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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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Ranken ganz vergittert sein; aber meine Stube wird
leer stehen, nur die Sonnenstrahlen werden durch die
Blätter schimmern und die Regentropfen daran hin¬
unterrinnen, und keine Menschen und keine Thierseele
wird sich darüber freuen."

"Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,"
sagte Oswald.

"Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!" seufzte der
Andere. Ich sage Ihnen, so ein Fenster giebt es auf
der weiten Welt nicht mehr. -- In der tiefen Nische
steht ein Lehnstuhl, mit schwarzem Leder überzogen, den
mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem
Geburtstage geschenkt hat; -- eine Schlummerwalze,
die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag selbst ge¬
häkelt hat, hänkt an der Lehne -- na, das läßt sich
eben nicht beschreiben. Aber da so zu sitzen an einem
Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬
kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen
und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch
die Blätter herauszieht --"

Bei diesen Worten blies Herr Bemperlein zwei
mächtige Rauchwolken aus seiner Cigarre durch das
geöffnete Fenster, an dem er saß, und schüttelte weh¬
müthig den Kopf, als wollte er sagen: das bringt hier

.Spielhagen, Naturen I 15

Ranken ganz vergittert ſein; aber meine Stube wird
leer ſtehen, nur die Sonnenſtrahlen werden durch die
Blätter ſchimmern und die Regentropfen daran hin¬
unterrinnen, und keine Menſchen und keine Thierſeele
wird ſich darüber freuen.“

„Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,“
ſagte Oswald.

„Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!“ ſeufzte der
Andere. Ich ſage Ihnen, ſo ein Fenſter giebt es auf
der weiten Welt nicht mehr. — In der tiefen Niſche
ſteht ein Lehnſtuhl, mit ſchwarzem Leder überzogen, den
mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem
Geburtstage geſchenkt hat; — eine Schlummerwalze,
die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag ſelbſt ge¬
häkelt hat, hänkt an der Lehne — na, das läßt ſich
eben nicht beſchreiben. Aber da ſo zu ſitzen an einem
Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬
kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen
und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch
die Blätter herauszieht —“

Bei dieſen Worten blies Herr Bemperlein zwei
mächtige Rauchwolken aus ſeiner Cigarre durch das
geöffnete Fenſter, an dem er ſaß, und ſchüttelte weh¬
müthig den Kopf, als wollte er ſagen: das bringt hier

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[225/0235] Ranken ganz vergittert ſein; aber meine Stube wird leer ſtehen, nur die Sonnenſtrahlen werden durch die Blätter ſchimmern und die Regentropfen daran hin¬ unterrinnen, und keine Menſchen und keine Thierſeele wird ſich darüber freuen.“ „Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,“ ſagte Oswald. „Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!“ ſeufzte der Andere. Ich ſage Ihnen, ſo ein Fenſter giebt es auf der weiten Welt nicht mehr. — In der tiefen Niſche ſteht ein Lehnſtuhl, mit ſchwarzem Leder überzogen, den mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem Geburtstage geſchenkt hat; — eine Schlummerwalze, die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag ſelbſt ge¬ häkelt hat, hänkt an der Lehne — na, das läßt ſich eben nicht beſchreiben. Aber da ſo zu ſitzen an einem Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬ kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch die Blätter herauszieht —“ Bei dieſen Worten blies Herr Bemperlein zwei mächtige Rauchwolken aus ſeiner Cigarre durch das geöffnete Fenſter, an dem er ſaß, und ſchüttelte weh¬ müthig den Kopf, als wollte er ſagen: das bringt hier .Spielhagen, Naturen I 15

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/235>, abgerufen am 21.11.2024.