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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. V. SECTIO LI.
Er führe auch zur rechter zeit ihre seele einst aus der dienstbarkeit der menschlichen
satzungen, ihm desto treulicher zu dienen nach dem dienst seines geistes in der war-
heit. Sie aber versäume die gelegenheit nicht, welche ihr der HErr zeigen möch-
te, und ziehe die ruhe ihrer seelen aller zeitlichen gemächligkeit vor, hingegen lasse sie
ja das fleischliche mißtrauen wegen künftiger leiblicher erhaltung sich nicht ab-
halten von dem, dazu sie sich von GOTT getrieben finden möchte, und hoffe, wo
nichts zu hoffen scheinet, glaubende, daß der reiche himmlische Vater noch vor ei-
nes seiner kinder, so um des gewissens willen was es vor augen hat verliesse, gnug
übrig habe, und andere seiner kinder hertzen zu schuldiger liebe bewegen werde. Jn-
dessen so lange sie unter denen lebet, welche die warheit noch nicht erkennen, wan-
dele sie vorsichtig und suche noch etwas der warheit, welche bey ihr übrig geblieben,
andern seelen beyzubringen, aufs wenigste daß sie das evangelium in der lehre un-
serer kirchen aufhören zu hassen und lästern. Ach der liebste Heyland JESUS
lasse doch sein licht auch bey ihnen in der finsternüß also scheinen, daß diese hertzen,
und die sich bisher an menschen zu viel gebunden haben, zu völliger erkäntnüß ge-
bracht, mit so viel heiligern eiffer ihm allein ins künfftige dienen, und alle endlich zu
dem ewigen licht in seiner gnade kommen mögen, um seines theuren verdiensts wil-
len, weil er ja dazu ins fleisch gekommen ist. Ach er führe also aus die gefangene
aus babel, und erfülle was er verheissen hat, daß es am abend lichtewerde.


(P. S.)

Was herrn N. N. und die seinige anlangt, auch andere so ihres orts meiner
gedencken, versichere sie dieselben, wie ich mit hertzlichem mitleyden diejenigen anse-
he, so in der römischen heutigen kirche die warheit nicht völlig erkennen, daß ich gleich-
wol niemand unter allen denselben, auch so gar nicht die verfolger hasse, sondern de-
sto hertzlicher vor sie alle bete, daß der gütigste himmlische Vater sie auch zu seiner
zeit zu dem lichte seiner warheit bringen, indessen aber sie bewahren wolle, daß sie
mit haß und verfolgung, oder auch verführung, sich an den bekennern der reinen
warheit nicht versündigen, und also das göttliche gericht über sich führen. Er er-
halte auch mitten in der finsterniß den wenigen funcken des lichts, so sich noch in ei-
nigen hertzen derer die ihn lieben finden mag, daß er endlich in seiner krafft durch-
breche entweder hier zur erkäntnüß der völligen warheit, oder doch dort zur seligkeit.
Amen.

SECT.
IV. Theil. o o o o

ARTIC. V. SECTIO LI.
Er fuͤhre auch zur rechter zeit ihre ſeele einſt aus der dienſtbarkeit der menſchlichen
ſatzungen, ihm deſto treulicher zu dienen nach dem dienſt ſeines geiſtes in der war-
heit. Sie aber verſaͤume die gelegenheit nicht, welche ihr der HErr zeigen moͤch-
te, und ziehe die ruhe ihrer ſeelen aller zeitlichen gemaͤchligkeit vor, hingegen laſſe ſie
ja das fleiſchliche mißtrauen wegen kuͤnftiger leiblicher erhaltung ſich nicht ab-
halten von dem, dazu ſie ſich von GOTT getrieben finden moͤchte, und hoffe, wo
nichts zu hoffen ſcheinet, glaubende, daß der reiche himmliſche Vater noch vor ei-
nes ſeiner kinder, ſo um des gewiſſens willen was es vor augen hat verlieſſe, gnug
uͤbrig habe, und andere ſeiner kinder hertzen zu ſchuldiger liebe bewegen werde. Jn-
deſſen ſo lange ſie unter denen lebet, welche die warheit noch nicht erkennen, wan-
dele ſie vorſichtig und ſuche noch etwas der warheit, welche bey ihr uͤbrig geblieben,
andern ſeelen beyzubringen, aufs wenigſte daß ſie das evangelium in der lehre un-
ſerer kirchen aufhoͤren zu haſſen und laͤſtern. Ach der liebſte Heyland JESUS
laſſe doch ſein licht auch bey ihnen in der finſternuͤß alſo ſcheinen, daß dieſe hertzen,
und die ſich bisher an menſchen zu viel gebunden haben, zu voͤlliger erkaͤntnuͤß ge-
bracht, mit ſo viel heiligern eiffer ihm allein ins kuͤnfftige dienen, und alle endlich zu
dem ewigen licht in ſeiner gnade kommen moͤgen, um ſeines theuren verdienſts wil-
len, weil er ja dazu ins fleiſch gekommen iſt. Ach er fuͤhre alſo aus die gefangene
aus babel, und erfuͤlle was er verheiſſen hat, daß es am abend lichtewerde.


(P. S.)

Was herrn N. N. und die ſeinige anlangt, auch andere ſo ihres orts meiner
gedencken, verſichere ſie dieſelben, wie ich mit hertzlichem mitleyden diejenigen anſe-
he, ſo in der roͤmiſchen heutigen kirche die waꝛheit nicht voͤllig eꝛkennen, daß ich gleich-
wol niemand unter allen denſelben, auch ſo gar nicht die verfolger haſſe, ſondern de-
ſto hertzlicher vor ſie alle bete, daß der guͤtigſte himmliſche Vater ſie auch zu ſeiner
zeit zu dem lichte ſeiner warheit bringen, indeſſen aber ſie bewahren wolle, daß ſie
mit haß und verfolgung, oder auch verfuͤhrung, ſich an den bekennern der reinen
warheit nicht verſuͤndigen, und alſo das goͤttliche gericht uͤber ſich fuͤhren. Er er-
halte auch mitten in der finſterniß den wenigen funcken des lichts, ſo ſich noch in ei-
nigen hertzen derer die ihn lieben finden mag, daß er endlich in ſeiner krafft durch-
breche entweder hier zur erkaͤntnuͤß der voͤlligen warheit, oder doch dort zur ſeligkeit.
Amen.

SECT.
IV. Theil. o o o o
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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/669>, abgerufen am 22.11.2024.