Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sperander [i. e. Gladov, Friedrich]: Sorgfältiger Negotiant und Wechßler. Leipzig, 1706.

Bild:
<< vorherige Seite
Anmerckungen vor Handlungs-Liebhaber und so340.
darmit ihr Geschäfft und Werck suchen.

DEr Vernunfft folgen/ und mit der Experiens sich berathschlagen/
machet eine Sache zu Ende gedeyen.

Der Anfang in Handlung erfordert guten Verstand/ der
Verfolg guten Verstand und Geduld/ das Ende aber muß seyn mit
guten Gewissen und ruhigen Gemüthe; was aber mit GOtt nicht
angefangen wird/ hat auch ohne GOtt seine Endschafft.

Rühmlicher ists ein unmöglich Ding sich nicht zu unterfangen/
als es zu unterfangen und darinnen stecken bleiben.

Jn Ubereilung einer Sache pfleget man den Rathschlag nicht
reifflich überwogen zu haben/ die Sache nicht recht angegriffen/ fol-
get gemeiniglich eine Mißgeburt.

Wann Verwegenheit und Kühnheit über Klugheit und Rath
gehet/ so fehlet die Ordnung gemeiniglich/ und ist das Fundament ü-
bel geleget.

Der Gewinn ist eine Tochter des Rathschlusses/ wann der Zu-
fall ihme nicht zuvor kommet.

Besser ists mit Gedult unterlassen/ weder mit Scham sich von
den begonnenen zurück ziehen.

Wer mitten im Wettlauff innehält/ beraubet sich selbst des
Gewinns.

Mitten im Fortgang wieder umkehren/ ist verlohrne Mühe und
Arbeit beym Anfang/ ja er verachtet sich selbst/ in deme er sich der
Frucht beraubet/ deren er doch sehr nahe war.

Mit Strengigkeit nach einen Ding ringen/ wann es ein schein-
barliches gutes Ansehen hat/ ist nicht wohl gethan/ man muß die Zu-
fäll und Vorfäll reifflich überlegen/ und das Vergangene mit Ge-
genwärtigen behertzigen/ da wirs so dann nicht errathen/ so ist gleich-
wohl die Schuld nicht unser.

Jm Meer segelt man nicht immer mit einem Winde allein/ es
seynd mehr Winde/ darnach man die Segel richten muß/ wer nun
aus Obstinatheit die Segel nicht nach dem Winde zu richten begeh-
ret/ der gelanget nicht zu verlangender Glückseligkeit/ alle Dinge
erfordern Ordnung Zeit und Maß.

Wer aber nur eines Weges kundig ist/ der irret sich gemeinig-
lich in den Neben-Wegen.

Wer
R 2
Anmerckungen vor Handlungs-Liebhaber und ſo340.
darmit ihr Geſchaͤfft und Werck ſuchen.

DEr Vernunfft folgen/ und mit der Experiens ſich berathſchlagen/
machet eine Sache zu Ende gedeyen.

Der Anfang in Handlung erfordert guten Verſtand/ der
Verfolg guten Verſtand und Geduld/ das Ende aber muß ſeyn mit
guten Gewiſſen und ruhigen Gemuͤthe; was aber mit GOtt nicht
angefangen wird/ hat auch ohne GOtt ſeine Endſchafft.

Ruͤhmlicher iſts ein unmoͤglich Ding ſich nicht zu unterfangen/
als es zu unterfangen und darinnen ſtecken bleiben.

Jn Ubereilung einer Sache pfleget man den Rathſchlag nicht
reifflich uͤberwogen zu haben/ die Sache nicht recht angegriffen/ fol-
get gemeiniglich eine Mißgeburt.

Wann Verwegenheit und Kuͤhnheit uͤber Klugheit und Rath
gehet/ ſo fehlet die Ordnung gemeiniglich/ und iſt das Fundament uͤ-
bel geleget.

Der Gewinn iſt eine Tochter des Rathſchluſſes/ wann der Zu-
fall ihme nicht zuvor kommet.

Beſſer iſts mit Gedult unterlaſſen/ weder mit Scham ſich von
den begonnenen zuruͤck ziehen.

