Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.fangen, als wäre er ihr Bruder oder Gatte, nahm sie Oswald ergriff die liebe Hand und preßte sie an "Die Hand muß ich Ihnen freilich lassen," sagte "So behalten Sie es als Andenken an diese Stunde. Melitta lehnte sich auf Oswalds Arm, als sie jetzt fangen, als wäre er ihr Bruder oder Gatte, nahm ſie Oswald ergriff die liebe Hand und preßte ſie an „Die Hand muß ich Ihnen freilich laſſen,“ ſagte „So behalten Sie es als Andenken an dieſe Stunde. Melitta lehnte ſich auf Oswalds Arm, als ſie jetzt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="196"/> fangen, als wäre er ihr Bruder oder Gatte, nahm ſie<lb/> ihm den Hut vom Haupt und drückte ihm ihr feines,<lb/> duftendes Taſchentuch wiederholt auf die perlende Stirn<lb/> und die blauen, träumeriſchen Augen.</p><lb/> <p>Oswald ergriff die liebe Hand und preßte ſie an<lb/> ſeine Lippen.</p><lb/> <p>„Die Hand muß ich Ihnen freilich laſſen,“ ſagte<lb/> er; „aber das Tuch kann ich Ihnen wahrlich nicht<lb/> wiedergeben.“</p><lb/> <p>„So behalten Sie es als Andenken an dieſe Stunde.<lb/> Aber jetzt wollen wir weiter. Wir haben bis zur<lb/> Waldkapelle doch noch eine ziemliche Strecke und der<lb/> Himmel ſieht in der That drohend aus.“</p><lb/> <p>Melitta lehnte ſich auf Oswalds Arm, als ſie jetzt<lb/> den ſchmalen Pfad einſchlugen, der erſt durch Buchen,<lb/> dann zwiſchen einer Schonung jungen Laubholzes auf<lb/> der einen und hochſtämmigen Nadelholzes auf der andern<lb/> Seite tiefer in den Wald führte. Die Sonne goß über<lb/> die niedrigen Büſche fort ihre letzten Strahlen purpurn<lb/> über die Wipfel der Tannen; ein Vöglein ſtrömte in<lb/> weichen, klagenden Tönen, als wenn es Abſchied nähme<lb/> von der Sonne und vom Leben, ſeine ſüßen Abendlieder<lb/> aus. — Dann erloſch die Purpurgluth droben, das<lb/> Vöglein verſtummte und Schatten nur Stille umfing<lb/> die Liebenden. Aber der Schatten wurde düſterer und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [196/0206]
fangen, als wäre er ihr Bruder oder Gatte, nahm ſie
ihm den Hut vom Haupt und drückte ihm ihr feines,
duftendes Taſchentuch wiederholt auf die perlende Stirn
und die blauen, träumeriſchen Augen.
Oswald ergriff die liebe Hand und preßte ſie an
ſeine Lippen.
„Die Hand muß ich Ihnen freilich laſſen,“ ſagte
er; „aber das Tuch kann ich Ihnen wahrlich nicht
wiedergeben.“
„So behalten Sie es als Andenken an dieſe Stunde.
Aber jetzt wollen wir weiter. Wir haben bis zur
Waldkapelle doch noch eine ziemliche Strecke und der
Himmel ſieht in der That drohend aus.“
Melitta lehnte ſich auf Oswalds Arm, als ſie jetzt
den ſchmalen Pfad einſchlugen, der erſt durch Buchen,
dann zwiſchen einer Schonung jungen Laubholzes auf
der einen und hochſtämmigen Nadelholzes auf der andern
Seite tiefer in den Wald führte. Die Sonne goß über
die niedrigen Büſche fort ihre letzten Strahlen purpurn
über die Wipfel der Tannen; ein Vöglein ſtrömte in
weichen, klagenden Tönen, als wenn es Abſchied nähme
von der Sonne und vom Leben, ſeine ſüßen Abendlieder
aus. — Dann erloſch die Purpurgluth droben, das
Vöglein verſtummte und Schatten nur Stille umfing
die Liebenden. Aber der Schatten wurde düſterer und
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