Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. und anders zu heurathen/ ob es wol wahrhaftig nie an das vorige verbunden ge-wesen; ja es stehet auch beyden nicht frey/ sich mit gemeinem belieben von einan- der zu thun/ sondern es ist allerdings/ daß solches geschehe/ ein richterlicher ausspruch/ und also vorhergegangene untersuchung der sachen/ nothwendig/ nicht allein dar- mit nicht ein theil mit falschem vorwand dergleichen gebrechens sich von dem an- dern loßreisse/ oder zwey personen/ so einander überdrüßig/ zu einer solchen boßheit übereinstimmeten/ sondern auch damit das gemeine sonsten daher entstehende är- gernüß/ wo man eines andern ehe-gatten bey dessen leben/ wiederum einen andern/ ohne daß die rechtmäßige ursach deswegen zur gnüge bekant worden/ beurathen sehe/ vermieden werde/ welches darmit geschiehet/ wenn die ursache durch richter- lichen spruch öffentlich bekant wird. 3. Weil aber in dieser sache/ wie allen dergleichen/ mit grosser behutsamkeit verfah- ren werden muß/ daß keinem theil unrecht geschehe/ oder beyder boßheit unbedacht- sam nachgesehen werde/ so ligt einem richter grosse sorgfalt ob/ dieser beyder stücke versicherung zu haben. 1. Ob die angegebene impotenz des einen theils in der that sich also verhalte/ und nicht allein von dem andern theil fälschlich vorgegeben oder von beyden erdichtet werde/ andern theils ob es ein solches unvermögen/ das nur eine zeitlang währe/ und entweder durch artzneyen gehoben werden könte/ o- der sich die natur selbs erholte/ oder ob es ein mangel/ der durch der natur kräff- ten nicht wider aufgehoben werden könne. 4. Was das letzte anlangt/ wird demselben begegnet/ daß man solche leute auf die erhobene klage nicht so bald von einander thue/ sondern eine geraume zeit beysammen wohnen lasse/ und sie indessen zu gebet und gedult vermahne/ ob GOtt gnade geben/ und solches gebrechen der natur/ zur wircklichkeit ihrer ehe/ aufge- hoben werden lassen wolte. 5. Was aber das erste betrifft/ wird es so viel schwerer/ wo der beschuldig- te theil den vorgerückten fehler leugnet/ und muß es alsdann auf die besichtigung des leibes/ und das urtheil der natur verständiger personen ankommen/ den grund oder ungrund der anklage dar zu thun/ wo aber der beklagte/ was ihm vorge- rücket wird/ geständig ist/ solte man gedencken/ daß wie in andern dingen die bekäntnüß an stat genugsamen erweises angenommen wird/ also auch kein an- derer erweiß in diesem fall angeführet werden dürffte. Weil aber müglich/ daß so wol die beschuldigung als auch geständnüß aus verdruß der leute/ den sie an ein- ander hätten/ hergekommen seyn möchte/ ist in den geistlichen rechten verordnet/ daß beyde theil (da nicht zu vermuthen/ daß beyde ihrer seelen heil so liederlich in wind schlagen würden) daß sie einander aus solchen gebrechen niemal ehelich theilhafftig worden/ beschweren solten. 6. Diese constitution ist nun auf mehrere sicherheit angesehen/ die sache an