Wer mitten im Wettlauff innehaͤlt/ beraubet ſich ſelbſt des
Gewinns.

Mitten im Fortgang wieder umkehren/ iſt verlohrne Muͤhe und
Arbeit beym Anfang/ ja er verachtet ſich ſelbſt/ in deme er ſich der
Frucht beraubet/ deren er doch ſehr nahe war.

Mit Strengigkeit nach einen Ding ringen/ wann es ein ſchein-
barliches gutes Anſehen hat/ iſt nicht wohl gethan/ man muß die Zu-
faͤll und Vorfaͤll reifflich uͤberlegen/ und das Vergangene mit Ge-
genwaͤrtigen behertzigen/ da wirs ſo dann nicht errathen/ ſo iſt gleich-
wohl die Schuld nicht unſer.

Jm Meer ſegelt man nicht immer mit einem Winde allein/ es
ſeynd mehr Winde/ darnach man die Segel richten muß/ wer nun
aus Obſtinatheit die Segel nicht nach dem Winde zu richten begeh-
ret/ der gelanget nicht zu verlangender Gluͤckſeligkeit/ alle Dinge
erfordern Ordnung Zeit und Maß.

Wer aber nur eines Weges kundig iſt/ der irret ſich gemeinig-
lich in den Neben-Wegen.

