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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECT. XX.
an sich selbs nicht schlechterdings nöthig/ sondern da der eine theil noch so gar die
sache beschweren/ der andere aber zwar über den eyd bedencken hat/ jedoch in
dem gericht den mangel gestehet (da gleichwol wo mans recht erweget/ was in
dem gericht/ das man GOTT dem HERRN hält/ gestanden und geleugnet
wird/ in der that die krafft des eydes in sich schliesset) kan nach bewandnüß der
umstände/ der mangel als gnug erwiesen angesehen/ und also von dem richter
darauf gesprochen werden. Sonderlich weil mehrere ursachen seyn können/
warum einer ein bedencken über einen eyd haben kan/ daß er entweder aller-
dings vor den eyden einen abscheu/ und darin mit den widertäuffern etwas ge-
mein hätte/ oder doch wegen des deutlichen buchstabens Matth. 5/ 34-37.
Jac. 5/ 12.
seinem gewissen kein gnüge thun/ dessen scrupel überwinden/ und
die erklärungen solcher sprüche zu völliger seiner beruhigung fassen könte (so viel-
mehr weil er in den alten vätern auch vieles dagegen findet) oder wie es in die-
sem fall müglich etwas/ dessen er sich schämet/ unter der bezeugung des namens
GOttes zu bestätigen sich nicht entschliessen wolte. Ob denn nun der eine theil
aus einigen dergleichen ursachen sich zum eyd nicht bringen liesse/ wird damit
die krafft des andern geschwornen eydes/ und das dadurch solchem theil erlang-
te recht nicht aufgehoben: und kan die weigerung des eydes von der andern seiten
so vielweniger einen solchen widrigen effect dagegen haben/ weil er nicht unter-
läßt/ das durch den andern theil beschworne/ ob wol ohn eigenen eyd/ zu bestäti-
gen; darmit er gleichwol/ als der/ wo jener theil falsch geschworen hätte/ wi-
dersprechen sollen/ indem er aber dessen wahrheit bezeugt/ durch billichung eines
meineydes selbs meineidig wird/ sein recht an den andern theil verliehrt. Daß
daher in solchen umständen/ wenn der beschuldigte theil schon zu dem eyd aus an-
dern vorwand sich nicht verstehen will/ die klage und des beklagten impotenz gleich-
wol so weit/ als man in menschlichen gerichten kommen kan/ vor erwiesen zu ach-
ten ist.
7. Daraus folget/ daß judex den unschuldigen theil/ der mit dem juramen-
to/
dasjenige wozu er gehalten werden können/ erfüllet/ und also seine proba-
tion
geleistet/ um verweigerung des andern juramenti/ nicht aufzuhalten ha-
be/ sondern die nullität und ungültigkeit der darvor gehaltenen ehe durch seinen
spruch erklären/ auch andre ehe verstatten könne.

Wie dieses in thesi richtig: so kans ad hypothesin Titii und Semproniae
leicht applicirt werden. 1. Die personen sind ins 12. jahr/ und also lang gnug/
beysammen gewesen/ daher der mangel/ der sich seither nicht gebessert/ ohne hoff-
nung fernerer besserung bleibet. 2/ Der mangel Titii ist von ihm gerichtlich gestan-
den/ und von ihr beschwohren/ daher gnug erwiesen. Daher 3. kan sie mit gu-
ten fug die loßsprechung fordern/ und sie ihr nicht versagt werden.

Aus
e e e 3
ARTIC. III. SECT. XX.
an ſich ſelbs nicht ſchlechterdings noͤthig/ ſondern da der eine theil noch ſo gar die
ſache beſchweren/ der andere aber zwar uͤber den eyd bedencken hat/ jedoch in
dem gericht den mangel geſtehet (da gleichwol wo mans recht erweget/ was in
dem gericht/ das man GOTT dem HERRN haͤlt/ geſtanden und geleugnet
wird/ in der that die krafft des eydes in ſich ſchlieſſet) kan nach bewandnuͤß der
umſtaͤnde/ der mangel als gnug erwieſen angeſehen/ und alſo von dem richter
darauf geſprochen werden. Sonderlich weil mehrere urſachen ſeyn koͤnnen/
warum einer ein bedencken uͤber einen eyd haben kan/ daß er entweder aller-
dings vor den eyden einen abſcheu/ und darin mit den widertaͤuffern etwas ge-
mein haͤtte/ oder doch wegen des deutlichen buchſtabens Matth. 5/ 34-37.
Jac. 5/ 12.
ſeinem gewiſſen kein gnuͤge thun/ deſſen ſcrupel uͤberwinden/ und
die erklaͤrungen ſolcher ſpruͤche zu voͤlliger ſeiner beruhigung faſſen koͤnte (ſo viel-
mehr weil er in den alten vaͤtern auch vieles dagegen findet) oder wie es in die-
ſem fall muͤglich etwas/ deſſen er ſich ſchaͤmet/ unter der bezeugung des namens
GOttes zu beſtaͤtigen ſich nicht entſchlieſſen wolte. Ob denn nun der eine theil
aus einigen dergleichen urſachen ſich zum eyd nicht bringen lieſſe/ wird damit
die krafft des andern geſchwornen eydes/ und das dadurch ſolchem theil erlang-
te recht nicht aufgehoben: und kan die weigerung des eydes von der andern ſeiten
ſo vielweniger einen ſolchen widrigen effect dagegen haben/ weil er nicht unter-
laͤßt/ das durch den andern theil beſchworne/ ob wol ohn eigenen eyd/ zu beſtaͤti-
gen; darmit er gleichwol/ als der/ wo jener theil falſch geſchworen haͤtte/ wi-
derſprechen ſollen/ indem er aber deſſen wahrheit bezeugt/ durch billichung eines
meineydes ſelbs meineidig wird/ ſein recht an den andern theil verliehrt. Daß
daher in ſolchen umſtaͤnden/ wenn der beſchuldigte theil ſchon zu dem eyd aus an-
dern vorwand ſich nicht verſtehen will/ die klage und des beklagten impotenz gleich-
wol ſo weit/ als man in menſchlichen gerichten kommen kan/ vor erwieſen zu ach-
ten iſt.
7. Daraus folget/ daß judex den unſchuldigen theil/ der mit dem juramen-
to/
dasjenige wozu er gehalten werden koͤnnen/ erfuͤllet/ und alſo ſeine proba-
tion
geleiſtet/ um verweigerung des andern juramenti/ nicht aufzuhalten ha-
be/ ſondern die nullitaͤt und unguͤltigkeit der darvor gehaltenen ehe durch ſeinen
ſpruch erklaͤren/ auch andre ehe verſtatten koͤnne.