Das ſiebende Capitel. und anders zu heurathen/ ob es wol wahrhaftig nie an das vorige verbunden ge-weſen; ja es ſtehet auch beyden nicht frey/ ſich mit gemeinem belieben von einan- der zu thun/ ſondern es iſt allerdings/ daß ſolches geſchehe/ ein richterlicheꝛ ausſpruch/ und alſo vorhergegangene unterſuchung der ſachen/ nothwendig/ nicht allein dar- mit nicht ein theil mit falſchem vorwand dergleichen gebrechens ſich von dem an- dern loßreiſſe/ oder zwey perſonen/ ſo einander uͤberdruͤßig/ zu einer ſolchen boßheit uͤbereinſtimmeten/ ſondern auch damit das gemeine ſonſten daher entſtehende aͤr- gernuͤß/ wo man eines andern ehe-gatten bey deſſen leben/ wiederum einen andern/ ohne daß die rechtmaͤßige urſach deswegen zur gnuͤge bekant worden/ beurathen ſehe/ vermieden werde/ welches darmit geſchiehet/ wenn die urſache durch richter- lichen ſpruch oͤffentlich bekant wird. 3. Weil aber in dieſer ſache/ wie allen dergleichen/ mit groſſer behutſamkeit veꝛfah- ren werden muß/ daß keinem theil unrecht geſchehe/ oder beyder boßheit unbedacht- ſam nachgeſehen werde/ ſo ligt einem richter groſſe ſorgfalt ob/ dieſer beyder ſtuͤcke verſicherung zu haben. 1. Ob die angegebene impotenz des einen theils in der that ſich alſo verhalte/ und nicht allein von dem andern theil faͤlſchlich vorgegeben oder von beyden erdichtet werde/ andern theils ob es ein ſolches unvermoͤgen/ das nur eine zeitlang waͤhre/ und entweder durch artzneyen gehoben werden koͤnte/ o- der ſich die natur ſelbs erholte/ oder ob es ein mangel/ der durch der natur kraͤff- ten nicht wider aufgehoben werden koͤnne. 4. Was das letzte anlangt/ wird demſelben begegnet/ daß man ſolche leute auf die erhobene klage nicht ſo bald von einander thue/ ſondern eine geraume zeit beyſammen wohnen laſſe/ und ſie indeſſen zu gebet und gedult vermahne/ ob GOtt gnade geben/ und ſolches gebrechen der natur/ zur wircklichkeit ihrer ehe/ aufge- hoben werden laſſen wolte. 5. Was aber das erſte betrifft/ wird es ſo viel ſchwerer/ wo der beſchuldig- te theil den vorgeruͤckten fehler leugnet/ und muß es alsdann auf die beſichtigung des leibes/ und das urtheil der natur verſtaͤndiger perſonen ankommen/ den grund oder ungrund der anklage dar zu thun/ wo aber der beklagte/ was ihm vorge- ruͤcket wird/ geſtaͤndig iſt/ ſolte man gedencken/ daß wie in andern dingen die bekaͤntnuͤß an ſtat genugſamen erweiſes angenommen wird/ alſo auch kein an- derer erweiß in dieſem fall angefuͤhret werden duͤrffte. Weil aber muͤglich/ daß ſo wol die beſchuldigung als auch geſtaͤndnuͤß aus verdruß der leute/ den ſie an ein- ander haͤtten/ hergekommen ſeyn moͤchte/ iſt in den geiſtlichen rechten verordnet/ daß beyde theil (da nicht zu vermuthen/ daß beyde ihrer ſeelen heil ſo liederlich in wind ſchlagen wuͤrden) daß ſie einander aus ſolchen gebrechen niemal ehelich theilhafftig worden/ beſchweren ſolten. 6. Dieſe conſtitution iſt nun auf mehrere ſicherheit angeſehen/ die ſache an
