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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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die brüderliche liebe an/ daß sie nicht das ihri-
ge/ sondern was des nechsten ist/ suchet/ ja
gern zurück stehet und ihr abbrichet/ damit
nur demselben wol seye: in dem wahrhafftig
die brüder-liebe in ihren früchten noch etwas
in höherm grad über die gemeine liebe ist.
Daher auch solche bruder-liebe in gewisser
maß die geistliche brüder den leiblichen an-
verwandten vorzeucht. Jch sage hiermit
nicht/ daß ein rechtschaffener Christ nicht/
auch die bluts-liebe gegen seine leibliche freun-
de habe/ indem das Evangelium auch hierin-
nen die natur nicht aufhebet/ sondern bessert/
und haben die asorgoi, die störrige (wie Lu-
therus das wort giebet) oder die ohne natür-
liche liebe sind; Rom. 1/ 31. 2. Tim. 3/ 3. ein
schlecht zeugniß. Aber dabey bleibets gleich-
wol/ daß sie rechtschaffene Christen ihren
geistlichen brüdern und schwestern nit weni-
ger angehörig zu seyn glauben/ als ihren leib-
lichen/ und wie sie diesen etwa zu gewissen
pflichten in dem eusserlichen verbunden sind/
und solche auch abstatten/ also ziehen sie in ei-
nigen andern dingen ihre geistliche brüder und
schwestern den andern vor: denn es ist je nicht
weniger/ nach seinem innern und neuen men-
schen aus einem geist gebohren seyn/ als nach

dem
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die brüderliche liebe an/ daß ſie nicht das ihri-
ge/ ſondern was des nechſten iſt/ ſuchet/ ja
gern zurück ſtehet und ihr abbrichet/ damit
nur demſelben wol ſeye: in dem wahrhafftig
die brüdeꝛ-liebe in ihren fꝛüchten noch etwas
in hoͤherm grad über die gemeine liebe iſt.
Daher auch ſolche bruder-liebe in gewiſſer
maß die geiſtliche brüder den leiblichen an-
verwandten vorzeucht. Jch ſage hiermit
nicht/ daß ein rechtſchaffener Chriſt nicht/
auch die bluts-liebe gegẽ ſeine leibliche freun-
de habe/ indem das Evangelium auch hierin-
nen die natur nicht aufhebet/ ſondeꝛn beſſeꝛt/
und haben die ἄςοργοι, die ſtoͤrrige (wie Lu-
therus das wort giebet) oder die ohne natür-
liche liebe ſind; Rom. 1/ 31. 2. Tim. 3/ 3. ein
ſchlecht zeugniß. Aber dabey bleibets gleich-
wol/ daß ſie rechtſchaffene Chriſten ihren
geiſtlichen brüdern und ſchweſteꝛn nit weni-
ger angehoͤrig zu ſeyn glaubẽ/ als ihren leib-
lichen/ und wie ſie dieſen etwa zu gewiſſen
pflichten in dem euſſerlichen veꝛbunden ſind/
und ſolche auch abſtatten/ alſo ziehen ſie in ei-
nigen andern dingẽ ihre geiſtliche brüder uñ
ſchweſtern den andern vor: deñ es iſt je nicht
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[175/0237] die brüderliche liebe an/ daß ſie nicht das ihri- ge/ ſondern was des nechſten iſt/ ſuchet/ ja gern zurück ſtehet und ihr abbrichet/ damit nur demſelben wol ſeye: in dem wahrhafftig die brüdeꝛ-liebe in ihren fꝛüchten noch etwas in hoͤherm grad über die gemeine liebe iſt. Daher auch ſolche bruder-liebe in gewiſſer maß die geiſtliche brüder den leiblichen an- verwandten vorzeucht. Jch ſage hiermit nicht/ daß ein rechtſchaffener Chriſt nicht/ auch die bluts-liebe gegẽ ſeine leibliche freun- de habe/ indem das Evangelium auch hierin- nen die natur nicht aufhebet/ ſondeꝛn beſſeꝛt/ und haben die ἄςοργοι, die ſtoͤrrige (wie Lu- therus das wort giebet) oder die ohne natür- liche liebe ſind; Rom. 1/ 31. 2. Tim. 3/ 3. ein ſchlecht zeugniß. Aber dabey bleibets gleich- wol/ daß ſie rechtſchaffene Chriſten ihren geiſtlichen brüdern und ſchweſteꝛn nit weni- ger angehoͤrig zu ſeyn glaubẽ/ als ihren leib- lichen/ und wie ſie dieſen etwa zu gewiſſen pflichten in dem euſſerlichen veꝛbunden ſind/ und ſolche auch abſtatten/ alſo ziehen ſie in ei- nigen andern dingẽ ihre geiſtliche brüder uñ ſchweſtern den andern vor: deñ es iſt je nicht weniger/ nach ſeinem iñern und neuen men- ſchen aus einem geiſt gebohꝛen ſeyn/ als nach dem H 4

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/237>, abgerufen am 21.11.2024.