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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
fel des gewissens sitzet. Jst also ja besser/ einige nachrede einer singularität über
sich ergehen lassen/ als in solche gefahr seiner seelen sich zu stürtzen/ und doch e-
ben so wohl/ da man in die gesellschafften kommet/ und aufs wenigste nicht eben al-
lerdings mit machet/ die nachrede leiden müssen. Jch nehme aber hievon aus die-
jenige gelegenheiten/ wo derselbe wahrhafftig eine liebe und dienst einem guten
freunde zu erzeigen gelegenheit sehe: welche wir ja nicht zu versäumen haben. We-
gen der hauß-kirche/ welche aufs wenigste mit dem gesinde anzustellen/ wolte
ich es nicht so gar verlohren geben/ ob schon etwa ein und anderer versuch nicht von
statten gegangen/ sondern die hindernüssen vorgetrungen haben. Sondern ich
hoffte/ wo mehrmal damit angehalten/ und sonderlich getrachtet würde/ nur ein
oder andere gute seelen unter dem gesinde zu bekommen/ solte der HERR HErr/
so alle hertzen in seinen händen hat/ und von dem auch diese erbauung muß erbe-
ten werden/ einigen segen darzu verleihen/ damit das jenige geschehe/ was er gleich-
wol von uns fordert. Nun er gebe selbs die nöthige weißheit zu allem dem/ was
er von uns haben will/ und unser unvermögen kennet.

SECTIO XV.
Von anstalten der erziehung der jugend.

Ob zu sonderbaren anstalten für die jugend in absicht auf dero Gottse-
lige erziehung ein sonderbarer beruff gehöre?

ES wird hiemit von solchen anstalten geredet/ nicht dadurch andere zu dero-
selben beobachtung verbunden würden/ als wor zu publica autoritas gehö-
rete/ sondern daß ein Christlicher mann/ der die viele und von so vielen be-
klagte mängel der gemeinen schulen ansiehet/ vor sich/ mit niemand anders be-
schwerde/ eine anstalt macht/ daß eltern/ welche ihre kinder sorgfältiger erzogen
haben wollen/ darzu gelegenheit haben können. 2. Es wird abermal verstanden
von solchen orten/ da nicht etwa von hoher Obrigkeit ein verbot gegen alle/ ausser
den ordentlichen/ besonders aufrichtende schulen vorhanden ist. Dann wo ein
solches dagegen wäre/ würde eine dergleichen anstalt nicht dörffen vorgenommen
werden.

Wo aber diese hindernüß nicht ist/ glaube ich/ es seye einer jeglichen Christ-
lichen person erlaubet/ welche das gemeine verderben einsiehet/ und erbarmen ge-
gen die jugend träget/ auch die mittel und den verstand dazu hat/ dergleichen an-
stalten zu ordnen/ und nachmal zu regieren; daß sie sich dergleichen ohne eigengesuch
und in der absicht allein auf Gottes ehre und des nechsten wohlfart unternehme:
bedörffe also darzu keines sonderbaren beruffs/ sondern seye darzu gnug der allge-
meine Christen beruff zur liebe GOttes und des nechsten.

Dann

Das ſiebende Capitel.
fel des gewiſſens ſitzet. Jſt alſo ja beſſer/ einige nachrede einer ſingularitaͤt uͤber
ſich ergehen laſſen/ als in ſolche gefahr ſeiner ſeelen ſich zu ſtuͤrtzen/ und doch e-
ben ſo wohl/ da man in die geſellſchafften kommet/ und aufs wenigſte nicht eben al-
lerdings mit machet/ die nachrede leiden muͤſſen. Jch nehme aber hievon aus die-
jenige gelegenheiten/ wo derſelbe wahrhafftig eine liebe und dienſt einem guten
freunde zu erzeigen gelegenheit ſehe: welche wir ja nicht zu verſaͤumen haben. We-
gen der hauß-kirche/ welche aufs wenigſte mit dem geſinde anzuſtellen/ wolte
ich es nicht ſo gar verlohren geben/ ob ſchon etwa ein und anderer verſuch nicht von
ſtatten gegangen/ ſondern die hindernuͤſſen vorgetrungen haben. Sondern ich
hoffte/ wo mehrmal damit angehalten/ und ſonderlich getrachtet wuͤrde/ nur ein
oder andere gute ſeelen unter dem geſinde zu bekommen/ ſolte der HERR HErr/
ſo alle hertzen in ſeinen haͤnden hat/ und von dem auch dieſe erbauung muß erbe-
ten werden/ einigen ſegen darzu verleihen/ damit das jenige geſchehe/ was er gleich-
wol von uns fordert. Nun er gebe ſelbs die noͤthige weißheit zu allem dem/ was
er von uns haben will/ und unſer unvermoͤgen kennet.

SECTIO XV.
Von anſtalten der erziehung der jugend.

Ob zu ſonderbaren anſtalten fuͤr die jugend in abſicht auf dero Gottſe-
lige erziehung ein ſonderbarer beruff gehoͤre?

