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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
Sola hic justificat, tametsi non sola: pomum nunquam est sine odore, sapore,
colore, non tamen agit in visum per odorem, sed solo colore. Unde non defu-
erunt[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]e nostris, qui
akribesteros dici censuerunt, fidem solum justificare, quam
fidem solam justificare
der glaube mache allein gerecht/ aber nicht der alleinige
glaube. welche materie dann eben so ernstlich zu treiben ist wegen derzenigen/
welche ihnen einen falschen glauben einbilden/ den der liebe Lutherus ein mensch-
lich gedicht und gedancken nennet/ als gegen die päbstisehe und mit denselben eini-
gerley massen einstimmende/ daß der glaube allein gerecht mache. Wie dann solcher
betrug so schändlich und gefährlich ist/ als immermehr dieser irrthum seyn kan. Die-
ses ist allezeit meine Lehr von solcher materie gewesen/ und auch noch; sollte auch ir-
gend einig wort in meinen schrifften anders scheinen zu lauten/ so ich nicht weiß/ bin
ich bereit in allen solchem meinen verstand also zu erklären/ daß das wenigste nicht
von solcher heilsamen lehr abweichen wird; dann ich weiß/ daß ich nie anders geglau-
bet und gehalten habe/ so können dann auch niemal meine wort andern verstand
gehabt haben/ als derjenige/ der in meinem hertzen allezeit gewircket gewesen ist/
und durch GOTTES gnade mein lebtag bleiben wird. Solte auch mein Hoch-
geehrter herr Vetter selbst andere gedancken in diesen puncten von mir sich ha-
ben beybringen lassen/ so habe gehorsamlich zu bitten/ solche (darinen mir sonsten
gewißlich vor GOtt würde unrecht geschehen) fallen zu lassen/ und zu glauben/ daß
ich dieses als vor GOTT/ so des hertzens zeuge ist/ schreibe und mich erkläre. etc.

SECTIO IIX.
Regel in an sich selbs erlaubten sachen in acht zu nehmen.
Superint. Wincklers glückliche amts-verrichtung.

ES bleibet uns Christen billig diese Regel vor augen/ ob ich wol alles macht
hätte/ so frommet doch nicht alles/ und haben wir so wol um andern anstos-
ses willen uns einiges erlaubten zu enthalten/ um uns eben so wol vor dem
schein des bösen zu hüten/ als auch nicht aller freyheyt zu gebrauchen/ da unser be-
trügliches fleisch zu weilen unter seinem schein etwas seiner unart üben will/ dem wir
genau auf seine absichten acht geben/ und offt/ wo wir seine list mercken/ lieber von
dem noch zugelassenen zurück bleiben/ als in der sorge/ daß uns jenes betrügen woll-
te/ fortgehen sollen; dann in jenem können wir nicht sündigen/ wol aber in diesem.
Zu Wertheim hat herr D. Zesch von den Päbstischen viele widerwärtigkei-
ten ausgestanden: wie wol herr M. Winckler sein successor daselbst durch GOT-
TES Gnade nicht in seinem amt oder sonsten von der Päbstischen mitherrschafft
keinen sonderlichen eintrag annoch gelitten/ sondern vielmehr von allerseits herr-
schaft meistens die nöthige beyhülf bisher erhalten hat. Daher ich ihn bis dahero

noch

Das ſiebende Capitel.
Sola hic juſtificat, tametſi non ſola: pomum nunquam eſt ſine odore, ſapore,
colore, non tamen agit in viſum per odorem, ſed ſolo colore. Unde non defu-
erunt[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]é noſtris, qui
ἀκριβεστέρως dici cenſuerunt, fidem ſolum juſtificare, quam
fidem ſolam juſtificare
der glaube mache allein gerecht/ aber nicht der alleinige
glaube. welche materie dann eben ſo ernſtlich zu treiben iſt wegen derzenigen/
welche ihnen einen falſchen glauben einbilden/ den der liebe Lutherus ein menſch-
lich gedicht und gedancken nennet/ als gegen die paͤbſtiſehe und mit denſelben eini-
gerley maſſen einſtimmende/ daß der glaube allein gerecht mache. Wie dann ſolcher
betrug ſo ſchaͤndlich und gefaͤhrlich iſt/ als immermehr dieſer irrthum ſeyn kan. Die-
ſes iſt allezeit meine Lehr von ſolcher materie geweſen/ und auch noch; ſollte auch ir-
gend einig wort in meinen ſchrifften anders ſcheinen zu lauten/ ſo ich nicht weiß/ bin
ich bereit in allen ſolchem meinen verſtand alſo zu erklaͤren/ daß das wenigſte nicht
von ſolcher heilſamen lehr abweichen wird; dann ich weiß/ daß ich nie anders geglau-
bet und gehalten habe/ ſo koͤnnen dann auch niemal meine wort andern verſtand
gehabt haben/ als derjenige/ der in meinem hertzen allezeit gewircket geweſen iſt/
und durch GOTTES gnade mein lebtag bleiben wird. Solte auch mein Hoch-
geehrter herr Vetter ſelbſt andere gedancken in dieſen puncten von mir ſich ha-
ben beybringen laſſen/ ſo habe gehorſamlich zu bitten/ ſolche (darinen mir ſonſten
gewißlich vor GOtt wuͤrde unrecht geſchehen) fallen zu laſſen/ und zu glauben/ daß
ich dieſes als vor GOTT/ ſo des hertzens zeuge iſt/ ſchreibe und mich erklaͤre. ꝛc.

