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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XV.
nicht um derselben willen selbs allein, sondern vornemlich um ihrer frucht
willen geschehe. Die formul, gib ihnen gottsfürchtige seelen, wolte
ich nicht gern brauchen, weil solche ungleich möchte verstanden werden, ob
würden ihnen erst zu gewisser zeit ihre seelen eingegossen: Wohl aber, daß
wir ihre seelen dem HErrn empfehlen, sie in seiner hut zu behalten, vor dem
argen zu bewahren, zu seiner zeit durch das ordentliche mittel der tauf ihrem
Heyland ein zu verleiben, oder wo er ein anders über sie beschlossen hätte, auf
ihm bekante weise unmittelbar das jenige in ihnen zu wircken, was an den
mitteln abgehe. Wie dieses allezeit mein und meiner lieben haußfrauen ge-
bet ist, so offt sie GOtt mit leibes frucht gesegnet hat, bis sie dero entbunden
wird. Hiezu pflegen wir auch allezeit, wo es sonderlich bey dem Catechi-
smo die gelegenheit giebet, die elteren zu vermahnen: Und unter anderen
dieses fundament der seligkeit der kinder, welche ohne die heilige tauffe ster-
ben, anzuführen, daß dieselbe allezeit vorher von den eltern, und dann in dero
ermangelung von der gesamten kirchen, dem HErrn seyen in seine gnade be-
fohlen worden. Wie wirs aber in die öffentliche gebets formuln bringen
möchten, wird es etwas schwerer werden: Jndem es mit dergleichen ände-
rungen, die nicht nur bey den predigern stehen, in allen dingen mehr beden-
ckens findet. Jndessen will ich darauf bedacht seyn, wie etwa von dieser
materie mehrmal gehandlet und den leuten die sache angelegner vorgestellet
werde.
4. Was anlangt, eine gloßirte Bibel heraus zu geben, worinnen
die einige beständige meynung des heiligen Geistes in der schrifft vorgestel-
let werde, solte es zwar eine nützliche arbeit zu seyn das ansehen haben,
es würden sich auch auf solchen fall die unkosten dazu leicht finden, ich hiel-
te es aber vor eine sehr gefährliche sache, daraus mehr schaden als nutze zu
erwarten wäre. Wir wissen, wie die schrifft von den jenigen materien, die
uns zu unserer seligkeit schlechterdings nothwendig sind, so deutlich rede,
daß jeglicher einfältiger zu seinem heyl daraus genug schöpfen könne. Was
aber nachmal andere ort anlangt, so wissen wir, daß es nicht ohne sonder-
baren rath GOttes also geordnet ist, daß sich viel schweres und duncke-
les darinnen findet, wodurch der HERR unsern fleiß übet. Daher mag
ich wohl leiden, und lobe es, wo jeglicher, dem der HERR einiges liecht
und gabe dazu gegeben hat, seine symbolam mit zu trägt, aus der accentu-
ation
und sonsten, den rechten verstand jeglichen orts zu untersuchen und zu
erklären, ob wir möchten immer näher und näher zu der gewißheit kom-
men: Aber also, daß nachmal einem jeglichen noch frey stehe, darüber zu
urtheilen, und nichts mehr davon anzunehmen, als so viel er in seinem ge-
wissen von dem rechten verstand überzeuget ist, das übrige aber anstehen
zu
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ARTIC. I. SECTIO XV.
nicht um derſelben willen ſelbs allein, ſondern vornemlich um ihrer frucht
willen geſchehe. Die formul, gib ihnen gottsfuͤrchtige ſeelen, wolte
ich nicht gern brauchen, weil ſolche ungleich moͤchte verſtanden werden, ob
wuͤrden ihnen erſt zu gewiſſer zeit ihre ſeelen eingegoſſen: Wohl aber, daß
wir ihre ſeelen dem HErrn empfehlen, ſie in ſeiner hut zu behalten, vor dem
argen zu bewahren, zu ſeiner zeit durch das ordentliche mittel der tauf ihrem
Heyland ein zu verleiben, oder wo er ein anders uͤber ſie beſchloſſen haͤtte, auf
ihm bekante weiſe unmittelbar das jenige in ihnen zu wircken, was an den
mitteln abgehe. Wie dieſes allezeit mein und meiner lieben haußfrauen ge-
bet iſt, ſo offt ſie GOtt mit leibes frucht geſegnet hat, bis ſie dero entbunden
wird. Hiezu pflegen wir auch allezeit, wo es ſonderlich bey dem Catechi-
ſmo die gelegenheit giebet, die elteren zu vermahnen: Und unter anderen
dieſes fundament der ſeligkeit der kinder, welche ohne die heilige tauffe ſter-
ben, anzufuͤhren, daß dieſelbe allezeit vorher von den eltern, und dann in dero
ermangelung von der geſamten kirchen, dem HErrn ſeyen in ſeine gnade be-
fohlen worden. Wie wirs aber in die oͤffentliche gebets formuln bringen
moͤchten, wird es etwas ſchwerer werden: Jndem es mit dergleichen aͤnde-
rungen, die nicht nur bey den predigern ſtehen, in allen dingen mehr beden-
ckens findet. Jndeſſen will ich darauf bedacht ſeyn, wie etwa von dieſer
materie mehrmal gehandlet und den leuten die ſache angelegner vorgeſtellet
werde.