ES wird hiemit von ſolchen anſtalten geredet/ nicht dadurch andere zu dero-
ſelben beobachtung verbunden wuͤrden/ als wor zu publica autoritas gehoͤ-
rete/ ſondern daß ein Chriſtlicher mann/ der die viele und von ſo vielen be-
klagte maͤngel der gemeinen ſchulen anſiehet/ vor ſich/ mit niemand anders be-
ſchwerde/ eine anſtalt macht/ daß eltern/ welche ihre kinder ſorgfaͤltiger erzogen
haben wollen/ darzu gelegenheit haben koͤnnen. 2. Es wird abermal verſtanden
von ſolchen orten/ da nicht etwa von hoher Obrigkeit ein verbot gegen alle/ auſſer
den ordentlichen/ beſonders aufrichtende ſchulen vorhanden iſt. Dann wo ein
ſolches dagegen waͤre/ wuͤrde eine dergleichen anſtalt nicht doͤrffen vorgenommen
werden.

Wo aber dieſe hindernuͤß nicht iſt/ glaube ich/ es ſeye einer jeglichen Chriſt-
lichen peꝛſon erlaubet/ welche das gemeine verderben einſiehet/ und erbarmen ge-
gen die jugend traͤget/ auch die mittel und den verſtand dazu hat/ dergleichen an-
ſtalten zu ordnen/ und nachmal zu regieren; daß ſie ſich dergleichen ohne eigengeſuch
und in der abſicht allein auf Gottes ehre und des nechſten wohlfart unternehme:
bedoͤrffe alſo darzu keines ſonderbaren beruffs/ ſondern ſeye darzu gnug der allge-
meine Chriſten beruff zur liebe GOttes und des nechſten.

Dann
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[388/0400] Das ſiebende Capitel. fel des gewiſſens ſitzet. Jſt alſo ja beſſer/ einige nachrede einer ſingularitaͤt uͤber ſich ergehen laſſen/ als in ſolche gefahr ſeiner ſeelen ſich zu ſtuͤrtzen/ und doch e- ben ſo wohl/ da man in die geſellſchafften kommet/ und aufs wenigſte nicht eben al- lerdings mit machet/ die nachrede leiden muͤſſen. Jch nehme aber hievon aus die- jenige gelegenheiten/ wo derſelbe wahrhafftig eine liebe und dienſt einem guten freunde zu erzeigen gelegenheit ſehe: welche wir ja nicht zu verſaͤumen haben. We- gen der hauß-kirche/ welche aufs wenigſte mit dem geſinde anzuſtellen/ wolte ich es nicht ſo gar verlohren geben/ ob ſchon etwa ein und anderer verſuch nicht von ſtatten gegangen/ ſondern die hindernuͤſſen vorgetrungen haben. Sondern ich hoffte/ wo mehrmal damit angehalten/ und ſonderlich getrachtet wuͤrde/ nur ein oder andere gute ſeelen unter dem geſinde zu bekommen/ ſolte der HERR HErr/ ſo alle hertzen in ſeinen haͤnden hat/ und von dem auch dieſe erbauung muß erbe- ten werden/ einigen ſegen darzu verleihen/ damit das jenige geſchehe/ was er gleich- wol von uns fordert. Nun er gebe ſelbs die noͤthige weißheit zu allem dem/ was er von uns haben will/ und unſer unvermoͤgen kennet. 1684. SECTIO XV. Von anſtalten der erziehung der jugend. Ob zu ſonderbaren anſtalten fuͤr die jugend in abſicht auf dero Gottſe- lige erziehung ein ſonderbarer beruff gehoͤre? ES wird hiemit von ſolchen anſtalten geredet/ nicht dadurch andere zu dero- ſelben beobachtung verbunden wuͤrden/ als wor zu publica autoritas gehoͤ- rete/ ſondern daß ein Chriſtlicher mann/ der die viele und von ſo vielen be- klagte maͤngel der gemeinen ſchulen anſiehet/ vor ſich/ mit niemand anders be- ſchwerde/ eine anſtalt macht/ daß eltern/ welche ihre kinder ſorgfaͤltiger erzogen haben wollen/ darzu gelegenheit haben koͤnnen. 2. Es wird abermal verſtanden von ſolchen orten/ da nicht etwa von hoher Obrigkeit ein verbot gegen alle/ auſſer den ordentlichen/ beſonders aufrichtende ſchulen vorhanden iſt. Dann wo ein ſolches dagegen waͤre/ wuͤrde eine dergleichen anſtalt nicht doͤrffen vorgenommen werden. Wo aber dieſe hindernuͤß nicht iſt/ glaube ich/ es ſeye einer jeglichen Chriſt- lichen peꝛſon erlaubet/ welche das gemeine verderben einſiehet/ und erbarmen ge- gen die jugend traͤget/ auch die mittel und den verſtand dazu hat/ dergleichen an- ſtalten zu ordnen/ und nachmal zu regieren; daß ſie ſich dergleichen ohne eigengeſuch und in der abſicht allein auf Gottes ehre und des nechſten wohlfart unternehme: bedoͤrffe alſo darzu keines ſonderbaren beruffs/ ſondern ſeye darzu gnug der allge- meine Chriſten beruff zur liebe GOttes und des nechſten. Dann

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/400>, abgerufen am 22.11.2024.