"Viel Gutes, viel Schlimmes," sagte die Zigeunerin, den Kopf schüttelnd.
"Das ist meistens so im Leben," sagte Oswald; "und worin bestände denn das Gute?"
"Viel Gutes, viel Schlimmes," wiederholte die Zigeunerin. "Jede gute Linie von einer schlimmen durchkreuzt; kann das Gute nicht nennen, ohne das Schlimme."
"Nun so nenne es, wie es kommt," sagte Oswald, der anfing, ungeduldig zu werden.
"Viel zum Glück, und doch nicht glücklich," mur¬ melte die Zigeunerin. "Männern Feind und Frauen Freund; rasch im Hassen, rasch im Lieben; buntes Leben, früher Tod."
"Nun," sagte Oswald, "das läßt sich ja noch hören. Aber wie war das mit den Frauen? das interessirt mich."
"Viel Gutes, viel Schlimmes," wiederholte das Weib, den Kopf noch tiefer beugend, als sollte ihr auch die feinste Linie nicht entgehen; "viel, sehr viel Liebe und doch wenig, ach! so wenig Glück!"
"Liebe ich jetzt?"
"Ja."
"Und wen?"
„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ ſagte die Zigeunerin, den Kopf ſchüttelnd.
„Das iſt meiſtens ſo im Leben,“ ſagte Oswald; „und worin beſtände denn das Gute?“
„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ wiederholte die Zigeunerin. „Jede gute Linie von einer ſchlimmen durchkreuzt; kann das Gute nicht nennen, ohne das Schlimme.“
„Nun ſo nenne es, wie es kommt,“ ſagte Oswald, der anfing, ungeduldig zu werden.
„Viel zum Glück, und doch nicht glücklich,“ mur¬ melte die Zigeunerin. „Männern Feind und Frauen Freund; raſch im Haſſen, raſch im Lieben; buntes Leben, früher Tod.“
„Nun,“ ſagte Oswald, „das läßt ſich ja noch hören. Aber wie war das mit den Frauen? das intereſſirt mich.“
„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ wiederholte das Weib, den Kopf noch tiefer beugend, als ſollte ihr auch die feinſte Linie nicht entgehen; „viel, ſehr viel Liebe und doch wenig, ach! ſo wenig Glück!“
„Liebe ich jetzt?“
„Ja.“
„Und wen?“
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„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ ſagte die Zigeunerin,
den Kopf ſchüttelnd.
„Das iſt meiſtens ſo im Leben,“ ſagte Oswald;
„und worin beſtände denn das Gute?“
„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ wiederholte die
Zigeunerin. „Jede gute Linie von einer ſchlimmen
durchkreuzt; kann das Gute nicht nennen, ohne das
Schlimme.“
„Nun ſo nenne es, wie es kommt,“ ſagte Oswald,
der anfing, ungeduldig zu werden.
„Viel zum Glück, und doch nicht glücklich,“ mur¬
melte die Zigeunerin. „Männern Feind und Frauen
Freund; raſch im Haſſen, raſch im Lieben; buntes
Leben, früher Tod.“
„Nun,“ ſagte Oswald, „das läßt ſich ja noch hören.
Aber wie war das mit den Frauen? das intereſſirt
mich.“
„Viel Gutes, viel Schlimmes,“ wiederholte das
Weib, den Kopf noch tiefer beugend, als ſollte ihr auch
die feinſte Linie nicht entgehen; „viel, ſehr viel Liebe
und doch wenig, ach! ſo wenig Glück!“
„Liebe ich jetzt?“
„Ja.“
„Und wen?“
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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