Wer
R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0143" n="131"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">Anmerckungen vor Handlungs-Liebhaber und &#x017F;o</hi><note place="right">340.</note><lb/>
darmit ihr Ge&#x017F;cha&#x0364;fft und Werck &#x017F;uchen.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>Er Vernunfft folgen/ und mit der <hi rendition="#aq">Experiens</hi> &#x017F;ich berath&#x017F;chlagen/<lb/>
machet eine Sache zu Ende gedeyen.</p><lb/>
        <p>Der Anfang in Handlung erfordert guten Ver&#x017F;tand/ der<lb/>
Verfolg guten Ver&#x017F;tand und Geduld/ das Ende aber muß &#x017F;eyn mit<lb/>
guten Gewi&#x017F;&#x017F;en und ruhigen Gemu&#x0364;the; was aber mit GOtt nicht<lb/>
angefangen wird/ hat auch ohne GOtt &#x017F;eine End&#x017F;chafft.</p><lb/>
        <p>Ru&#x0364;hmlicher i&#x017F;ts ein unmo&#x0364;glich Ding &#x017F;ich nicht zu unterfangen/<lb/>
als es zu unterfangen und darinnen &#x017F;tecken bleiben.</p><lb/>
        <p>Jn Ubereilung einer Sache pfleget man den Rath&#x017F;chlag nicht<lb/>
reifflich u&#x0364;berwogen zu haben/ die Sache nicht recht angegriffen/ fol-<lb/>
get gemeiniglich eine Mißgeburt.</p><lb/>
        <p>Wann Verwegenheit und Ku&#x0364;hnheit u&#x0364;ber Klugheit und Rath<lb/>
gehet/ &#x017F;o fehlet die Ordnung gemeiniglich/ und i&#x017F;t das Fundament u&#x0364;-<lb/>
bel geleget.</p><lb/>
        <p>Der Gewinn i&#x017F;t eine Tochter des Rath&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es/ wann der Zu-<lb/>
fall ihme nicht zuvor kommet.</p><lb/>
        <p>Be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;ts mit Gedult unterla&#x017F;&#x017F;en/ weder mit Scham &#x017F;ich von<lb/>
den begonnenen zuru&#x0364;ck ziehen.</p><lb/>
        <p>Wer mitten im Wettlauff inneha&#x0364;lt/ beraubet &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t des<lb/>
Gewinns.</p><lb/>
        <p>Mitten im Fortgang wieder umkehren/ i&#x017F;t verlohrne Mu&#x0364;he und<lb/>
Arbeit beym Anfang/ ja er verachtet &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t/ in deme er &#x017F;ich der<lb/>
Frucht beraubet/ deren er doch &#x017F;ehr nahe war.</p><lb/>
        <p>Mit Strengigkeit nach einen Ding ringen/ wann es ein &#x017F;chein-<lb/>
barliches gutes An&#x017F;ehen hat/ i&#x017F;t nicht wohl gethan/ man muß die Zu-<lb/>
fa&#x0364;ll und Vorfa&#x0364;ll reifflich u&#x0364;berlegen/ und das Vergangene mit Ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtigen behertzigen/ da wirs &#x017F;o dann nicht errathen/ &#x017F;o i&#x017F;t gleich-<lb/>
wohl die Schuld nicht un&#x017F;er.</p><lb/>
        <p>Jm Meer &#x017F;egelt man nicht immer mit einem Winde allein/ es<lb/>
&#x017F;eynd mehr Winde/ darnach man die Segel richten muß/ wer nun<lb/>
aus <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;tinat</hi>heit die Segel nicht nach dem Winde zu richten begeh-<lb/>
ret/ der gelanget nicht zu verlangender Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit/ alle Dinge<lb/>
erfordern Ordnung Zeit und Maß.</p><lb/>
        <p>Wer aber nur eines Weges kundig i&#x017F;t/ der irret &#x017F;ich gemeinig-<lb/>
lich in den Neben-Wegen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">R 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Wer</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0143] Anmerckungen vor Handlungs-Liebhaber und ſo darmit ihr Geſchaͤfft und Werck ſuchen. DEr Vernunfft folgen/ und mit der Experiens ſich berathſchlagen/ machet eine Sache zu Ende gedeyen. Der Anfang in Handlung erfordert guten Verſtand/ der Verfolg guten Verſtand und Geduld/ das Ende aber muß ſeyn mit guten Gewiſſen und ruhigen Gemuͤthe; was aber mit GOtt nicht angefangen wird/ hat auch ohne GOtt ſeine Endſchafft. Ruͤhmlicher iſts ein unmoͤglich Ding ſich nicht zu unterfangen/ als es zu unterfangen und darinnen ſtecken bleiben. Jn Ubereilung einer Sache pfleget man den Rathſchlag nicht reifflich uͤberwogen zu haben/ die Sache nicht recht angegriffen/ fol- get gemeiniglich eine Mißgeburt. Wann Verwegenheit und Kuͤhnheit uͤber Klugheit und Rath gehet/ ſo fehlet die Ordnung gemeiniglich/ und iſt das Fundament uͤ- bel geleget. Der Gewinn iſt eine Tochter des Rathſchluſſes/ wann der Zu- fall ihme nicht zuvor kommet. Beſſer iſts mit Gedult unterlaſſen/ weder mit Scham ſich von den begonnenen zuruͤck ziehen. Wer mitten im Wettlauff innehaͤlt/ beraubet ſich ſelbſt des Gewinns. Mitten im Fortgang wieder umkehren/ iſt verlohrne Muͤhe und Arbeit beym Anfang/ ja er verachtet ſich ſelbſt/ in deme er ſich der Frucht beraubet/ deren er doch ſehr nahe war. Mit Strengigkeit nach einen Ding ringen/ wann es ein ſchein- barliches gutes Anſehen hat/ iſt nicht wohl gethan/ man muß die Zu- faͤll und Vorfaͤll reifflich uͤberlegen/ und das Vergangene mit Ge- genwaͤrtigen behertzigen/ da wirs ſo dann nicht errathen/ ſo iſt gleich- wohl die Schuld nicht unſer. Jm Meer ſegelt man nicht immer mit einem Winde allein/ es ſeynd mehr Winde/ darnach man die Segel richten muß/ wer nun aus Obſtinatheit die Segel nicht nach dem Winde zu richten begeh- ret/ der gelanget nicht zu verlangender Gluͤckſeligkeit/ alle Dinge erfordern Ordnung Zeit und Maß. Wer aber nur eines Weges kundig iſt/ der irret ſich gemeinig- lich in den Neben-Wegen. Wer R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sperander_negotiant_1706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sperander_negotiant_1706/143
Zitationshilfe: Sperander [i. e. Gladov, Friedrich]: Sorgfältiger Negotiant und Wechßler. Leipzig, 1706, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sperander_negotiant_1706/143>, abgerufen am 21.11.2024.