ein Junge, der morgen die Schule schwänzen will, nur sein kann. Aber da der Baron und die Baronin in der Erschöpfung, welche bei einem solchen Zucker¬ püppchen nach einer längeren Promenade sehr natürlich ist, die Anzeichen eines heraufziehenden Typhus zu er¬ kennen glaubten, und keine Stimme im hohen Rathe sich dagegen erhob, so mußte denn natürlich schleunigst zu dem Unglücklichen geschickt werden, der das wenig beneidenswerthe Vorrecht hat, allen Unsinn, der den Leuten durch den Kopf geht, ausbaden zu müssen. Ich meine, zum Arzt. Und während ich nun nach dem Abendbrod -- welches, wie Sie wissen, oder wie die Baronin sagt, wenigstens wissen müßten -- in Gren¬ witz stets pünklich um acht Uhr servirt wird, eben in den Wagen steigen wollte, kommt der Prachtjunge, der Bruno, wie der Georg in Götz von Berlichingen in voller Carriere auf den Schloßhof gesprengt. -- Sie hätten das Entsetzen des Barons und der Baro¬ nin sehen sollen! -- Die guten Leute hätten nicht mehr erschrecken können, wenn der Raugraf aus der Bürger¬ schen Ballade mit Holla und Hussasa über den Hof geritten wäre -- und verkündete in athemloser Hast, der Jochen läge auf den Tod und Doctor Stein wäre bei ihm, und er bäte mich, doch so schnell wie möglich zu kommen. -- Aber Apropos, wie ist das? Die
ein Junge, der morgen die Schule ſchwänzen will, nur ſein kann. Aber da der Baron und die Baronin in der Erſchöpfung, welche bei einem ſolchen Zucker¬ püppchen nach einer längeren Promenade ſehr natürlich iſt, die Anzeichen eines heraufziehenden Typhus zu er¬ kennen glaubten, und keine Stimme im hohen Rathe ſich dagegen erhob, ſo mußte denn natürlich ſchleunigſt zu dem Unglücklichen geſchickt werden, der das wenig beneidenswerthe Vorrecht hat, allen Unſinn, der den Leuten durch den Kopf geht, ausbaden zu müſſen. Ich meine, zum Arzt. Und während ich nun nach dem Abendbrod — welches, wie Sie wiſſen, oder wie die Baronin ſagt, wenigſtens wiſſen müßten — in Gren¬ witz ſtets pünklich um acht Uhr ſervirt wird, eben in den Wagen ſteigen wollte, kommt der Prachtjunge, der Bruno, wie der Georg in Götz von Berlichingen in voller Carrière auf den Schloßhof geſprengt. — Sie hätten das Entſetzen des Barons und der Baro¬ nin ſehen ſollen! — Die guten Leute hätten nicht mehr erſchrecken können, wenn der Raugraf aus der Bürger¬ ſchen Ballade mit Holla und Huſſaſa über den Hof geritten wäre — und verkündete in athemloſer Haſt, der Jochen läge auf den Tod und Doctor Stein wäre bei ihm, und er bäte mich, doch ſo ſchnell wie möglich zu kommen. — Aber Apropos, wie iſt das? Die
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ein Junge, der morgen die Schule ſchwänzen will,
nur ſein kann. Aber da der Baron und die Baronin
in der Erſchöpfung, welche bei einem ſolchen Zucker¬
püppchen nach einer längeren Promenade ſehr natürlich
iſt, die Anzeichen eines heraufziehenden Typhus zu er¬
kennen glaubten, und keine Stimme im hohen Rathe
ſich dagegen erhob, ſo mußte denn natürlich ſchleunigſt
zu dem Unglücklichen geſchickt werden, der das wenig
beneidenswerthe Vorrecht hat, allen Unſinn, der den
Leuten durch den Kopf geht, ausbaden zu müſſen. Ich
meine, zum Arzt. Und während ich nun nach dem
Abendbrod — welches, wie Sie wiſſen, oder wie die
Baronin ſagt, wenigſtens wiſſen müßten — in Gren¬
witz ſtets pünklich um acht Uhr ſervirt wird, eben in
den Wagen ſteigen wollte, kommt der Prachtjunge,
der Bruno, wie der Georg in Götz von Berlichingen
in voller Carrière auf den Schloßhof geſprengt. —
Sie hätten das Entſetzen des Barons und der Baro¬
nin ſehen ſollen! — Die guten Leute hätten nicht mehr
erſchrecken können, wenn der Raugraf aus der Bürger¬
ſchen Ballade mit Holla und Huſſaſa über den Hof
geritten wäre — und verkündete in athemloſer Haſt,
der Jochen läge auf den Tod und Doctor Stein wäre
bei ihm, und er bäte mich, doch ſo ſchnell wie möglich
zu kommen. — Aber Apropos, wie iſt das? Die
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/298>, abgerufen am 24.11.2024.
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