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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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der gnade in den wiedergebohrnen nicht so
vollkommen sind/ wie sie solten/ sondern es
klebet ihnen viel von schwachheiten und ge-
brechen an: das reine wasser des guten/ der
trieb des heiligen Geistes/ und was sie auß
der neuen natur thun/ nimmt von dem ca-
nal/ dadurch es gehet/ weil gleichwol die
wercke von annoch verderbten menschen
herkommen/ viel unsauberkeit an sich: und
dannoch bleibet der mensch in solcher seiner
schwachheit wahrhafftig wiedergebohren/
weil die gnade und neue geburth über das
fleisch die oberhand behalten. Welches
gleichwol auch die jenige/ so in dem gna-
denstand stehen/ und desselben tüchtige
zeugnissen bey sich haben sehr vorsichtig ma-
chen solle/ weil es so leicht geschiehet/ daß die
auch befleckte natur nicht nur sich in die gu-
te wercke ein mischet/ sondern gar vortrin-
get/ daß sie stets über ihre seelen wachen/ und
bey jeglichem besondern wercke achtung ge-
ben/ wie ihr gemüth dabey bewandt seye/
und auß welchem brunnen das jenige flies-
se/ was sie itzo zu thun vornehmen.

§. 4.

So ist nun eigenlich also die frage/
davon wir dißmal handeln/ von den wer-
cken/ die der mensch thut/ ob dieselbe auß der

na-

der gnade in den wiedergebohrnen nicht ſo
vollkommen ſind/ wie ſie ſolten/ ſondern es
klebet ihnen viel von ſchwachheiten und ge-
brechen an: das reine waſſer des guten/ der
trieb des heiligen Geiſtes/ und was ſie auß
der neuen natur thun/ nimmt von dem ca-
nal/ dadurch es gehet/ weil gleichwol die
wercke von annoch verderbten menſchen
herkommen/ viel unſauberkeit an ſich: und
dannoch bleibet der menſch in ſolcher ſeiner
ſchwachheit wahrhafftig wiedergebohren/
weil die gnade und neue geburth über das
fleiſch die oberhand behalten. Welches
gleichwol auch die jenige/ ſo in dem gna-
denſtand ſtehen/ und deſſelben tüchtige
zeugniſſen bey ſich haben ſehr vorſichtig ma-
chen ſolle/ weil es ſo leicht geſchiehet/ daß die
auch befleckte natur nicht nur ſich in die gu-
te wercke ein miſchet/ ſondern gar vortrin-
get/ daß ſie ſtets über ihre ſeelen wachen/ und
bey jeglichem beſondern wercke achtung ge-
ben/ wie ihr gemüth dabey bewandt ſeye/
und auß welchem brunnen das jenige flieſ-
ſe/ was ſie itzo zu thun vornehmen.

§. 4.

So iſt nun eigenlich alſo die frage/
davon wir dißmal handeln/ von den wer-
cken/ die der menſch thut/ ob dieſelbe auß der

na-
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[12/0074] der gnade in den wiedergebohrnen nicht ſo vollkommen ſind/ wie ſie ſolten/ ſondern es klebet ihnen viel von ſchwachheiten und ge- brechen an: das reine waſſer des guten/ der trieb des heiligen Geiſtes/ und was ſie auß der neuen natur thun/ nimmt von dem ca- nal/ dadurch es gehet/ weil gleichwol die wercke von annoch verderbten menſchen herkommen/ viel unſauberkeit an ſich: und dannoch bleibet der menſch in ſolcher ſeiner ſchwachheit wahrhafftig wiedergebohren/ weil die gnade und neue geburth über das fleiſch die oberhand behalten. Welches gleichwol auch die jenige/ ſo in dem gna- denſtand ſtehen/ und deſſelben tüchtige zeugniſſen bey ſich haben ſehr vorſichtig ma- chen ſolle/ weil es ſo leicht geſchiehet/ daß die auch befleckte natur nicht nur ſich in die gu- te wercke ein miſchet/ ſondern gar vortrin- get/ daß ſie ſtets über ihre ſeelen wachen/ und bey jeglichem beſondern wercke achtung ge- ben/ wie ihr gemüth dabey bewandt ſeye/ und auß welchem brunnen das jenige flieſ- ſe/ was ſie itzo zu thun vornehmen. §. 4. So iſt nun eigenlich alſo die frage/ davon wir dißmal handeln/ von den wer- cken/ die der menſch thut/ ob dieſelbe auß der na-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/74>, abgerufen am 24.11.2024.