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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
und erneuerung, eine unvergleichlich theurere wohlthat ist als die schöpffung,
ja sie ist nichts weniger als die erlösung, dero krafft sie uns zueignet. Jch
wolt aber nicht gedencken, daß in unserer evangelischen kirchen von solchen
wohlthaten wenig gedacht werde. Allzeit bin ich der meinung, daß von kei-
ner wohlthat ohn unterlaß mehr zu handeln seye, und werde ich meines orts
am allermeisten mich bey derselben aufhalten, und meine predigten dahin
richten. Und was ists anders, da ich auch von andern verlange, daß die
predigten auf den innern menschen, der ja aus der wiedergeburt herkommt,
und mit dem die erneuerung es zu thun hat, sonderlichst sollen gerichtet wer-
den? geschihets nicht von allen so ists freylich ein nicht geringer fehler, und
solte verbessert werden. Jedoch gestehe gern, daß wo man von GOtt dem
heiligen Geist gantze bücher schreiben wolte, solches schwer werden solte, oh-
ne allein was die reiche materie von seinen wirckungen anlangt, weil uns
von seiner person wenig bekant, oder in der schrifft geoffenbaret ist, ohne die
allgemeine göttliche eigenschafften, und bedeutete seine werck. Sein per-
sönlicher ausgang von Vater und Sohn ist ein so hohes geheimnüß, daß
ich viele wort davon gemacht zu werden nicht rathen wolte, indem die schrifft
so sparsam hiervon redet: auf daß wir nicht, wo wir über das geoffenbarte
weiter gehen, und dieß unerforschliche geheimnüß mit eigenen mehrern wor-
ten wolten weitläufftig erklären, wir leicht in die göttliche warheit menschen-
erfindung mischen würden. Wie wir ja auch von der person des himmli-
schen Vaters, ohne die allgemeine lehr von GOtt, und die wercke, darinnen
er sich geoffenbaret hat, wenig verstehen, und also wenig davon aufgezeich-
net finden werden. Was aber unsern liebsten Heyland anlangt, ist wegen
seiner seligsten menschwerdung uns mehr von seiner person geoffenbaret
worden, da wir also auch mehr davon reden und schreiben können.
3. Was das gebet anlangt für die leibes-früchte, so noch in müt-
terlichem leib liegen, ists eine gute erinnerung, und etwa mit mehrerem da-
von zu gedencken, und solches nicht nur wegen der zauberinnen, sondern weil
sie ja mit zu der verheissung gehören, da sich GOtt unser und unsers
saamens
nach uns Vater und GOtt zu seyn versprochen hat: Dahero ob
sie wol noch nicht wircklich durch die tauffe in den gnaden-bund und in
den leib CHRJSTJ einverleibet sind, gehören sie doch nicht allein unter
die zahl derer, die der HERR JEsus mit seinem blut erlöset und erkaufft
hat, sondern was der Christen kinder anlanget, stehen sie der eltern wegen in
dem nechsten recht solcher aufnehmung. Daher sie billig allezeit mit in die
gemeinschafft deß gebets der Christlichen kirchen gehören. Jch habe bis
daher allezeit die wort der allgemeinen litanie dahin verstanden und an-
dern erkläret, wo wir vor schwangere und saugerinnen beten, welches
nicht
Das ſiebende Capitel.
und erneuerung, eine unvergleichlich theurere wohlthat iſt als die ſchoͤpffung,
ja ſie iſt nichts weniger als die erloͤſung, dero krafft ſie uns zueignet. Jch
wolt aber nicht gedencken, daß in unſerer evangeliſchen kirchen von ſolchen
wohlthaten wenig gedacht werde. Allzeit bin ich der meinung, daß von kei-
ner wohlthat ohn unterlaß mehr zu handeln ſeye, und werde ich meines orts
am allermeiſten mich bey derſelben aufhalten, und meine predigten dahin
richten. Und was iſts anders, da ich auch von andern verlange, daß die
predigten auf den innern menſchen, der ja aus der wiedergeburt herkommt,
und mit dem die erneuerung es zu thun hat, ſonderlichſt ſollen gerichtet wer-
den? geſchihets nicht von allen ſo iſts freylich ein nicht geringer fehler, und
ſolte verbeſſert werden. Jedoch geſtehe gern, daß wo man von GOtt dem
heiligen Geiſt gantze buͤcher ſchreiben wolte, ſolches ſchwer werden ſolte, oh-
ne allein was die reiche materie von ſeinen wirckungen anlangt, weil uns
von ſeiner perſon wenig bekant, oder in der ſchrifft geoffenbaret iſt, ohne die
allgemeine goͤttliche eigenſchafften, und bedeutete ſeine werck. Sein per-
ſoͤnlicher ausgang von Vater und Sohn iſt ein ſo hohes geheimnuͤß, daß
ich viele wort davon gemacht zu werden nicht rathen wolte, indem die ſchrifft
ſo ſparſam hiervon redet: auf daß wir nicht, wo wir uͤber das geoffenbarte
weiter gehen, und dieß unerforſchliche geheimnuͤß mit eigenen mehrern wor-
ten wolten weitlaͤufftig erklaͤren, wir leicht in die goͤttliche warheit menſchen-
erfindung miſchen wuͤrden. Wie wir ja auch von der perſon des himmli-
ſchen Vaters, ohne die allgemeine lehr von GOtt, und die wercke, darinnen
er ſich geoffenbaret hat, wenig verſtehen, und alſo wenig davon aufgezeich-
net finden werden. Was aber unſern liebſten Heyland anlangt, iſt wegen
ſeiner ſeligſten menſchwerdung uns mehr von ſeiner perſon geoffenbaret
worden, da wir alſo auch mehr davon reden und ſchreiben koͤnnen.