Wie dieſes in theſi richtig: ſo kans ad hypotheſin Titii und Semproniæ
leicht applicirt werden. 1. Die perſonen ſind ins 12. jahr/ und alſo lang gnug/
beyſammen geweſen/ daher der mangel/ der ſich ſeither nicht gebeſſert/ ohne hoff-
nung fernerer beſſerung bleibet. 2/ Der mangel Titii iſt von ihm gerichtlich geſtan-
den/ und von ihr beſchwohren/ daher gnug erwieſen. Daher 3. kan ſie mit gu-
ten fug die loßſprechung fordern/ und ſie ihr nicht verſagt werden.

Aus
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[405/0417] ARTIC. III. SECT. XX. an ſich ſelbs nicht ſchlechterdings noͤthig/ ſondern da der eine theil noch ſo gar die ſache beſchweren/ der andere aber zwar uͤber den eyd bedencken hat/ jedoch in dem gericht den mangel geſtehet (da gleichwol wo mans recht erweget/ was in dem gericht/ das man GOTT dem HERRN haͤlt/ geſtanden und geleugnet wird/ in der that die krafft des eydes in ſich ſchlieſſet) kan nach bewandnuͤß der umſtaͤnde/ der mangel als gnug erwieſen angeſehen/ und alſo von dem richter darauf geſprochen werden. Sonderlich weil mehrere urſachen ſeyn koͤnnen/ warum einer ein bedencken uͤber einen eyd haben kan/ daß er entweder aller- dings vor den eyden einen abſcheu/ und darin mit den widertaͤuffern etwas ge- mein haͤtte/ oder doch wegen des deutlichen buchſtabens Matth. 5/ 34-37. Jac. 5/ 12. ſeinem gewiſſen kein gnuͤge thun/ deſſen ſcrupel uͤberwinden/ und die erklaͤrungen ſolcher ſpruͤche zu voͤlliger ſeiner beruhigung faſſen koͤnte (ſo viel- mehr weil er in den alten vaͤtern auch vieles dagegen findet) oder wie es in die- ſem fall muͤglich etwas/ deſſen er ſich ſchaͤmet/ unter der bezeugung des namens GOttes zu beſtaͤtigen ſich nicht entſchlieſſen wolte. Ob denn nun der eine theil aus einigen dergleichen urſachen ſich zum eyd nicht bringen lieſſe/ wird damit die krafft des andern geſchwornen eydes/ und das dadurch ſolchem theil erlang- te recht nicht aufgehoben: und kan die weigerung des eydes von der andern ſeiten ſo vielweniger einen ſolchen widrigen effect dagegen haben/ weil er nicht unter- laͤßt/ das durch den andern theil beſchworne/ ob wol ohn eigenen eyd/ zu beſtaͤti- gen; darmit er gleichwol/ als der/ wo jener theil falſch geſchworen haͤtte/ wi- derſprechen ſollen/ indem er aber deſſen wahrheit bezeugt/ durch billichung eines meineydes ſelbs meineidig wird/ ſein recht an den andern theil verliehrt. Daß daher in ſolchen umſtaͤnden/ wenn der beſchuldigte theil ſchon zu dem eyd aus an- dern vorwand ſich nicht verſtehen will/ die klage und des beklagten impotenz gleich- wol ſo weit/ als man in menſchlichen gerichten kommen kan/ vor erwieſen zu ach- ten iſt. 7. Daraus folget/ daß judex den unſchuldigen theil/ der mit dem juramen- to/ dasjenige wozu er gehalten werden koͤnnen/ erfuͤllet/ und alſo ſeine proba- tion geleiſtet/ um verweigerung des andern juramenti/ nicht aufzuhalten ha- be/ ſondern die nullitaͤt und unguͤltigkeit der darvor gehaltenen ehe durch ſeinen ſpruch erklaͤren/ auch andre ehe verſtatten koͤnne. Wie dieſes in theſi richtig: ſo kans ad hypotheſin Titii und Semproniæ leicht applicirt werden. 1. Die perſonen ſind ins 12. jahr/ und alſo lang gnug/ beyſammen geweſen/ daher der mangel/ der ſich ſeither nicht gebeſſert/ ohne hoff- nung fernerer beſſerung bleibet. 2/ Der mangel Titii iſt von ihm gerichtlich geſtan- den/ und von ihr beſchwohren/ daher gnug erwieſen. Daher 3. kan ſie mit gu- ten fug die loßſprechung fordern/ und ſie ihr nicht verſagt werden. Aus e e e 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/417>, abgerufen am 22.11.2024.