Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

"Mein armer Jäger wird mir hier noch zum Hy¬
pochonder werden," rief sie, ihre wasserblauen Augen
zärtlich auf den Gegenstand ihrer Besorgniß richtend;
"ich thue, was in meinen schwachen Kräften steht, daß
er die Gesellschaft geistreicher und gelehrter Männer
so wenig wie möglich vermißt, aber was kann eine
arme, unwissende Frau denn in dieser Hinsicht Großes
thun!"

"Sie werden mich zwingen, Ihnen zu widersprechen,"
sagte Oswald, bei welchem der Humor über den Un¬
muth, mit dem ihn bisher die Heuchelei und Glei߬
nerei der würdigen Gatten erfüllt hatte, endlich den
Sieg davon trug. "Ich möchte behaupten, daß Un¬
wissenheit und Frau Pastor Jäger niemals Freundinnen
gewesen sind, und jetzt schon seit Jahren auch nicht
einmal die entfernteste Bekanntschaft zwischen ihnen
existirt."

"Sie sind zu gütig, wahrlich zu gütig," sagte die
hocherfreute Pastorin. "Ich will nicht leugnen, daß
ich mich von jeher bemühte, den Vorwurf der Unfähig¬
keit für die Sphären höherer Bildung, welchen man
uns armen Frauen --"

"Es ist angerichtet!" rief das Dienstmädchen zur
Thür herein.

"Sehen Sie, so macht das irdische Leben immer

„Mein armer Jäger wird mir hier noch zum Hy¬
pochonder werden,“ rief ſie, ihre waſſerblauen Augen
zärtlich auf den Gegenſtand ihrer Beſorgniß richtend;
„ich thue, was in meinen ſchwachen Kräften ſteht, daß
er die Geſellſchaft geiſtreicher und gelehrter Männer
ſo wenig wie möglich vermißt, aber was kann eine
arme, unwiſſende Frau denn in dieſer Hinſicht Großes
thun!“

„Sie werden mich zwingen, Ihnen zu widerſprechen,“
ſagte Oswald, bei welchem der Humor über den Un¬
muth, mit dem ihn bisher die Heuchelei und Glei߬
nerei der würdigen Gatten erfüllt hatte, endlich den
Sieg davon trug. „Ich möchte behaupten, daß Un¬
wiſſenheit und Frau Paſtor Jäger niemals Freundinnen
geweſen ſind, und jetzt ſchon ſeit Jahren auch nicht
einmal die entfernteſte Bekanntſchaft zwiſchen ihnen
exiſtirt.“

„Sie ſind zu gütig, wahrlich zu gütig,“ ſagte die
hocherfreute Paſtorin. „Ich will nicht leugnen, daß
ich mich von jeher bemühte, den Vorwurf der Unfähig¬
keit für die Sphären höherer Bildung, welchen man
uns armen Frauen —“

„Es iſt angerichtet!“ rief das Dienſtmädchen zur
Thür herein.

„Sehen Sie, ſo macht das irdiſche Leben immer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0124" n="114"/>
        <p>&#x201E;Mein armer Jäger wird mir hier noch zum Hy¬<lb/>
pochonder werden,&#x201C; rief &#x017F;ie, ihre wa&#x017F;&#x017F;erblauen Augen<lb/>
zärtlich auf den Gegen&#x017F;tand ihrer Be&#x017F;orgniß richtend;<lb/>
&#x201E;ich thue, was in meinen &#x017F;chwachen Kräften &#x017F;teht, daß<lb/>
er die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gei&#x017F;treicher und gelehrter Männer<lb/>
&#x017F;o wenig wie möglich vermißt, aber was kann eine<lb/>
arme, unwi&#x017F;&#x017F;ende Frau denn in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht Großes<lb/>
thun!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie werden mich zwingen, Ihnen zu wider&#x017F;prechen,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Oswald, bei welchem der Humor über den Un¬<lb/>
muth, mit dem ihn bisher die Heuchelei und Glei߬<lb/>
nerei der würdigen Gatten erfüllt hatte, endlich den<lb/>
Sieg davon trug. &#x201E;Ich möchte behaupten, daß Un¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enheit und Frau Pa&#x017F;tor Jäger niemals Freundinnen<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ind, und jetzt &#x017F;chon &#x017F;eit Jahren auch nicht<lb/>
einmal die entfernte&#x017F;te Bekannt&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen ihnen<lb/>
exi&#x017F;tirt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind zu gütig, wahrlich zu gütig,&#x201C; &#x017F;agte die<lb/>
hocherfreute Pa&#x017F;torin. &#x201E;Ich will nicht leugnen, daß<lb/>
ich mich von jeher bemühte, den Vorwurf der Unfähig¬<lb/>
keit für die Sphären höherer Bildung, welchen man<lb/>
uns armen Frauen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t angerichtet!&#x201C; rief das Dien&#x017F;tmädchen zur<lb/>
Thür herein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehen Sie, &#x017F;o macht das irdi&#x017F;che Leben immer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0124] „Mein armer Jäger wird mir hier noch zum Hy¬ pochonder werden,“ rief ſie, ihre waſſerblauen Augen zärtlich auf den Gegenſtand ihrer Beſorgniß richtend; „ich thue, was in meinen ſchwachen Kräften ſteht, daß er die Geſellſchaft geiſtreicher und gelehrter Männer ſo wenig wie möglich vermißt, aber was kann eine arme, unwiſſende Frau denn in dieſer Hinſicht Großes thun!“ „Sie werden mich zwingen, Ihnen zu widerſprechen,“ ſagte Oswald, bei welchem der Humor über den Un¬ muth, mit dem ihn bisher die Heuchelei und Glei߬ nerei der würdigen Gatten erfüllt hatte, endlich den Sieg davon trug. „Ich möchte behaupten, daß Un¬ wiſſenheit und Frau Paſtor Jäger niemals Freundinnen geweſen ſind, und jetzt ſchon ſeit Jahren auch nicht einmal die entfernteſte Bekanntſchaft zwiſchen ihnen exiſtirt.“ „Sie ſind zu gütig, wahrlich zu gütig,“ ſagte die hocherfreute Paſtorin. „Ich will nicht leugnen, daß ich mich von jeher bemühte, den Vorwurf der Unfähig¬ keit für die Sphären höherer Bildung, welchen man uns armen Frauen —“ „Es iſt angerichtet!“ rief das Dienſtmädchen zur Thür herein. „Sehen Sie, ſo macht das irdiſche Leben immer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/124
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/124>, abgerufen am 11.12.2024.