4. Was anlangt, eine gloßirte Bibel heraus zu geben, worinnen
die einige beſtaͤndige meynung des heiligen Geiſtes in der ſchrifft vorgeſtel-
let werde, ſolte es zwar eine nuͤtzliche arbeit zu ſeyn das anſehen haben,
es wuͤrden ſich auch auf ſolchen fall die unkoſten dazu leicht finden, ich hiel-
te es aber vor eine ſehr gefaͤhrliche ſache, daraus mehr ſchaden als nutze zu
erwarten waͤre. Wir wiſſen, wie die ſchrifft von den jenigen materien, die
uns zu unſerer ſeligkeit ſchlechterdings nothwendig ſind, ſo deutlich rede,
daß jeglicher einfaͤltiger zu ſeinem heyl daraus genug ſchoͤpfen koͤnne. Was
aber nachmal andere ort anlangt, ſo wiſſen wir, daß es nicht ohne ſonder-
baren rath GOttes alſo geordnet iſt, daß ſich viel ſchweres und duncke-
les darinnen findet, wodurch der HERR unſern fleiß uͤbet. Daher mag
ich wohl leiden, und lobe es, wo jeglicher, dem der HERR einiges liecht
und gabe dazu gegeben hat, ſeine ſymbolam mit zu traͤgt, aus der accentu-
ation
und ſonſten, den rechten verſtand jeglichen orts zu unterſuchen und zu
erklaͤren, ob wir moͤchten immer naͤher und naͤher zu der gewißheit kom-
men: Aber alſo, daß nachmal einem jeglichen noch frey ſtehe, daruͤber zu
urtheilen, und nichts mehr davon anzunehmen, als ſo viel er in ſeinem ge-
wiſſen von dem rechten verſtand uͤberzeuget iſt, das uͤbrige aber anſtehen
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[77/0089] ARTIC. I. SECTIO XV. nicht um derſelben willen ſelbs allein, ſondern vornemlich um ihrer frucht willen geſchehe. Die formul, gib ihnen gottsfuͤrchtige ſeelen, wolte ich nicht gern brauchen, weil ſolche ungleich moͤchte verſtanden werden, ob wuͤrden ihnen erſt zu gewiſſer zeit ihre ſeelen eingegoſſen: Wohl aber, daß wir ihre ſeelen dem HErrn empfehlen, ſie in ſeiner hut zu behalten, vor dem argen zu bewahren, zu ſeiner zeit durch das ordentliche mittel der tauf ihrem Heyland ein zu verleiben, oder wo er ein anders uͤber ſie beſchloſſen haͤtte, auf ihm bekante weiſe unmittelbar das jenige in ihnen zu wircken, was an den mitteln abgehe. Wie dieſes allezeit mein und meiner lieben haußfrauen ge- bet iſt, ſo offt ſie GOtt mit leibes frucht geſegnet hat, bis ſie dero entbunden wird. Hiezu pflegen wir auch allezeit, wo es ſonderlich bey dem Catechi- ſmo die gelegenheit giebet, die elteren zu vermahnen: Und unter anderen dieſes fundament der ſeligkeit der kinder, welche ohne die heilige tauffe ſter- ben, anzufuͤhren, daß dieſelbe allezeit vorher von den eltern, und dann in dero ermangelung von der geſamten kirchen, dem HErrn ſeyen in ſeine gnade be- fohlen worden. Wie wirs aber in die oͤffentliche gebets formuln bringen moͤchten, wird es etwas ſchwerer werden: Jndem es mit dergleichen aͤnde- rungen, die nicht nur bey den predigern ſtehen, in allen dingen mehr beden- ckens findet. Jndeſſen will ich darauf bedacht ſeyn, wie etwa von dieſer materie mehrmal gehandlet und den leuten die ſache angelegner vorgeſtellet werde. 4. Was anlangt, eine gloßirte Bibel heraus zu geben, worinnen die einige beſtaͤndige meynung des heiligen Geiſtes in der ſchrifft vorgeſtel- let werde, ſolte es zwar eine nuͤtzliche arbeit zu ſeyn das anſehen haben, es wuͤrden ſich auch auf ſolchen fall die unkoſten dazu leicht finden, ich hiel- te es aber vor eine ſehr gefaͤhrliche ſache, daraus mehr ſchaden als nutze zu erwarten waͤre. Wir wiſſen, wie die ſchrifft von den jenigen materien, die uns zu unſerer ſeligkeit ſchlechterdings nothwendig ſind, ſo deutlich rede, daß jeglicher einfaͤltiger zu ſeinem heyl daraus genug ſchoͤpfen koͤnne. Was aber nachmal andere ort anlangt, ſo wiſſen wir, daß es nicht ohne ſonder- baren rath GOttes alſo geordnet iſt, daß ſich viel ſchweres und duncke- les darinnen findet, wodurch der HERR unſern fleiß uͤbet. Daher mag ich wohl leiden, und lobe es, wo jeglicher, dem der HERR einiges liecht und gabe dazu gegeben hat, ſeine ſymbolam mit zu traͤgt, aus der accentu- ation und ſonſten, den rechten verſtand jeglichen orts zu unterſuchen und zu erklaͤren, ob wir moͤchten immer naͤher und naͤher zu der gewißheit kom- men: Aber alſo, daß nachmal einem jeglichen noch frey ſtehe, daruͤber zu urtheilen, und nichts mehr davon anzunehmen, als ſo viel er in ſeinem ge- wiſſen von dem rechten verſtand uͤberzeuget iſt, das uͤbrige aber anſtehen zu k 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/89>, abgerufen am 25.11.2024.