SECTIO IIX.
Regel in an ſich ſelbs erlaubten ſachen in acht zu nehmen.
Superint. Wincklers gluͤckliche amts-verrichtung.

ES bleibet uns Chriſten billig dieſe Regel vor augen/ ob ich wol alles macht
haͤtte/ ſo frommet doch nicht alles/ und haben wir ſo wol um andern anſtoſ-
ſes willen uns einiges erlaubten zu enthalten/ um uns eben ſo wol vor dem
ſchein des boͤſen zu huͤten/ als auch nicht aller freyheyt zu gebrauchen/ da unſer be-
truͤgliches fleiſch zu weilen unter ſeinem ſchein etwas ſeiner unart uͤben will/ dem wir
genau auf ſeine abſichten acht geben/ und offt/ wo wir ſeine liſt mercken/ lieber von
dem noch zugelaſſenen zuruͤck bleiben/ als in der ſorge/ daß uns jenes betruͤgen woll-
te/ fortgehen ſollen; dann in jenem koͤnnen wir nicht ſuͤndigen/ wol aber in dieſem.
Zu Wertheim hat herr D. Zeſch von den Paͤbſtiſchen viele widerwaͤrtigkei-
ten ausgeſtanden: wie wol herr M. Winckler ſein ſucceſſor daſelbſt durch GOT-
TES Gnade nicht in ſeinem amt oder ſonſten von der Paͤbſtiſchen mitherrſchafft
keinen ſonderlichen eintrag annoch gelitten/ ſondern vielmehr von allerſeits herr-
ſchaft meiſtens die noͤthige beyhuͤlf bisher erhalten hat. Daher ich ihn bis dahero

noch
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[432/0444] Das ſiebende Capitel. Sola hic juſtificat, tametſi non ſola: pomum nunquam eſt ſine odore, ſapore, colore, non tamen agit in viſum per odorem, ſed ſolo colore. Unde non defu- erunt_é noſtris, qui ἀκριβεστέρως dici cenſuerunt, fidem ſolum juſtificare, quam fidem ſolam juſtificare der glaube mache allein gerecht/ aber nicht der alleinige glaube. welche materie dann eben ſo ernſtlich zu treiben iſt wegen derzenigen/ welche ihnen einen falſchen glauben einbilden/ den der liebe Lutherus ein menſch- lich gedicht und gedancken nennet/ als gegen die paͤbſtiſehe und mit denſelben eini- gerley maſſen einſtimmende/ daß der glaube allein gerecht mache. Wie dann ſolcher betrug ſo ſchaͤndlich und gefaͤhrlich iſt/ als immermehr dieſer irrthum ſeyn kan. Die- ſes iſt allezeit meine Lehr von ſolcher materie geweſen/ und auch noch; ſollte auch ir- gend einig wort in meinen ſchrifften anders ſcheinen zu lauten/ ſo ich nicht weiß/ bin ich bereit in allen ſolchem meinen verſtand alſo zu erklaͤren/ daß das wenigſte nicht von ſolcher heilſamen lehr abweichen wird; dann ich weiß/ daß ich nie anders geglau- bet und gehalten habe/ ſo koͤnnen dann auch niemal meine wort andern verſtand gehabt haben/ als derjenige/ der in meinem hertzen allezeit gewircket geweſen iſt/ und durch GOTTES gnade mein lebtag bleiben wird. Solte auch mein Hoch- geehrter herr Vetter ſelbſt andere gedancken in dieſen puncten von mir ſich ha- ben beybringen laſſen/ ſo habe gehorſamlich zu bitten/ ſolche (darinen mir ſonſten gewißlich vor GOtt wuͤrde unrecht geſchehen) fallen zu laſſen/ und zu glauben/ daß ich dieſes als vor GOTT/ ſo des hertzens zeuge iſt/ ſchreibe und mich erklaͤre. ꝛc. 3. Januar. 1680. SECTIO IIX. Regel in an ſich ſelbs erlaubten ſachen in acht zu nehmen. Superint. Wincklers gluͤckliche amts-verrichtung. ES bleibet uns Chriſten billig dieſe Regel vor augen/ ob ich wol alles macht haͤtte/ ſo frommet doch nicht alles/ und haben wir ſo wol um andern anſtoſ- ſes willen uns einiges erlaubten zu enthalten/ um uns eben ſo wol vor dem ſchein des boͤſen zu huͤten/ als auch nicht aller freyheyt zu gebrauchen/ da unſer be- truͤgliches fleiſch zu weilen unter ſeinem ſchein etwas ſeiner unart uͤben will/ dem wir genau auf ſeine abſichten acht geben/ und offt/ wo wir ſeine liſt mercken/ lieber von dem noch zugelaſſenen zuruͤck bleiben/ als in der ſorge/ daß uns jenes betruͤgen woll- te/ fortgehen ſollen; dann in jenem koͤnnen wir nicht ſuͤndigen/ wol aber in dieſem. Zu Wertheim hat herr D. Zeſch von den Paͤbſtiſchen viele widerwaͤrtigkei- ten ausgeſtanden: wie wol herr M. Winckler ſein ſucceſſor daſelbſt durch GOT- TES Gnade nicht in ſeinem amt oder ſonſten von der Paͤbſtiſchen mitherrſchafft keinen ſonderlichen eintrag annoch gelitten/ ſondern vielmehr von allerſeits herr- ſchaft meiſtens die noͤthige beyhuͤlf bisher erhalten hat. Daher ich ihn bis dahero noch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/444>, abgerufen am 22.11.2024.