3. Was das gebet anlangt fuͤr die leibes-fruͤchte, ſo noch in muͤt-
terlichem leib liegen, iſts eine gute erinnerung, und etwa mit mehrerem da-
von zu gedencken, und ſolches nicht nur wegen der zauberinnen, ſondern weil
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ſaamens
nach uns Vater und GOtt zu ſeyn verſprochen hat: Dahero ob
ſie wol noch nicht wircklich durch die tauffe in den gnaden-bund und in
den leib CHRJSTJ einverleibet ſind, gehoͤren ſie doch nicht allein unter
die zahl derer, die der HERR JEſus mit ſeinem blut erloͤſet und erkaufft
hat, ſondern was der Chriſten kinder anlanget, ſtehen ſie der eltern wegen in
dem nechſten recht ſolcher aufnehmung. Daher ſie billig allezeit mit in die
gemeinſchafft deß gebets der Chriſtlichen kirchen gehoͤren. Jch habe bis
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[76/0088] Das ſiebende Capitel. und erneuerung, eine unvergleichlich theurere wohlthat iſt als die ſchoͤpffung, ja ſie iſt nichts weniger als die erloͤſung, dero krafft ſie uns zueignet. Jch wolt aber nicht gedencken, daß in unſerer evangeliſchen kirchen von ſolchen wohlthaten wenig gedacht werde. Allzeit bin ich der meinung, daß von kei- ner wohlthat ohn unterlaß mehr zu handeln ſeye, und werde ich meines orts am allermeiſten mich bey derſelben aufhalten, und meine predigten dahin richten. Und was iſts anders, da ich auch von andern verlange, daß die predigten auf den innern menſchen, der ja aus der wiedergeburt herkommt, und mit dem die erneuerung es zu thun hat, ſonderlichſt ſollen gerichtet wer- den? geſchihets nicht von allen ſo iſts freylich ein nicht geringer fehler, und ſolte verbeſſert werden. Jedoch geſtehe gern, daß wo man von GOtt dem heiligen Geiſt gantze buͤcher ſchreiben wolte, ſolches ſchwer werden ſolte, oh- ne allein was die reiche materie von ſeinen wirckungen anlangt, weil uns von ſeiner perſon wenig bekant, oder in der ſchrifft geoffenbaret iſt, ohne die allgemeine goͤttliche eigenſchafften, und bedeutete ſeine werck. Sein per- ſoͤnlicher ausgang von Vater und Sohn iſt ein ſo hohes geheimnuͤß, daß ich viele wort davon gemacht zu werden nicht rathen wolte, indem die ſchrifft ſo ſparſam hiervon redet: auf daß wir nicht, wo wir uͤber das geoffenbarte weiter gehen, und dieß unerforſchliche geheimnuͤß mit eigenen mehrern wor- ten wolten weitlaͤufftig erklaͤren, wir leicht in die goͤttliche warheit menſchen- erfindung miſchen wuͤrden. Wie wir ja auch von der perſon des himmli- ſchen Vaters, ohne die allgemeine lehr von GOtt, und die wercke, darinnen er ſich geoffenbaret hat, wenig verſtehen, und alſo wenig davon aufgezeich- net finden werden. Was aber unſern liebſten Heyland anlangt, iſt wegen ſeiner ſeligſten menſchwerdung uns mehr von ſeiner perſon geoffenbaret worden, da wir alſo auch mehr davon reden und ſchreiben koͤnnen. 3. Was das gebet anlangt fuͤr die leibes-fruͤchte, ſo noch in muͤt- terlichem leib liegen, iſts eine gute erinnerung, und etwa mit mehrerem da- von zu gedencken, und ſolches nicht nur wegen der zauberinnen, ſondern weil ſie ja mit zu der verheiſſung gehoͤren, da ſich GOtt unſer und unſers ſaamens nach uns Vater und GOtt zu ſeyn verſprochen hat: Dahero ob ſie wol noch nicht wircklich durch die tauffe in den gnaden-bund und in den leib CHRJSTJ einverleibet ſind, gehoͤren ſie doch nicht allein unter die zahl derer, die der HERR JEſus mit ſeinem blut erloͤſet und erkaufft hat, ſondern was der Chriſten kinder anlanget, ſtehen ſie der eltern wegen in dem nechſten recht ſolcher aufnehmung. Daher ſie billig allezeit mit in die gemeinſchafft deß gebets der Chriſtlichen kirchen gehoͤren. Jch habe bis daher allezeit die wort der allgemeinen litanie dahin verſtanden und an- dern erklaͤret, wo wir vor ſchwangere und ſaugerinnen beten, welches nicht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/88>, abgerufen am 25.11.2024.