"Boncoeur," rief Oswald leise, als das Thier in seine Nähe kam, "ici!"
Das kluge Thier stutzte bei dem wohlbekannten Ruf, den es so oft aus seiner Herrin Munde vernommen, und kam, Oswald erkennend, in raschen Sprüngen auf ihn zu, und legte ihm als Willkommen die mächtigen Tatzen auf Brust und Schulter.
"So," sagte Oswald, das schöne Thier streichelnd; "so, Boncoeur, Du erlaubst also daß ich zu Deiner Herrin gehe? Komm!"
Den Hund an den zottigen, langen Haaren fest¬ haltend, schritt Oswald über die Wiese. Auf der Treppe übertönten die Tatzen Boncoeurs den leichten Schritt Oswalds; so schlich er sich auf der Gallerie, die sich um das Häuschen zog, hin, bis er an das Fenster kam. Das Fenster stand auf, durch den vene¬ tianischen Epheu hindurch, mit dem es dicht berankt war, sah Oswald hinein in das Zimmer. Auf dem Tisch brannte eine Lampe, deren Glocke mit einem rothen Schleier bedeckt war, so daß der Venus heili¬ ges Bild in dem warmen Licht wie lebend erschien. Zu den Füßen des Bildes saß Melitta, Oswald halb das Gesicht zukehrend, an dem Tische. Sie hatte ein Buch vor sich aufgeschlagen, aber offenbar las sie nicht; die feine Hand, auf die sie den Kopf stützte, in
„Boncoeur,“ rief Oswald leiſe, als das Thier in ſeine Nähe kam, „ici!“
Das kluge Thier ſtutzte bei dem wohlbekannten Ruf, den es ſo oft aus ſeiner Herrin Munde vernommen, und kam, Oswald erkennend, in raſchen Sprüngen auf ihn zu, und legte ihm als Willkommen die mächtigen Tatzen auf Bruſt und Schulter.
„So,“ ſagte Oswald, das ſchöne Thier ſtreichelnd; „ſo, Boncoeur, Du erlaubſt alſo daß ich zu Deiner Herrin gehe? Komm!“
Den Hund an den zottigen, langen Haaren feſt¬ haltend, ſchritt Oswald über die Wieſe. Auf der Treppe übertönten die Tatzen Boncoeurs den leichten Schritt Oswalds; ſo ſchlich er ſich auf der Gallerie, die ſich um das Häuschen zog, hin, bis er an das Fenſter kam. Das Fenſter ſtand auf, durch den vene¬ tianiſchen Epheu hindurch, mit dem es dicht berankt war, ſah Oswald hinein in das Zimmer. Auf dem Tiſch brannte eine Lampe, deren Glocke mit einem rothen Schleier bedeckt war, ſo daß der Venus heili¬ ges Bild in dem warmen Licht wie lebend erſchien. Zu den Füßen des Bildes ſaß Melitta, Oswald halb das Geſicht zukehrend, an dem Tiſche. Sie hatte ein Buch vor ſich aufgeſchlagen, aber offenbar las ſie nicht; die feine Hand, auf die ſie den Kopf ſtützte, in
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„Boncoeur,“ rief Oswald leiſe, als das Thier in
ſeine Nähe kam, „ici!“
Das kluge Thier ſtutzte bei dem wohlbekannten Ruf,
den es ſo oft aus ſeiner Herrin Munde vernommen,
und kam, Oswald erkennend, in raſchen Sprüngen auf
ihn zu, und legte ihm als Willkommen die mächtigen
Tatzen auf Bruſt und Schulter.
„So,“ ſagte Oswald, das ſchöne Thier ſtreichelnd;
„ſo, Boncoeur, Du erlaubſt alſo daß ich zu Deiner
Herrin gehe? Komm!“
Den Hund an den zottigen, langen Haaren feſt¬
haltend, ſchritt Oswald über die Wieſe. Auf der
Treppe übertönten die Tatzen Boncoeurs den leichten
Schritt Oswalds; ſo ſchlich er ſich auf der Gallerie,
die ſich um das Häuschen zog, hin, bis er an das
Fenſter kam. Das Fenſter ſtand auf, durch den vene¬
tianiſchen Epheu hindurch, mit dem es dicht berankt
war, ſah Oswald hinein in das Zimmer. Auf dem
Tiſch brannte eine Lampe, deren Glocke mit einem
rothen Schleier bedeckt war, ſo daß der Venus heili¬
ges Bild in dem warmen Licht wie lebend erſchien.
Zu den Füßen des Bildes ſaß Melitta, Oswald halb
das Geſicht zukehrend, an dem Tiſche. Sie hatte
ein Buch vor ſich aufgeſchlagen, aber offenbar las ſie
nicht; die feine Hand, auf die ſie den Kopf ſtützte, in
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/307>, abgerufen am 17.06.2024.
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