Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. Worüber sich darzu so vielmehr zu verwundern ist/ weil ich es mit eingenomme-nem gemüthe lase: also daß ich die irrthum darinnen suchen wolte: massen es mir als etwas irriges/ oder doch verdächtiges/ war angegeben worden. Jn wel- cher bewandnüß des gemüthes man sonsten eben nicht so leicht eine gute bewegung fühlet/ und ein buch zu lieben beginnet. So kenne ich auch unterschiedliche lie- be seelen/ die vor ihrem GOTT dermaleins rühmen werden, das gute/ was in ihnen durch solches büchlein gewircket/ und wie trefflich sie in dem christenthum dadurch gestärcket worden. Sonderlich habe ich vordem den seligen Herrn D. Brotbecken Profess. Medicinae zu Tübingen gekant/ der solchem büchlein nechst der schrifft sein meistes gedancket hat/ und zu einem solchen christen daraus wor- den ist/ daß sein gantzes leben/ so zu reden/ lauter freude über das empfangene heil und lobe GOTTES würde/ in welchem lob der liebe mann auch auf eine denckwürdige weise gestorben ist. So hat auch der gottselige Chur-Sächsische Theologus D. Weller in einen schreiben an einen Samuel Steiner/ so das buch wieder auflegen lassen/ dasselbe hertzlich gelobet/ welches schreiben ich ge- druckt habe. Weswegen mich auch nicht wenig gewundert/ daß ich hören müs- sen/ daß solches büchlein in den Königlichen Schwedischen provincien in teutsch- land solte verboten seyn/ und die ursach dessen nicht begreiffen kan. So viel ist zwar gewiß/ daß der fromme Stephanus Praetorius, aus dem Statio alles das sei- nige gezogen/ sich nicht eben gnug vorgesehen hat; sondern in seinen schrifften/ die ich deswegen auch fleißig durchgangen habe/ einige dinge gesetzet/ die nicht gantz richtig sind: wie es fast scheinet/ dem lieben mann etwas an den studiis geman- gelt zu haben/ so ist mir auch vor dem communiciret worden ein revers, welchen er in seinem leben einmal von sich geben und einiges revociren müssen: es hat mich aber solches nicht geärgert/ sondern vielmehr/ daß er nicht hartnäckig seyn wollen/ mir wohlgefallen. So sinds auch solche dinge/ die man ihm/ als wir den alten vätern zu thun pflegen/ auch christlich zu gut halten mögen. Was Statium betrifft/ so weiß/ daß auch derselbe mit seinen collegis, dem ministerio dantiscano, zu thun bekommen; es ist aber die sache auch nachmalen so beygelegt worden/ daß ich auch aus Dantzig nicht den völligen bericht zu erlangen vermocht habe/ daher er ihnen satisfaction gethan haben muß. Jn derer gantzen schatz-kammer ist nichts/ das nicht/ wo es einen gütigen und liebreichen interpretem krigt/ einen rechtgläubigen verstand haben kan. Das härteste unter allen wird wohl seyn: p. 48. da die frage lautet: Hier spricht eine arme verführte seele: wer sünde thut wider sein gewissen etc. da bekenne ich/ 1. daß es nicht nur hart/ sondern wo die wort rigorose genommen werden/ falsch sey/ was gesagt wird; dann freylich mit den
