die comoͤdien in den ſchulen 1. achte ich auch vor ſchaͤdlich/ und un- moͤglich ohne inconvenientien ſie anzuſtellen. 2. Daher hat Timothe- us ſich nicht dazu brauchen zu laſſen/ mit billiger vorſchuͤtzung ſeines ge- wiſſens/ und kan man mit recht auch nicht auf ihn dringen/ weil man ja allezeit auch der ſcrupuloſæ conſcientiæ zu ſchonen hat/ und ſolches bey allen chriſt- lichen hertzen ausgemacht iſt. 3. Wuͤrde aber die ſache einem andern aufge- tragen/ mag Timotheus ihm ſeine meinung ſagen/ und die ſache ſeinem gewiſſen ferner uͤberlaſſen. Denn wie ich allemal unrecht thue/ wo ich ſelbs thue/ was ich ſuͤndlich erkenne/ oder mit einem andern darinnen mitmache/ alſo ſuͤndige ich nicht allezeit/ wo ich mich eines andern boͤſen nicht mit aller macht widerſetze: ſondern ich kan unverletztes gewiſſens manches endlich geſchehen laſſen/ ohne euſſerſte widerſetzung/ was ich mit meiner wider- ſetzung nicht zu hindern vermag/ und mich nur in andern ferner hindern wuͤrde. Der HErr HErr gebe weißheit in allen dingen zu thun/ was ſeines willens iſt/ und verhuͤte alles aͤrgernuͤß oder den gewiſſen anthuenden gewalt durch kraͤfftige lenckung der hertzen. Amen. SECTIO XLII. Nuͤtzliche reglen der ſchulen/ betreffend die ca- ſtigationes. Inculcirung der haupt-ſpruͤche und ſonntags-feyer. WAs derſelbige bey ſeiner ſchularbeit zu beforderung der wah- ren gottſeligkeit zu treiben meldet/ gefaͤllet mir alles ſehr wol/ ſonderlich aber/ daß bey allen caſtigationibus das gewiſſen kraͤff- tig geruͤhret und uͤberzeuget/ damit aber erſt der vornehmſte nachdruck ſol- chen zuͤchtigungen zur beſſerung gegeben wird/ da ſonſten die widerwertig- keit und boßheit eines zu rechtſchaffener erkaͤntnuͤß ſeiner ſuͤnde noch nicht gebrachten/ ſondern/ wo es ſich ſchon euſſerlich nicht ſtarck widerſetzen darff/ aufs wenigſt in ſich ſelbs widerſtrebenden gemuͤths die frucht der ſtraffe meiſtentheils zu nicht machet/ in dem ſie die liebe zu der begangenen ſuͤnde an- noch laͤſſet/ und aufs hoͤchſte nicht mehr als eine bloſſe furcht vor gleicher ſtraffe aufs kuͤnfftige uͤbrig bleibet. So vergnuͤget mich auch die einſchaͤrf- fung der haupt-ſpruͤche von den glaubens-articuln ſehr/ in dem dadurch ge- ſchiehet/ daß die jugend/ ſo acht darauf giebet/ und ſonderlich die anwei- ſung s s 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/337>, abgerufen am 22.11.2024.