fertig haben, wolte nicht, daß er sich dadurch schrecken liesse, sie nicht heraus zu ge- ben, doch möchte rathsamer seyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin- ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden müssen, wundre mich gar nicht, sondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es sich mit redlichem ernst läst angelegen seyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der satan er- fahren, wie ihm dieses stücklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernüß vieles guten, allzuwol gerathen, so wird er so bald davon nicht nachlassen. Aber das beste ist, deswegen nicht müde werden, sich nicht dem teufel zu gefallen fürch- ten, und seine unschuld durch that und zeit, offentlich darstellen, da sich diejenige endlich verkrichen müssen, die vor dem licht nicht zu bestehen vermögen.
29. Jun. 1688.
SECTIO XXI. An eine Gräsin/ die einen sohn gebohren. Schwe- rigkeit im hohen stande seine seele zu retten. Dessen grosses verderben.
JCh versichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, also auch dero werthesten person vor dem angesicht des HErrn also gedencke, daß auch vor die dersel- bigen erzeigende wohlthaten dem himmlischen Vater mit ihnen hertzlich dancke, wohin eben diejenige gnade gehöret, daß dessen väterliche güte dieselbe nicht nur mit einer glücklichen geburt und lieben söhnlein gesegnet, sondern auch wiede- rum zu völligen kräfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch- gräfl. Gn. aus seiner wirckung sich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr- hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie schwer solche sache sey, bin ich gewiß, daß E. Hochgräfl. Gnd. selbst erkennen, sonderlich wenn sie bedencken, wie nicht nur alle stände insgesamt so erbärmlich verdorben seyn, sondern auch beson- ders der stand derer, welche GOtt nach seiner weißheit einige stuffen über andere er- höhet hat, in einem solchem verderben insgemein stecken, daß man manche dinge, welche doch von dem christenthum unabsonderlich sind, in demselbigen vor unmüg- lich ja ihm schimpfflich achten will, hingegen die stücke, die der heilige apostel der welt zueignet, als der augen lust, des fleisches lust, und hoffärtiges leben, solchem stande fast meistens unverboten zu seyn glaubet, und sich also eine von GOtt nicht gegebe- ne, dahero auch vor ihm nicht passirliche freyheit in demselbigen nimmet, des müs- siggangs, unnützer zeitverderbung, prächtigen lebens, zärtlichkeit und wollust, gleich- stellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt seine ordnung von uns nicht lässet geändert werden, oder die ausnahm gewisser stände von der ver-
bind-
ARTIC. V. SECTIO XX.
fertig haben, wolte nicht, daß er ſich dadurch ſchrecken lieſſe, ſie nicht heraus zu ge- ben, doch moͤchte rathſamer ſeyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin- ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden muͤſſen, wundre mich gar nicht, ſondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es ſich mit redlichem ernſt laͤſt angelegen ſeyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der ſatan er- fahren, wie ihm dieſes ſtuͤcklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernuͤß vieles guten, allzuwol gerathen, ſo wird er ſo bald davon nicht nachlaſſen. Aber das beſte iſt, deswegen nicht muͤde werden, ſich nicht dem teufel zu gefallen fuͤrch- ten, und ſeine unſchuld durch that und zeit, offentlich darſtellen, da ſich diejenige endlich verkrichen muͤſſen, die vor dem licht nicht zu beſtehen vermoͤgen.
29. Jun. 1688.
SECTIO XXI. An eine Graͤſin/ die einen ſohn gebohren. Schwe- rigkeit im hohen ſtande ſeine ſeele zu retten. Deſſen groſſes verderben.