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0416" n="404"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/> und anders zu heurathen/ ob es wol wahrhaftig nie an das vorige verbunden ge-<lb/> weſen; ja es ſtehet auch beyden nicht frey/ ſich mit gemeinem belieben von einan-<lb/> der zu thun/ ſondern es iſt allerdings/ daß ſolches geſchehe/ ein richterlicheꝛ ausſpruch/<lb/> und alſo vorhergegangene unterſuchung der ſachen/ nothwendig/ nicht allein dar-<lb/> mit nicht ein theil mit falſchem vorwand dergleichen gebrechens ſich von dem an-<lb/> dern loßreiſſe/ oder zwey perſonen/ ſo einander uͤberdruͤßig/ zu einer ſolchen boßheit<lb/> uͤbereinſtimmeten/ ſondern auch damit das gemeine ſonſten daher entſtehende aͤr-<lb/> gernuͤß/ wo man eines andern ehe-gatten bey deſſen leben/ wiederum einen andern/<lb/> ohne daß die rechtmaͤßige urſach deswegen zur gnuͤge bekant worden/ beurathen<lb/> ſehe/ vermieden werde/ welches darmit geſchiehet/ wenn die urſache durch richter-<lb/> lichen ſpruch oͤffentlich bekant wird.</item><lb/> <item>3. Weil aber in dieſer ſache/ wie allen dergleichen/ mit groſſer behutſamkeit veꝛfah-<lb/> ren werden muß/ daß keinem theil unrecht geſchehe/ oder beyder boßheit unbedacht-<lb/> ſam nachgeſehen werde/ ſo ligt einem richter groſſe ſorgfalt ob/ dieſer beyder ſtuͤcke<lb/> verſicherung zu haben. 1. Ob die angegebene <hi rendition="#aq">impotenz</hi> des einen theils in der<lb/> that ſich alſo verhalte/ und nicht allein von dem andern theil faͤlſchlich vorgegeben<lb/> oder von beyden erdichtet werde/ andern theils ob es ein ſolches unvermoͤgen/ das<lb/> nur eine zeitlang waͤhre/ und entweder durch artzneyen gehoben werden koͤnte/ o-<lb/> der ſich die natur ſelbs erholte/ oder ob es ein mangel/ der durch der natur kraͤff-<lb/> ten nicht wider aufgehoben werden koͤnne.</item><lb/> <item>4. Was das letzte anlangt/ wird demſelben begegnet/ daß man ſolche leute<lb/> auf die erhobene klage nicht ſo bald von einander thue/ ſondern eine geraume zeit<lb/> beyſammen wohnen laſſe/ und ſie indeſſen zu gebet und gedult vermahne/ ob GOtt<lb/> gnade geben/ und ſolches gebrechen der natur/ zur wircklichkeit ihrer ehe/ aufge-<lb/> hoben werden laſſen wolte.</item><lb/> <item>5. Was aber das erſte betrifft/ wird es ſo viel ſchwerer/ wo der beſchuldig-<lb/> te theil den vorgeruͤckten fehler leugnet/ und muß es alsdann auf die beſichtigung<lb/> des leibes/ und das urtheil der natur verſtaͤndiger perſonen ankommen/ den grund<lb/> oder ungrund der anklage dar zu thun/ wo aber der beklagte/ was ihm vorge-<lb/> ruͤcket wird/ geſtaͤndig iſt/ ſolte man gedencken/ daß wie in andern dingen die<lb/> bekaͤntnuͤß an ſtat genugſamen erweiſes angenommen wird/ alſo auch kein an-<lb/> derer erweiß in dieſem fall angefuͤhret werden duͤrffte. Weil aber muͤglich/ daß<lb/> ſo wol die beſchuldigung als auch geſtaͤndnuͤß aus verdruß der leute/ den ſie an ein-<lb/> ander haͤtten/ hergekommen ſeyn moͤchte/ iſt in den geiſtlichen rechten verordnet/<lb/> daß beyde theil (da nicht zu vermuthen/ daß beyde ihrer ſeelen heil ſo liederlich<lb/> in wind ſchlagen wuͤrden) daß ſie einander aus ſolchen gebrechen niemal ehelich<lb/> theilhafftig worden/ beſchweren ſolten.</item><lb/> <item>6. Dieſe <hi rendition="#aq">conſtitution</hi> iſt nun auf mehrere ſicherheit angeſehen/ die ſache<lb/> <fw place="bottom" type="catch">an</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [404/0416]
Das ſiebende Capitel.