Das ſiebende Capitel. Woruͤber ſich darzu ſo vielmehr zu verwundern iſt/ weil ich es mit eingenomme-nem gemuͤthe laſe: alſo daß ich die irrthum darinnen ſuchen wolte: maſſen es mir als etwas irriges/ oder doch verdaͤchtiges/ war angegeben worden. Jn wel- cher bewandnuͤß des gemuͤthes man ſonſten eben nicht ſo leicht eine gute bewegung fuͤhlet/ und ein buch zu lieben beginnet. So kenne ich auch unterſchiedliche lie- be ſeelen/ die vor ihrem GOTT dermaleins ruͤhmen werden, das gute/ was in ihnen durch ſolches buͤchlein gewircket/ und wie trefflich ſie in dem chriſtenthum dadurch geſtaͤrcket worden. Sonderlich habe ich vordem den ſeligen Herrn D. Brotbecken Profeſſ. Medicinæ zu Tuͤbingen gekant/ der ſolchem buͤchlein nechſt der ſchrifft ſein meiſtes gedancket hat/ und zu einem ſolchen chriſten daraus wor- den iſt/ daß ſein gantzes leben/ ſo zu reden/ lauter freude uͤber das empfangene heil und lobe GOTTES wuͤrde/ in welchem lob der liebe mann auch auf eine denckwuͤrdige weiſe geſtorben iſt. So hat auch der gottſelige Chur-Saͤchſiſche Theologus D. Weller in einen ſchreiben an einen Samuel Steiner/ ſo das buch wieder auflegen laſſen/ daſſelbe hertzlich gelobet/ welches ſchreiben ich ge- druckt habe. Weswegen mich auch nicht wenig gewundert/ daß ich hoͤren muͤſ- ſen/ daß ſolches buͤchlein in den Koͤniglichen Schwediſchen provincien in teutſch- land ſolte verboten ſeyn/ und die urſach deſſen nicht begreiffen kan. So viel iſt zwar gewiß/ daß der fromme Stephanus Prætorius, aus dem Statio alles das ſei- nige gezogen/ ſich nicht eben gnug vorgeſehen hat; ſondern in ſeinen ſchrifften/ die ich deswegen auch fleißig durchgangen habe/ einige dinge geſetzet/ die nicht gantz richtig ſind: wie es faſt ſcheinet/ dem lieben mann etwas an den ſtudiis geman- gelt zu haben/ ſo iſt mir auch vor dem communiciret worden ein revers, welchen er in ſeinem leben einmal von ſich geben und einiges revociren muͤſſen: es hat mich aber ſolches nicht geaͤrgert/ ſondern vielmehr/ daß er nicht hartnaͤckig ſeyn wollen/ mir wohlgefallen. So ſinds auch ſolche dinge/ die man ihm/ als wir den alten vaͤtern zu thun pflegen/ auch chriſtlich zu gut halten moͤgen. Was Statium betrifft/ ſo weiß/ daß auch derſelbe mit ſeinen collegis, dem miniſterio dantiſcano, zu thun bekommen; es iſt aber die ſache auch nachmalen ſo beygelegt worden/ daß ich auch aus Dantzig nicht den voͤlligen bericht zu erlangen vermocht habe/ daher er ihnen ſatisfaction gethan haben muß. Jn derer gantzen ſchatz-kammer iſt nichts/ das nicht/ wo es einen guͤtigen und liebreichen interpretem krigt/ einen rechtglaͤubigen verſtand haben kan. Das haͤrteſte unter allen wird wohl ſeyn: p. 48. da die frage lautet: Hier ſpricht eine arme verfuͤhrte ſeele: wer ſuͤnde thut wider ſein gewiſſen ꝛc. da bekenne ich/ 1. daß es nicht nur hart/ ſondern wo die wort rigoroſe genommen werden/ falſch ſey/ was geſagt wird; dann freylich mit den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0494" n="482"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/> Woruͤber ſich darzu ſo vielmehr zu verwundern iſt/ weil ich es mit eingenomme-<lb/> nem gemuͤthe laſe: alſo daß ich die irrthum darinnen ſuchen wolte: maſſen es mir<lb/> als etwas irriges/ oder doch verdaͤchtiges/ war angegeben worden. Jn wel-<lb/> cher bewandnuͤß des gemuͤthes man ſonſten eben nicht ſo leicht eine gute bewegung<lb/> fuͤhlet/ und ein buch zu lieben beginnet. So kenne ich auch unterſchiedliche lie-<lb/> be ſeelen/ die vor ihrem GOTT dermaleins ruͤhmen werden, das gute/ was in<lb/> ihnen durch ſolches buͤchlein gewircket/ und wie trefflich ſie in dem chriſtenthum<lb/> dadurch geſtaͤrcket worden. Sonderlich habe ich vordem den ſeligen Herrn<lb/><hi rendition="#aq">D.