JCh verſichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, alſo auch dero wertheſten perſon vor dem angeſicht des HErrn alſo gedencke, daß auch vor die derſel- bigen erzeigende wohlthaten dem himmliſchen Vater mit ihnen hertzlich dancke, wohin eben diejenige gnade gehoͤret, daß deſſen vaͤterliche guͤte dieſelbe nicht nur mit einer gluͤcklichen geburt und lieben ſöhnlein geſegnet, ſondern auch wiede- rum zu voͤlligen kraͤfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch- graͤfl. Gn. aus ſeiner wirckung ſich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr- hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie ſchwer ſolche ſache ſey, bin ich gewiß, daß E. Hochgraͤfl. Gnd. ſelbſt erkennen, ſonderlich wenn ſie bedencken, wie nicht nur alle ſtaͤnde insgeſamt ſo erbaͤrmlich verdorben ſeyn, ſondern auch beſon- ders der ſtand derer, welche GOtt nach ſeiner weißheit einige ſtuffen uͤber andere er- hoͤhet hat, in einem ſolchem verderben insgemein ſtecken, daß man manche dinge, welche doch von dem chriſtenthum unabſonderlich ſind, in demſelbigen vor unmuͤg- lich ja ihm ſchimpfflich achten will, hingegen die ſtuͤcke, die der heilige apoſtel der welt zueignet, als der augen luſt, des fleiſches luſt, und hoffaͤrtiges leben, ſolchem ſtande faſt meiſtens unverboten zu ſeyn glaubet, und ſich alſo eine von GOtt nicht gegebe- ne, dahero auch vor ihm nicht pasſirliche freyheit in demſelbigen nimmet, des muͤſ- ſiggangs, unnuͤtzer zeitverderbung, praͤchtigen lebens, zaͤꝛtlichkeit und wolluſt, gleich- ſtellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt ſeine ordnung von uns nicht laͤſſet geaͤndeꝛt werden, oder die ausnahm gewiſſeꝛ ſtaͤnde von der ver-
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ARTIC. V. SECTIO XX.
fertig haben, wolte nicht, daß er ſich dadurch ſchrecken lieſſe, ſie nicht heraus zu ge-
ben, doch moͤchte rathſamer ſeyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin-
ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden muͤſſen, wundre mich gar
nicht, ſondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es ſich mit redlichem ernſt
laͤſt angelegen ſeyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der ſatan er-
fahren, wie ihm dieſes ſtuͤcklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernuͤß
vieles guten, allzuwol gerathen, ſo wird er ſo bald davon nicht nachlaſſen. Aber
das beſte iſt, deswegen nicht muͤde werden, ſich nicht dem teufel zu gefallen fuͤrch-
ten, und ſeine unſchuld durch that und zeit, offentlich darſtellen, da ſich diejenige
endlich verkrichen muͤſſen, die vor dem licht nicht zu beſtehen vermoͤgen.
29. Jun. 1688.
SECTIO XXI.
An eine Graͤſin/ die einen ſohn gebohren. Schwe-
rigkeit im hohen ſtande ſeine ſeele zu retten. Deſſen
groſſes verderben.
JCh verſichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, alſo auch dero wertheſten
perſon vor dem angeſicht des HErrn alſo gedencke, daß auch vor die derſel-
bigen erzeigende wohlthaten dem himmliſchen Vater mit ihnen hertzlich
dancke, wohin eben diejenige gnade gehoͤret, daß deſſen vaͤterliche guͤte dieſelbe nicht
nur mit einer gluͤcklichen geburt und lieben ſöhnlein geſegnet, ſondern auch wiede-
rum zu voͤlligen kraͤfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch-
graͤfl. Gn. aus ſeiner wirckung ſich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr-
hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie ſchwer ſolche ſache ſey, bin ich
gewiß, daß E. Hochgraͤfl. Gnd. ſelbſt erkennen, ſonderlich wenn ſie bedencken, wie
nicht nur alle ſtaͤnde insgeſamt ſo erbaͤrmlich verdorben ſeyn, ſondern auch beſon-
ders der ſtand derer, welche GOtt nach ſeiner weißheit einige ſtuffen uͤber andere er-
hoͤhet hat, in einem ſolchem verderben insgemein ſtecken, daß man manche dinge,
welche doch von dem chriſtenthum unabſonderlich ſind, in demſelbigen vor unmuͤg-
lich ja ihm ſchimpfflich achten will, hingegen die ſtuͤcke, die der heilige apoſtel der welt
zueignet, als der augen luſt, des fleiſches luſt, und hoffaͤrtiges leben, ſolchem ſtande
faſt meiſtens unverboten zu ſeyn glaubet, und ſich alſo eine von GOtt nicht gegebe-
ne, dahero auch vor ihm nicht pasſirliche freyheit in demſelbigen nimmet, des muͤſ-
ſiggangs, unnuͤtzer zeitverderbung, praͤchtigen lebens, zaͤꝛtlichkeit und wolluſt, gleich-
ſtellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt ſeine ordnung
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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