und anders zu heurathen/ ob es wol wahrhaftig nie an das vorige verbunden ge-
weſen; ja es ſtehet auch beyden nicht frey/ ſich mit gemeinem belieben von einan-
der zu thun/ ſondern es iſt allerdings/ daß ſolches geſchehe/ ein richterlicheꝛ ausſpruch/
und alſo vorhergegangene unterſuchung der ſachen/ nothwendig/ nicht allein dar-
mit nicht ein theil mit falſchem vorwand dergleichen gebrechens ſich von dem an-
dern loßreiſſe/ oder zwey perſonen/ ſo einander uͤberdruͤßig/ zu einer ſolchen boßheit
uͤbereinſtimmeten/ ſondern auch damit das gemeine ſonſten daher entſtehende aͤr-
gernuͤß/ wo man eines andern ehe-gatten bey deſſen leben/ wiederum einen andern/
ohne daß die rechtmaͤßige urſach deswegen zur gnuͤge bekant worden/ beurathen
ſehe/ vermieden werde/ welches darmit geſchiehet/ wenn die urſache durch richter-
lichen ſpruch oͤffentlich bekant wird.
3. Weil aber in dieſer ſache/ wie allen dergleichen/ mit groſſer behutſamkeit veꝛfah-
ren werden muß/ daß keinem theil unrecht geſchehe/ oder beyder boßheit unbedacht-
ſam nachgeſehen werde/ ſo ligt einem richter groſſe ſorgfalt ob/ dieſer beyder ſtuͤcke
verſicherung zu haben. 1. Ob die angegebene impotenz des einen theils in der
that ſich alſo verhalte/ und nicht allein von dem andern theil faͤlſchlich vorgegeben
oder von beyden erdichtet werde/ andern theils ob es ein ſolches unvermoͤgen/ das
nur eine zeitlang waͤhre/ und entweder durch artzneyen gehoben werden koͤnte/ o-
der ſich die natur ſelbs erholte/ oder ob es ein mangel/ der durch der natur kraͤff-
ten nicht wider aufgehoben werden koͤnne.
4. Was das letzte anlangt/ wird demſelben begegnet/ daß man ſolche leute
auf die erhobene klage nicht ſo bald von einander thue/ ſondern eine geraume zeit
beyſammen wohnen laſſe/ und ſie indeſſen zu gebet und gedult vermahne/ ob GOtt
gnade geben/ und ſolches gebrechen der natur/ zur wircklichkeit ihrer ehe/ aufge-
hoben werden laſſen wolte.
5. Was aber das erſte betrifft/ wird es ſo viel ſchwerer/ wo der beſchuldig-
te theil den vorgeruͤckten fehler leugnet/ und muß es alsdann auf die beſichtigung
des leibes/ und das urtheil der natur verſtaͤndiger perſonen ankommen/ den grund
oder ungrund der anklage dar zu thun/ wo aber der beklagte/ was ihm vorge-
ruͤcket wird/ geſtaͤndig iſt/ ſolte man gedencken/ daß wie in andern dingen die
bekaͤntnuͤß an ſtat genugſamen erweiſes angenommen wird/ alſo auch kein an-
derer erweiß in dieſem fall angefuͤhret werden duͤrffte. Weil aber muͤglich/ daß
ſo wol die beſchuldigung als auch geſtaͤndnuͤß aus verdruß der leute/ den ſie an ein-
ander haͤtten/ hergekommen ſeyn moͤchte/ iſt in den geiſtlichen rechten verordnet/
daß beyde theil (da nicht zu vermuthen/ daß beyde ihrer ſeelen heil ſo liederlich
in wind ſchlagen wuͤrden) daß ſie einander aus ſolchen gebrechen niemal ehelich
theilhafftig worden/ beſchweren ſolten.
6. Dieſe conſtitution iſt nun auf mehrere ſicherheit angeſehen/ die ſache
an
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |