drohender, und die Stille wurde seltsam unterbrochen von dem Knarren und Stöhnen der Tannenriesen, die ihre starken Glieder reckten und dehnten, als wollten sie prüfen, ob ihre Kraft noch ausreiche, dem Gewitter¬ sturm, der über den Wald heraufzog, zu trotzen. Und jetzt begann es in den Büschen unheimlich zu zischeln und zu flüstern, dürres Laub flog, wie in toller Angst, her vor der Windesbraut, die sausend in das Blätter¬ meer schlug, die Kronen der Buchen wie wahnsinnig durch einander peitschte, die hohen Wipfel der Tannen mächtig bog und den Wald bis in die tiefsten Gründe aus seiner Ruhe schreckte. Das fahle Licht eines Blitzes zuckte auf; schon fielen große warme Tropfen durch die Blätter.
Melitta hatte sich dicht an Oswald geschmiegt, dessen Herz mit dem Sturm aufjauchzte. Die Geliebte mit dem einen Arm an sich drückend, streckte er wie zum Kampf den andern zum gewitterschwarzen Himmel auf. "Nur zu, nur zu!" murmelte er durch die zu¬ sammengepreßten Zähne; "ich fürchte Dich nicht! . . . Wie, gnädige Frau, ist Ihr Muth schon zu Ende? O, es ist schön im stürmenden, donnernden Walde."
Melitta sprach kein Wort; die Augen nicht vom Boden erhebend, eilte sie weiter, schneller und immer schneller, bis der Wald sich zu einer weiten Lichtung
drohender, und die Stille wurde ſeltſam unterbrochen von dem Knarren und Stöhnen der Tannenrieſen, die ihre ſtarken Glieder reckten und dehnten, als wollten ſie prüfen, ob ihre Kraft noch ausreiche, dem Gewitter¬ ſturm, der über den Wald heraufzog, zu trotzen. Und jetzt begann es in den Büſchen unheimlich zu ziſcheln und zu flüſtern, dürres Laub flog, wie in toller Angſt, her vor der Windesbraut, die ſauſend in das Blätter¬ meer ſchlug, die Kronen der Buchen wie wahnſinnig durch einander peitſchte, die hohen Wipfel der Tannen mächtig bog und den Wald bis in die tiefſten Gründe aus ſeiner Ruhe ſchreckte. Das fahle Licht eines Blitzes zuckte auf; ſchon fielen große warme Tropfen durch die Blätter.
Melitta hatte ſich dicht an Oswald geſchmiegt, deſſen Herz mit dem Sturm aufjauchzte. Die Geliebte mit dem einen Arm an ſich drückend, ſtreckte er wie zum Kampf den andern zum gewitterſchwarzen Himmel auf. „Nur zu, nur zu!“ murmelte er durch die zu¬ ſammengepreßten Zähne; „ich fürchte Dich nicht! . . . Wie, gnädige Frau, iſt Ihr Muth ſchon zu Ende? O, es iſt ſchön im ſtürmenden, donnernden Walde.“
Melitta ſprach kein Wort; die Augen nicht vom Boden erhebend, eilte ſie weiter, ſchneller und immer ſchneller, bis der Wald ſich zu einer weiten Lichtung
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drohender, und die Stille wurde ſeltſam unterbrochen
von dem Knarren und Stöhnen der Tannenrieſen, die
ihre ſtarken Glieder reckten und dehnten, als wollten
ſie prüfen, ob ihre Kraft noch ausreiche, dem Gewitter¬
ſturm, der über den Wald heraufzog, zu trotzen. Und
jetzt begann es in den Büſchen unheimlich zu ziſcheln
und zu flüſtern, dürres Laub flog, wie in toller Angſt,
her vor der Windesbraut, die ſauſend in das Blätter¬
meer ſchlug, die Kronen der Buchen wie wahnſinnig
durch einander peitſchte, die hohen Wipfel der Tannen
mächtig bog und den Wald bis in die tiefſten Gründe
aus ſeiner Ruhe ſchreckte. Das fahle Licht eines Blitzes
zuckte auf; ſchon fielen große warme Tropfen durch
die Blätter.
Melitta hatte ſich dicht an Oswald geſchmiegt,
deſſen Herz mit dem Sturm aufjauchzte. Die Geliebte
mit dem einen Arm an ſich drückend, ſtreckte er wie
zum Kampf den andern zum gewitterſchwarzen Himmel
auf. „Nur zu, nur zu!“ murmelte er durch die zu¬
ſammengepreßten Zähne; „ich fürchte Dich nicht! . . .
Wie, gnädige Frau, iſt Ihr Muth ſchon zu Ende? O,
es iſt ſchön im ſtürmenden, donnernden Walde.“
Melitta ſprach kein Wort; die Augen nicht vom
Boden erhebend, eilte ſie weiter, ſchneller und immer
ſchneller, bis der Wald ſich zu einer weiten Lichtung
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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