</hi> Brotbecken <hi rendition="#aq">Profeſſ. Medicinæ</hi> zu Tuͤbingen gekant/ der ſolchem buͤchlein nechſt<lb/> der ſchrifft ſein meiſtes gedancket hat/ und zu einem ſolchen chriſten daraus wor-<lb/> den iſt/ daß ſein gantzes leben/ ſo zu reden/ lauter freude uͤber das empfangene<lb/> heil und lobe GOTTES wuͤrde/ in welchem lob der liebe mann auch auf eine<lb/> denckwuͤrdige weiſe geſtorben iſt. So hat auch der gottſelige Chur-Saͤchſiſche<lb/><hi rendition="#aq">Theologus D.</hi> Weller in einen ſchreiben an einen Samuel Steiner/ ſo das<lb/> buch wieder auflegen laſſen/ daſſelbe hertzlich gelobet/ welches ſchreiben ich ge-<lb/> druckt habe. Weswegen mich auch nicht wenig gewundert/ daß ich hoͤren muͤſ-<lb/> ſen/ daß ſolches buͤchlein in den Koͤniglichen Schwediſchen <hi rendition="#aq">provinci</hi>en in teutſch-<lb/> land ſolte verboten ſeyn/ und die urſach deſſen nicht begreiffen kan. So viel iſt<lb/> zwar gewiß/ daß der fromme <hi rendition="#aq">Stephanus Prætorius,</hi> aus dem <hi rendition="#aq">Statio</hi> alles das ſei-<lb/> nige gezogen/ ſich nicht eben gnug vorgeſehen hat; ſondern in ſeinen ſchrifften/ die<lb/> ich deswegen auch fleißig durchgangen habe/ einige dinge geſetzet/ die nicht gantz<lb/> richtig ſind: wie es faſt ſcheinet/ dem lieben mann etwas an den <hi rendition="#aq">ſtudiis</hi> geman-<lb/> gelt zu haben/ ſo iſt mir auch vor dem <hi rendition="#aq">communici</hi>ret worden ein <hi rendition="#aq">revers,</hi> welchen<lb/> er in ſeinem leben einmal von ſich geben und einiges <hi rendition="#aq">revoci</hi>ren muͤſſen: es hat mich<lb/> aber ſolches nicht geaͤrgert/ ſondern vielmehr/ daß er nicht hartnaͤckig ſeyn wollen/<lb/> mir wohlgefallen. So ſinds auch ſolche dinge/ die man ihm/ als wir den alten<lb/> vaͤtern zu thun pflegen/ auch chriſtlich zu gut halten moͤgen. Was <hi rendition="#aq">Statium</hi> betrifft/<lb/> ſo weiß/ daß auch derſelbe mit ſeinen <hi rendition="#aq">collegis,</hi> dem <hi rendition="#aq">miniſterio dantiſcano,</hi> zu<lb/> thun bekommen; es iſt aber die ſache auch nachmalen ſo beygelegt worden/ daß<lb/> ich auch aus Dantzig nicht den voͤlligen bericht zu erlangen vermocht habe/ daher<lb/> er ihnen <hi rendition="#aq">ſatisfaction</hi> gethan haben muß. Jn derer gantzen ſchatz-kammer iſt<lb/> nichts/ das nicht/ wo es einen guͤtigen und liebreichen <hi rendition="#aq">interpretem</hi> krigt/ einen<lb/> rechtglaͤubigen verſtand haben kan. Das haͤrteſte unter allen wird wohl ſeyn:<lb/><hi rendition="#aq">p. 48.</hi> da die frage lautet: <hi rendition="#fr">Hier ſpricht eine arme verfuͤhrte ſeele: wer ſuͤnde<lb/> thut wider ſein gewiſſen</hi> ꝛc. da bekenne ich/ 1. daß es nicht nur hart/ ſondern wo<lb/> die wort <hi rendition="#aq">rigoroſe</hi> genommen werden/ falſch ſey/ was geſagt wird; dann freylich mit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [482/0494]
Das ſiebende Capitel.
Woruͤber ſich darzu ſo vielmehr zu verwundern iſt/ weil ich es mit eingenomme-
nem gemuͤthe laſe: alſo daß ich die irrthum darinnen ſuchen wolte: maſſen es mir
als etwas irriges/ oder doch verdaͤchtiges/ war angegeben worden. Jn wel-
cher bewandnuͤß des gemuͤthes man ſonſten eben nicht ſo leicht eine gute bewegung
fuͤhlet/ und ein buch zu lieben beginnet. So kenne ich auch unterſchiedliche lie-
be ſeelen/ die vor ihrem GOTT dermaleins ruͤhmen werden, das gute/ was in
ihnen durch ſolches buͤchlein gewircket/ und wie trefflich ſie in dem chriſtenthum
dadurch geſtaͤrcket worden. Sonderlich habe ich vordem den ſeligen Herrn
D. Brotbecken Profeſſ. Medicinæ zu Tuͤbingen gekant/ der ſolchem buͤchlein nechſt
der ſchrifft ſein meiſtes gedancket hat/ und zu einem ſolchen chriſten daraus wor-
den iſt/ daß ſein gantzes leben/ ſo zu reden/ lauter freude uͤber das empfangene
heil und lobe GOTTES wuͤrde/ in welchem lob der liebe mann auch auf eine
denckwuͤrdige weiſe geſtorben iſt. So hat auch der gottſelige Chur-Saͤchſiſche
Theologus D. Weller in einen ſchreiben an einen Samuel Steiner/ ſo das
buch wieder auflegen laſſen/ daſſelbe hertzlich gelobet/ welches ſchreiben ich ge-
druckt habe. Weswegen mich auch nicht wenig gewundert/ daß ich hoͤren muͤſ-
ſen/ daß ſolches buͤchlein in den Koͤniglichen Schwediſchen provincien in teutſch-
land ſolte verboten ſeyn/ und die urſach deſſen nicht begreiffen kan. So viel iſt
zwar gewiß/ daß der fromme Stephanus Prætorius, aus dem Statio alles das ſei-
nige gezogen/ ſich nicht eben gnug vorgeſehen hat; ſondern in ſeinen ſchrifften/ die
ich deswegen auch fleißig durchgangen habe/ einige dinge geſetzet/ die nicht gantz
richtig ſind: wie es faſt ſcheinet/ dem lieben mann etwas an den ſtudiis geman-
gelt zu haben/ ſo iſt mir auch vor dem communiciret worden ein revers, welchen
er in ſeinem leben einmal von ſich geben und einiges revociren muͤſſen: es hat mich
aber ſolches nicht geaͤrgert/ ſondern vielmehr/ daß er nicht hartnaͤckig ſeyn wollen/
mir wohlgefallen. So ſinds auch ſolche dinge/ die man ihm/ als wir den alten
vaͤtern zu thun pflegen/ auch chriſtlich zu gut halten moͤgen. Was Statium betrifft/
ſo weiß/ daß auch derſelbe mit ſeinen collegis, dem miniſterio dantiſcano, zu
thun bekommen; es iſt aber die ſache auch nachmalen ſo beygelegt worden/ daß
ich auch aus Dantzig nicht den voͤlligen bericht zu erlangen vermocht habe/ daher
er ihnen ſatisfaction gethan haben muß. Jn derer gantzen ſchatz-kammer iſt
nichts/ das nicht/ wo es einen guͤtigen und liebreichen interpretem krigt/ einen
rechtglaͤubigen verſtand haben kan. Das haͤrteſte unter allen wird wohl ſeyn:
p. 48. da die frage lautet: Hier ſpricht eine arme verfuͤhrte ſeele: wer ſuͤnde
thut wider ſein gewiſſen ꝛc. da bekenne ich/ 1. daß es nicht nur hart/ ſondern wo
die wort rigoroſe genommen werden/ falſch ſey/ was geſagt wird; dann freylich mit
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |