Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.dem Tisch vor dem Sopha, wie es schien mit Lesen, "Meine Frau," sagte der Baron, Oswald der "Sie kommen spät, Herr Doctor Stein," sagte die "So früh, gnädige Frau," antwortete der junge "Geduld ist eine schöne Tugend," sagte die Ba¬ dem Tiſch vor dem Sopha, wie es ſchien mit Leſen, „Meine Frau,“ ſagte der Baron, Oswald der „Sie kommen ſpät, Herr Doctor Stein‚“ ſagte die „So früh, gnädige Frau,“ antwortete der junge „Geduld iſt eine ſchöne Tugend,“ ſagte die Ba¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="4"/> dem Tiſch vor dem Sopha, wie es ſchien mit Leſen,<lb/> beſchäftigt geweſen waren.</p><lb/> <p>„Meine Frau,“ ſagte der Baron, Oswald der<lb/> älteren von den beiden Damen vorſtellend, einer hohen,<lb/> ſchlanken Frau von etwa vierzig Jahren, die dem An¬<lb/> kömmling ein paar Schritte entgegengegangen war und<lb/> jetzt mit einiger Förmlichkeit ſeine Begrüßung erwie¬<lb/> derte, und dann verbeugte er ſich auch vor der jün¬<lb/> geren, einer zierlichen kleinen Geſtalt mit einem etwas<lb/> ſcharfen, echt franzöfiſchen, von langen engliſchen Locken<lb/> eingerahmten Geſicht, da er in dem Umſtande, daß ſie<lb/> ihm nicht beſonders vorgeſtellt wurde, keinen zwingen¬<lb/> den Grund ſah, dieſe Höflichkeit zu unterlaſſen.</p><lb/> <p>„Sie kommen ſpät, Herr Doctor Stein‚“ ſagte die<lb/> Baronin mit einer tiefen, wohllautende Stimme, die<lb/> mit dem kalten Licht ihrer großen grauen Augen nicht<lb/> ganz harmonirte.</p><lb/> <p>„So früh, gnädige Frau,“ antwortete der junge<lb/> Mann heiter, „als es der widrige Wind, der heute<lb/> Morgen das Fährboot um mehre Stunden aufhielt,<lb/> und der Kutſcher des Herrn Baron, deſſen Geduld zu<lb/> bewundern ich unterwegs reichlich Gelegenheit hatte,<lb/> erlaubten.“</p><lb/> <p>„Geduld iſt eine ſchöne Tugend,“ ſagte die Ba¬<lb/> ronin, nachdem ſie ihren Platz auf dem Sopha wieder<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0014]
dem Tiſch vor dem Sopha, wie es ſchien mit Leſen,
beſchäftigt geweſen waren.
„Meine Frau,“ ſagte der Baron, Oswald der
älteren von den beiden Damen vorſtellend, einer hohen,
ſchlanken Frau von etwa vierzig Jahren, die dem An¬
kömmling ein paar Schritte entgegengegangen war und
jetzt mit einiger Förmlichkeit ſeine Begrüßung erwie¬
derte, und dann verbeugte er ſich auch vor der jün¬
geren, einer zierlichen kleinen Geſtalt mit einem etwas
ſcharfen, echt franzöfiſchen, von langen engliſchen Locken
eingerahmten Geſicht, da er in dem Umſtande, daß ſie
ihm nicht beſonders vorgeſtellt wurde, keinen zwingen¬
den Grund ſah, dieſe Höflichkeit zu unterlaſſen.
„Sie kommen ſpät, Herr Doctor Stein‚“ ſagte die
Baronin mit einer tiefen, wohllautende Stimme, die
mit dem kalten Licht ihrer großen grauen Augen nicht
ganz harmonirte.
„So früh, gnädige Frau,“ antwortete der junge
Mann heiter, „als es der widrige Wind, der heute
Morgen das Fährboot um mehre Stunden aufhielt,
und der Kutſcher des Herrn Baron, deſſen Geduld zu
bewundern ich unterwegs reichlich Gelegenheit hatte,
erlaubten.“
„Geduld iſt eine ſchöne Tugend,“ ſagte die Ba¬
ronin, nachdem ſie ihren Platz auf dem Sopha wieder
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